28.04.2024 - "Gott loben zum Trotz" - Predigt am Sonntag Kantate zu Offb 15,2-4 (Pfarrer Fischer)

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

 

Liebe Gemeinde,

der heutige Sonntag ermuntert uns zum Singen.

„Kantate"– „singt und seid guten Muts!“

Dazu passt auch unser Predigtwort aus dem 15. Kapitel der Offenbarung des Johannes. Ich lese zuerst den zweiten Teil:

Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott!

Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker.

Wer sollte dich, Herr, nicht fürchten und deinen Namen nicht preisen?

Denn du allein bist heilig!

Ja, alle Völker werden kommen und anbeten vor dir, denn deine gerechten Gerichte sind offenbar geworden.

Liebe Gemeinde!
„Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott!“

Gerade jetzt im Frühling möchte man mit einstimmen in dieses Lob.

 

Gottes wunderbare Werke - damit ist aber nicht nur die Natur gemeint.

Auch an uns Menschen vollbringt Gott diese Werke, ja selbst an Menschen, die nicht an Gott glauben.

Ich denke da an Josef, der zuerst durch Sklaverei und Gefängnis gehen muss, bis er zu dem wird, der seinem Volk und vielen anderen Gutes tun kann.

Oder denken wir an den mächtigen römischen Kaiser Augustus.

Gott gebraucht ihn und seine Steuerreform dazu, dass Jesus am richtigen Ort, im geweissagten Bethlehem, zur Welt kommt.

Und ist es nicht auch ein wunderbares Werk Gottes, dass er den Christenverfolger Saulus zum Paulus, und damit zum größten christlichen Missionar aller Zeiten werden lässt?

 

Beispiele über Beispiele ließen sich hier für Gottes wunderbare Werke anführen.

Sicher haben wir selbst in unsrem Leben erfahren dürfen: Gott hat mich wunderbar geführt.

Ja, groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott! - Und mit Joachim Neander möchte man weiter singen: „Lobe den Herren, der alles so herrlich regieret...“.

 

Allerdings gibt es da auch andere Stimmen über das Gotteslob:

Die Theologin Dorothee Sölle hat einmal gesagt hat: „Nach Auschwitz kann man nicht mehr singen: Lobe den Herren, der alles so herrlich regieret...“ -

Und tatsächlich schleichen sich auch Zweifel im Glauben an den gerechten und barmherzigen Gott ein, wenn man über all das nachdenkt, was für Verbrechen an Menschen begangen worden sind und immer noch begangen werden

„Auschwitz“ - dieser Name ist zum Synonym geworden für den millionenfachen Völkermord an unschuldigen jüdischen Männern, Frauen und Kindern, daneben an unzähligen Menschen anderer Völkern, Nationen mit unterschiedlichen religiösen und politischen Gesinnungen.

„Auschwitz“ zeigt uns die tiefsten menschlichen Abgründe auf; all das, wozu der Mensch an Abscheulichem und Gottlosen zu tun fähig ist.

Insgesamt sind über 60 Millionen Menschen im Zweiten Weltkrieg ums Leben gekommen.

 

Und trotzdem haben sich die Zeiten seitdem nicht viel geändert.

Millionen von Menschen sind heute auf der Flucht, oder leben in Auffanglagern, oder in Angst vor Bombenangriffen.

Andere Namen stehen dafür: Ukraine, Syrien, Israel, Palästina, Jemen, ….

 

Wir dürfen bei all dem nicht die Schuld bei Gott suchen.

Der Mensch ist verantwortlich, nicht Gott.

Und Gott schaut nicht weg!

Er geht mit; ist bei den Menschen in Not.

Gott war auf Golgatha, er war in Auschwitz, er lebt in den Lagern.

Vor allem in Zeiten der Not haben Menschen immer wieder Gottes Nähe gesucht und gefunden:

„Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir...“ Worte, aus dem 23. Psalm.

Das sind Glaubenszeugnisse, von denen die Bibel voll ist.

Viele unter uns haben auch so einen Bibelvers oder Liedvers, der sie durchs Leben begleitet.

Der das, was wir denken und fühlen, besser ausdrückt, als wir es je könnten: den Taufspruch, den Konfirmationsspruch, den Trauspruch, die tägliche Losung.

Oft fehlen uns ja die richtigen Worte, sind sprachlos, wenn uns Freude oder Schmerz überwältigen.

Wenn ich ein Lied, ein Gebet griffbereit im meinem Gedächtnis habe - und hoffentlich in meinem Herzen - dann fällt es mir leichter, schwierigste Momente zu meistern.

 

Und trotzdem fällt es uns zu oft zu schwer, Gott zu loben.
Meinen wir etwa, Gott strafe uns, Gott sei gegen uns?

 

Was waren das nur für Menschen, die so frei von der Leber weg singen konnten: „Groß und wunderbar sind deine Werke, allmächtiger Gott! Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker. Wer sollte dich nicht fürchten und deinen Namen preisen? Denn du allein bist heilig!“?

 

Schauen wir auf den ersten Teil unseres Predigtwortes. Da heißt es:

Ich sah, und es war wie ein gläsernes Meer, mit Feuer vermengt; und die den Sieg behalten hatten über das Tier und sein Bild und über die Zahl seines Namens, die standen an dem gläsernen Meer und hatten Gottes Harfen und sangen das Lied des Mose, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes:

Viele Bilder und Motive werden angesprochen:

Das Lied des Mose - wir werden erinnert an das Schilfmeer, durch das hindurch Gott sein Volk gerettet hat.

Das Lied des Lammes - ich denke da an Jesaja:

„Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen“; oder an Paulus: „Er ward gehorsam bis zum Tode am Kreuz.“

 

Es geht hier immer um Rettung - um unsere Rettung.

Die Menschen, die dieses Loblied auf Gott singen, sind gerettete Menschen.

Menschen, die durch große Tiefen gegangen sind; die den Sieg behalten haben; über das Tier und sein Bild und über die Zahl seines Namens.

In diesen Bildern wird auch an Schreckliches erinnert.

Zwei Kapitel vorher wird es beschrieben: Ein scheußliches, machtbesessenes Unwesen taucht aus dem Meer auf, aus dem Meer der Völker.

Es wütet und vernichtet.

Es beansprucht für sich, Gott zu sein.

Bilder werden von ihm aufgestellt, vor denen es verehrt werden soll.

Und dieses Ungeheuer hat eine Zahl, eine Nummer, an der man es erkennt: Die Offenbarung nennt die Zahl 666.

Das Böse hatte und hat sehr viel menschliche Gesichter:

Bestimmt waren damals die aktuellen römischen Kaiser gemeint: Nero und Domitian - beides grausame Christenverfolger.

 

Ich denke aber auch, dieses Bild ist zeitlos.

Es steht für alle Tyrannen, die Menschen ins Unglück stürzen und morden; weil sie machtbesessen sind, weil sie niemanden neben sich dulden, schon gar nicht über sich; weil sie die Menschen in Wirklichkeit verachten und Blut und Tränen zurücklassen.

Ich denke an Stalin, an Hitler, an Idi Amin, an Hussein, und andere gegenwärtige Diktatoren und Autokraten.

 

Tatsache bleibt: Hier haben Menschen furchtbare Zeiten durchlebt.

Und trotzdem singen sie!

Denn sie haben den Sieg behalten!
Es ist überstanden.

Das Jammertal ist durchschritten!

Sie selbst konnten aus eigener Kraft nicht siegen!

Sie habend en Sieg behalten, heißt es - das meint etwas anderes:

Diese Menschen waren keine Helden, wie wir sie aus den Sagen kennen.

Sie haben nicht den Drachen getötet.

Im Gegenteil: Viele von ihnen sind ihm bestialisch zum Opfer gefallen: gekreuzigt wie Jesus, oder im römischen Zirkus von wilden Tieren zerfleischt oder auf dem Scheiterhaufen bei lebendigen Leib verbrannt.

 

Und dennoch: Sie haben den Sieg behalten!

Welcher ein Sieg ist das?

Es ist der Sieg, den Jesus Christus für sie erworben hat
An seinen Sieg haben sie sich gehalten, angehalten, festgeklammert.

Sie haben ihn nicht losgelassen, nicht aus ihrem Herzen gelassen!

Nun haben sie es hinter sich und stehen über allem.

Vor ihnen liegt etwas wie ein gläsernes Meer, das mit Feuer durchmengt ist.

 

Das gläserne Meer ist ein Bild für den „neuen Durchblick“, den Gott den Erlösten geschenkt hat.

Ein neuer Durchblick auf für uns, den wir von Ostern her haben: eine neue Sicht der Welt, der Weltgeschichte - und des eigenen Lebens.

Gott lässt uns hinter die Kulissen der Weltgeschichte schauen.

 

Gott zeigt uns:
Er liebt uns Menschen und will nicht unseren Untergang.
Gott zwingt uns nicht, seinen Weg der Liebe zu gehen.
Er lässt es uns Menschen nach wie vor frei, Gutes oder Schlechtes zu tun.

Damit stellt er uns in die Verantwortung.

Gott will, dass wir selbst zwischen Gut und Böse entscheiden.

 

Diesen Einblick hat Gott denen gegeben, die an ihn glauben.

Eines Tages wird dieser Einblick vollkommen sein.

Denn Vieles verstehen wir noch nicht.

Noch ist unser Durchblick gering.

Jesus hat bei seinem Abschied zu seinen Jüngern gesagt: „An demselben Tage werdet ihr mich nichts mehr fragen“.

Uns wird es wie Schuppen von den Augen fallen.

Dann werden wir endlich verstehen, was uns jetzt verschlossen bleibt.

Bis dahin sollen wir uns am Guten orientieren, an Gottes Gaben und Segen.

Beginnen wir bis dahin jeden Tag mit dem Lob Gottes, und wir werden das große herrliche Ziel bei Gott nicht aus den Augen verlieren.

Wir werden immer wieder neu erfahren, was es heißt, getröstet zu werden.

Ja, wir können anderen Menschen in ihrer Not mit ihren quälenden Fragen Gottes Trost weitergeben.

Werden wir nicht müde, Gott zu loben, vielleicht ja mit diesen Worten:

Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott!

Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker.

 

Amen.

 

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.