12.04.2020 - „Auferstehung für mich“ - Lk. 24, 36-45 Ostern (Pfr. Fischer)

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde,

wir können es ruhig offen zugeben.
Die Fragen, die - auch unter Christen - wohl am häufigsten im Zusammenhang mit den Ostergeschichten gestellt werden, lauten: „Ist das alles denn wirklich wahr?“
„Wie soll das gehen, dass jemand von den Toten wieder aufersteht?“

Und doch meine ich, dass solches Fragen uns nicht einen Schritt näher an die Ostergeschichten heranbringt, vielmehr an ihnen vorbeiführt.
Und zwar aus zwei Gründen.

Der erste Grund ist: Einen Beweis für die Auferstehung Jesu von den Toten kann und wird es niemals geben.
Es gibt mehr oder weniger starke Indizien, die für die Wahrheit dessen, was damals passierte, sprechen, wie z.B. das leere Grab, die über fünfhundert Zeugen, die plötzliche Verwandlung der Jünger von furchtsamen Menschen zu unerschrockenen Glaubenszeugen.
Aber das sind keine eindeutigen Beweise, allenfalls Hinweise, die manchen überzeugen mögen, viele andere aber eben auch nicht.

Der zweite Grund, warum diese Fragen vom Sinn der Ostergeschichten eher wegführen, ist mir erst in den letzten Jahren aufgegangen.
Die Ostergeschichten erzählen mit keiner Silbe davon, wie Jesus auferstanden ist - und das heißt doch wohl, dass es auch nicht so wichtig ist.
Der Schwerpunkt der Ostergeschichten liegt nicht so sehr auf dem, was mit Jesus passiert, als vielmehr darauf, was mit den Menschen passiert, die ganz überraschend dem Auferstandenen begegnen.
Ostern handelt davon, wie Menschen auferstehen, davon, wie das bei uns gehen kann: den Tod hinter sich lassen und neu ins Leben finden.
Und damit erzählen die Ostergeschichten in erster Linie nichts Vergangenes, sondern höchst Gegenwärtiges.

Auch unsere heutige Ostergeschichte aus dem Lukasevangelium tut das.
Lukas war ja nicht nur Arzt und Historiker, sondern nebenbei auch ein großartiger Erzähler.
Und so stellt er keine klugen wissenschaftlichen Lehrsätze über die Wahrheit der Auferstehung auf, sondern erzählt eine Geschichte von Ostern, die Geschichte, wie völlig niedergeschlagene Menschen auferstanden sind und neu ins Leben gefunden haben.

Gerade waren Kleopas und sein Freund nach Jerusalem zurückgekehrt und hatten den anderen Jüngern voll Freude erzählt, wie sie, noch ganz traurig von den Ereignissen, auf dem Weg nach Emmaus gewesen waren, wie sich dann unterwegs jener Fremde zu ihnen gesellt und mit ihnen gesprochen hatte und wie sie erst abends beim Brotbrechen erkannt hatten, dass es Jesus selbst gewesen war, der mit ihnen gegangen war, und sie nun wussten: „Der Herr ist wahrhaftig auferstanden!“

Aber die anderen sind noch nicht so weit.
Sie können es noch nicht glauben.
Sie müssen erst noch auferweckt werden.
Als sie noch davon redeten, trat Jesus mitten unter sie und sprach zu ihnen: „Friede sei mit euch!“

Wir hören den Predigtabschnitt aus Lukas, Kapitel 24, die Verse 37-49:
36 Jesu Erscheinung vor den Jüngern
Als sie aber davon redeten, trat er selbst, Jesus, mitten unter sie und sprach zu ihnen: Friede sei mit euch!
37 Sie erschraken aber und fürchteten sich und meinten, sie sähen einen Geist.
38 Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr so erschrocken, und warum kommen solche Gedanken in euer Herz?
39 Seht meine Hände und meine Füße, ich bin's selber.
Fasst mich an und seht; denn ein Geist hat nicht Fleisch und Knochen, wie ihr seht, dass ich sie habe.
40 Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und Füße.
41 Als sie aber noch nicht glaubten vor Freude und sich verwunderten, sprach er zu ihnen: Habt ihr hier etwas zu essen?
42 Und sie legten ihm ein Stück gebratenen Fisch vor.
43 Und er nahm's und aß vor ihnen.
44 Er sprach aber zu ihnen: Das sind meine Worte, die ich zu euch gesagt habe, als ich noch bei euch war: Es muss alles erfüllt werden, was von mir geschrieben steht im Gesetz des Mose, in den Propheten und in den Psalmen.
45 Da öffnete er ihnen das Verständnis, so dass sie die Schrift verstanden,
46 und sprach zu ihnen: So steht's geschrieben, dass Christus leiden wird und auferstehen von den Toten am dritten Tage;
47 und dass gepredigt wird in seinem Namen Buße zur Vergebung der Sünden unter allen Völkern. Fangt an in Jerusalem,
48 und seid dafür Zeugen.
49 Und siehe, ich will auf euch herabsenden, was mein Vater verheißen hat.
Ihr aber sollt in der Stadt bleiben, bis ihr ausgerüstet werdet mit Kraft aus der Höhe.

So schön ist Auferstehung!
So schön ist es, wenn vom Leben enttäuschte Menschen aufstehen, wenn es für sie Ostern wird, wenn sie mit „Kraft aus der Höhe“ ausgerüstet werden und sie wieder neu ins Leben gehen können.

„Friede sei mit euch!"
Damit fängt alles an.
Auferstehung fängt damit an, dass Jesus die Mauern durchbricht und Frieden zuspricht.
Wie in ein Schneckenhaus, so haben sich die Jünger nach den schrecklichen Ereignissen von Karfreitag zurückgezogen.
Der Schmerz ist einfach zu groß, so etwas wollen sie nie, nie mehr erleben.
Und so machen sie die Türen und die Fensterläden zu; sie wollen nichts mehr hören und sehen von der Welt, die sich einfach weiterdreht und so tut, als wäre nichts geschehen.
Sie wollen allein sein mit ihrem Leid und ihrer Trauer, mit ihren enttäuschten Hoffnungen, den Fragen nach dem Warum.
Wer hätte es ihnen verdenken können, wenn sie nun gebrochen gewesen wären und all ihre Kraft verloren hätten?
Wenn sie in Bitterkeit versunken wären und nur noch ein spöttisches Auflachen übrig gehabt hätten für all jene „Träumer“, die bei all dem Leid, bei all der Ungerechtigkeit, die täglich in der Welt geschieht, immer noch nicht aufgehört haben, an einen gütigen Gott zu glauben.
Wer hätte sich wundern dürfen, wenn sie resigniert ihr Leben weiter gefristet hätten, mit abgehärmten Gesichtern und leerem Blick, von nun an mit einer ganz anderen Botschaft für die Menschen:
„Was soll man schon groß erwarten. Es ist ja doch alles sinnlos. Wacht auf, werdet endlich realistisch! Das Leben ist grausam.“
Aus all dem werden sie herausgeholt, als Jesus mitten unter sie tritt, die dicken Mauern durchbricht und ihnen sagt: „Friede sei mit euch!“

Damit sind die Zweifel nicht einfach weg.
Auferstehung geschieht nicht so, dass die Zweifel mit einem Schlag weggewischt sind.
Der Zweifel ist der Zwillingsbruder des Glaubens.
Denn Glauben heißt ja, auf etwas vertrauen und von etwas leben, dass außerhalb unserer Verfügungsgewalt liegt.
Glauben schließt daher immer das Risiko ein, enttäuscht und allein gelassen zu werden.
Deshalb ist der Glaube immer von Zweifeln begleitet.
Und Jesus verurteilt die Jünger auch nicht dafür, dass sie zweifeln.
Er nimmt sie mit ihrem aus enttäuschter Hoffnung geborenem Misstrauen und ihren Zweifeln ernst und zeigt ihnen ganz ruhig die Nägelmale.
Jesus geht nicht vor nach der Devise: „Vogel friss oder stirb!“, um seine Jünger von Zweifeln zu befreien.
Er lässt sie mit Händen fühlen, dass er kein eingebildetes Gespenst ist, sondern tatsächlich lebt.
Menschen lassen sich niemals nur durch Worte überzeugen - damals wie heute. Menschen wollen „schmecken und sehen, wie freundlich der Herr ist“.
In einer festlichen Abendmahlsfeier, in fröhlichen Gottesdiensten, in einer lebendigen Gemeinschaft, die von Herzlichkeit geprägt ist, kann dem Zweifel, der immer wieder die Oberhand gewinnen will, etwas entgegengesetzt werden:
Ein starker Glaube, das Vertrauen, dass Jesus wirklich bei uns ist „alle Tage, bis ans Ende der Welt.“

Und dann bittet Jesus sie um etwas zu essen.
Gibt es ein schöneres Zeichen von neu erwachtem Leben als wieder zu essen?
„Habt ihr etwas zu essen?“
Die Frage darf nicht nur wörtlich verstanden werden.
Das heißt auch: Haben wir Nahrung für die vielen verwundeten Seelen?
Haben wir denen etwas zu sagen, denen das Leben immer wieder so Schweres zumutet, dass sie nicht mehr froh werden können?
Können wir die satt machen, die nach sinnerfülltem Leben und nach Liebe hungern?
Alles das ist eingeschlossen, wenn Jesus fragt: „Habt ihr etwas zu essen?“

Nur noch ein Schritt fehlt nun, dass wirklich Ostern werden kann.
Nur noch ein Schritt, nämlich die Antwort auf die Frage „Warum? Warum musste Jesus sterben?“
Die Jünger haben es, wie wir auch immer wieder, mit dem Rätsel des Todes zu tun.
Warum dies alles?
Welchen Sinn ergibt das?
Warum immer wieder Leiden und Sterben von unseren Liebsten?
Es muss so sein!
Das ist die schlichte Antwort, die Jesus gibt.
Gott wollte es so.
Er wollte bei den Menschen sein, er wollte mit ihnen mitgehen und ist darum Mensch geworden.
Er hat seinen Sohn gesandt, weil er in ihm das Leid der Menschen teilen, in ihm ihre Last tragen, in ihm den Weg bis in den Tod mit ihnen und durch den Tod hindurch für sie gehen wollte.
Das Rätsel des Todes ist damit nicht lösbarer und verstehbarer geworden, aber es ist ein großer Trost, wenn man den Tod nicht mehr als namenloses, grausames Schicksal erleben muss, sondern selbst ihn aufgehoben wissen darf von der größeren Macht Gottes.
Es ist ein großer Trost, wenn man glauben kann: Wir werden immer wieder fallen, vielleicht sehr tief fallen, aber niemals tiefer als in Gottes Hände.

Und plötzlich wissen die Jünger, was bleibt, wer bleibt, wenn alles zerbricht.
Und als sie dies erkennen, da ist es wirklich Ostern für sie geworden.
Allerdings: Ostern duldet keinen Stillstand, Ostern eignet sich nicht zum Sitzen bleiben.
„Sagt es weiter! Fangt an in Jerusalem! Und dann unter allen Völkern!“
Sagt es weiter, was ihr erkannt und erfahren habt!
Sagt es weiter, was euch geholfen hat, wieder neu ins Leben zu finden.

Bringt Ostern auch zu denen, die noch traurig sind und niedergeschlagen.
Alle sollen teilhaben an der Osterfreude.
Alle sollen hören von der „Kraft aus der Höhe“, die uns fröhlich weiterleben lässt.
Darum ist diese Geschichte von Lukas aufgeschrieben, darum ist sie bis heute weitergegeben worden.
Sie will uns ermutigen und befähigen, anderen Menschen jene „Kraft aus der Höhe“ zu bringen.
Und vielleicht sind wir dann irgendwann einmal die, die Mauern durchbrechen und Menschen, die sich voll Schmerz ins Schneckenhaus zurückgezogen haben, zusprechen: „Friede sei mit euch!“,
sodass sie wieder froh werden und neu ins Leben finden.
Das wäre schön.
Amen

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


Spruch zum Osterfest
Jesus Christus spricht: „Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.“ (Offenbarung 1,18)

Gebet
Gott, lieber Vater im Himmel, du schaffst Leben immer wieder neu.
Du bist mächtiger selbst als der Tod, hältst sogar ihn in deinen Händen.
Herr, wir freuen uns, heute das Fest der Auferstehung feiern zu können.
Wir danken dir, dass Jesus nicht im Tod geblieben ist; dass das Leben über den Tod siegt.
Hilf uns, heute diesen Glauben mitzunehmen und daraus Kraft zu schöpfen für unser Leben.
Hilf uns, allein dir zu vertrauen, der du zusammen mit dem Sohn und dem Heiligen Geist lebst und Leben schenkst von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.