31.05.2020 - „Gottes Geist bewegt uns“ - Apg. 2, 1-21 - Pfingsten (Pfr. Fischer)

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Das Predigtwort für den heutigen Pfingstfeiertag steht in der Apostelgeschichte des Lukas im 2. Kapitel:

Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an einem Ort beieinander.
Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen.
Und es erschienen ihnen Zungen zerteilt, wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem heiligen Geist und fingen an, zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen.
Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel.
Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde bestürzt; denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden.
Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, aus Galiläa?
Wie hören wir denn jeder seine eigene Muttersprache? Parther und Meder und Elamiter und die wir wohnen in Mesopotamien und Judäa, Kappadozien, Pontus und der Provinz Asien, Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Einwanderer aus Rom, Juden und Judengenossen, Kreter und Araber: wir hören sie in unsern Sprachen von den großen Taten Gottes reden.
Sie entsetzten sich aber alle und wurden ratlos und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden?
Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll von süßem Wein.
Da trat Petrus auf mit den Elf, erhob seine Stimme und redete zu ihnen: Ihr Juden, liebe Männer, und alle, die ihr in Jerusalem wohnt, das sei euch kundgetan, und lasst meine Worte zu euren Ohren eingehen!
Denn diese sind nicht betrunken, wie ihr meint, ist es doch erst die dritte Stunde am Tage; sondern das ist's, was durch den Propheten Joel gesagt worden ist:
»Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben; und auf meine Knechte und auf meine Mägde will ich in jenen Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie sollen weissagen.
Und es soll geschehen: wer den Namen des Herrn anrufen wird, der soll gerettet werden.

Liebe Gemeinde,

Pfingsten ist eine Bewegung; eine Bewegung von Menschen, die Jesus nachfolgen; eine Bewegung, die mitreißt.

Wer die Kirche ohne diese Bewegung denkt, denkt nicht richtig.
Eine Kirche ohne Bewegung – eine starre Kirche – ist nicht die Kirche Jesu Christi.
Wir spüren das in diesen Tagen der Coronakrise.
Haben wir uns nicht danach gesehnt aus dem Zustand der Lähmung auszutreten und uns wieder in Bewegung zu setzen, zusammenzukommen, um Gottesdienste zu feiern?
Noch immer sind wir in unserer Bewegungsfreiheit eingeschränkt – und das ist auch angesichts der Gefahrenlage vernünftig und richtig – doch wir sind auf einem guten Weg.

Noch ein anderer Aspekt ist mir an dieser Stelle wichtig:
Die Jünger und Jüngerinnen Jesu sitzen zwar in einem Haus, in einem Raum beieinander;
Einmütig - wie Luther einst übersetzt hat.
Aber dass gläubige Menschen einmütig an einem Ort beieinander sitzen - macht auch noch keine Kirche.

Auch wenn ich nerve – auch das reicht noch nicht aus:
Eine Kirche in Bewegung, die einmütig zusammenkommt.
Viele unter uns haben das bereits erkannt: Wahre Kirche ist Kirche in Bewegung.
Also z.B. bewegte Gottesdienste mit Schwung, der Menschen von heute mitreißt.
Oder wir müssten uns sozial bewegen und etwas tun: Für Obdachlose, Flüchtlinge oder arbeitslose Menschen, gegen den Terror für den Frieden.
Doch all das – so sinnvoll es für die Menschen und unsere Gesellschaft sein mag – macht uns auch noch nicht zur Kirche Jesu Christi.
Es fehlt immer noch der entscheidende Punkt.

Damals waren die Jünger Jesu alle an einem Ort zusammen - so heißt es hier.
Da „geschah plötzlich aus dem Himmel ein Ton“ - wahrzunehmen mit ihren Ohren.
Ein Brausen wie von einem daherfahrenden gewaltigen Wind.
Er durchfährt das Haus erfüllt es.
Er wälzt alles um und bläst die ganze alte Luft hinaus.
Eine Bewegung hat da die Jüngerinnen und Jünger erfasst, hat sie erfasst und mitgerissen.

Wind und Feuer in dieser Pfingstgeschichte heißen nichts anderes, als dass Gott hier selber kommt; aufgebrochen ist zu den Jüngerinnen und Jüngern.
Pfingsten ist seine Bewegung; ist Gottes Bewegung.
„Vom Himmel her“ zu den Jüngern hin und in sie hinein.
Und dann geht es zu wie in einem Haus bei dem alle Fenster auf einmal geöffnet werden:
Der Heilige Geist durchfährt sie, erfüllt sie alle und treibt die alten Geister hinaus.
Den Geist des frommen Sitzenbleibens, den Geist des gelangweilten Zuhörens, den Geist des „was sollen wir den schon ändern – es war doch schon immer so“, wie auch den Geist der Rechthaberei und der Arroganz gegenüber anderen Menschen.

Vom Geist erfüllt fangen die Menschen an, „in anderen Zungen zu sprechen“, „wie der Geist es ihnen gab, laut heraus zu sagen“.
So dass es die Leute auf der Straße hören und in den Nachbarhäusern.
Und eine Menge strömt am Haus der Jünger zusammen und gerät außer sich vor Staunen.
Wenig später tritt Petrus heraus und hält seine Pfingstpredigt.

Das ist die zweite Bewegung in dieser Pfingstgeschichte. Der Heilige Geist treibt die Jünger hinaus auf die Straße, zu den Menschen, in der Öffentlichkeit der Stadt.
Pfingsten ist der Geburtstag der Kirche.
Geboren wurde die Kirche durch diese zweifache Bewegung des Heiligen Geistes:
- der von Gott her in uns hineinfahrt und uns erfüllt und ist Gott selber in uns
- und der uns hinaus sendet auf die Straße, zu den Menschen und lässt uns sprechen, und sie sammeln sich und hören.
So entsteht Kirche, so wächst Kirche.
Eine Kirche mit beweglichen Grenzen.
Keine ein für allemal feststehenden Mitgliederzahlen.
Klar - das ist zwar eine Kirche mit weniger materiellen Sicherheiten.
Aber dafür eine Kirche, die von Gottes Geist bewegt wird, die spannend ist und ansprechend.

Ich gehe noch einen Schritt weiter und frage:
Was haben die Jünger geredet?
Und was haben die Menschen da eigentlich gehört - im Brausen des Windes und im Ton der Jüngerstimmen?

Die Menschen auf der Straße haben die Jünger „von Gottes großen Taten“ erzählen hören, heißt es.
Und haben den Petrus von Jesus Christus predigen hören.

Mit diesem Jesus Christus aber – sagt Petrus in seiner Predigt - ist in unsrer Welt die Machtfrage gestellt.
Da gelten jetzt nicht mehr die alten Verhältnisse und das alte Imponiergehabe von Geld und Macht.
Mit Jesus Christus werden die Karten neu gemischt.
Jesus am Kreuz ist der wahre König und Herrscher.
Und jetzt kommt der Geist Gottes selbst in die Menschen, mitten hinein in ihre Herzen.
„Stellt euch auf diesen Jesus Christus ein!“, predigt Petrus.
Die alten Geister menschlicher Eitelkeit und Überheblichkeit müssen zurückweichen.

Diese Botschaft bringt Bewegung in unsere Welt.
Denn sie stellt diese Machtfrage geradedort, wo das Oben und Unten für uns Menschen unveränderbar festzustehen scheint.
Haben wir uns auch schon damit abgefunden?
Haben wir bereits kapituliert und versuchen in unserer Kirche nur noch zu retten, was zu retten ist?
Gottes Botschaft – die Botschaft von Kreuz ist eine ewig moderne, ewig angreifende, ewig verändernde Botschaft; in die Welt hinein und gegen ihre oft lebensfeindlichen Strukturen.
„Ecclesia semper reformanda“ – lautet eine wesentliche Erkenntnis der Reformation: Die Kirche ist immerfort zu reformieren, zu erneuern, zu verändern – nicht nur einmal in ihrer Geschichte.
Gott hat sich in der Niedrigkeit des Kreuzes als wahrer Herr gezeigt – diese Botschaft kann sich nicht abfinden mit den alten Eliten, mit Ausbeutung und Misshandlung von Menschen, mit Lüge, Betrug und Bestechung, mit der Zerstörung von Gottes Schöpfung, mit Hass und Ungerechtigkeit – zu keiner Zeit der Geschichte darf Kirche sich damit abfinden.
Gottes Geist setzt uns in Bewegung und stellt uns die Sonntagsfrage: Wen wählen wir als unseren Herrn, bedingungslos, ohne Wenn und Aber: Geld und Welt oder den lebendigen Gott?
Gottes Geist wurde über uns ausgegossen.
Wir können das ignorieren.
Wir können uns aber auch von ihm bewegen lassen.
Und dann tun sich ungeahnte Möglichkeiten auf – weil Gottes Geist keine Grenzen kennt.

[3] Ein Letztes: Wie kommt der Heilige Geist?
Wie kam er zu den Jüngerinnen und Jüngern in der Pfingstgeschichte? Wie kommt er zu uns?

Hier in der Pfingstpredigt sagt Petrus: „... das ist' s, was durch den Propheten Joel gesagt ist: 'Und es soll geschehen in diesen letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch'“
Also: Versprochen ist versprochen! Jedenfalls bei Gott.
Bei uns Menschen gilt's ja nicht mehr immer: Da wird Versprochenes auch manchmal gebrochen.
Aber bei Gott gilt's.
Das sagt die Pfingstgeschichte mit aller Deutlichkeit.
Versprochen ist versprochen.
Gott hat allerdings keinen Ort und auch keine Zeit bestimmt.
Er ist frei in seiner Entscheidung.
Sein Geist weht wo er will und wann er will.
Dieser Unterschied zwischen uns Menschen und Gott muss sein.
Sein Wille geschehe!
Doch er hat uns seinen Heiligen Geist versprochen!
Das gilt!
Versprochen hat Jesus ihn seinen Freunden.
Versprochen ist Gottes Geist auch uns.
Darum dürfen und sollen wir Gott um Gottes willen nicht in Ruhe lassen.
Liegen wir ihm in den Ohren.
Flehen wir ihn an - da, wo wir merken, es bewegt sich nichts mehr in uns selbst und in unserer Gemeinde – oder wenn wir uns nur noch im Kreis drehen.
Gott hat uns seinen Geist versprochen.
Er steht uns bei.
Er öffnet uns Horizonte.
Er führt uns gemeinsam auf Wege, die uns auch wirklich weiterbringen.
Fordern wir doch Gottes Versprechen ein!
Keine falsche Scheu!
Nehmen wir Gott beim Wort und flehen ihn an: Komm Heiliger Geist, erfülle uns und bewege uns!
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Bibelwort zum Pfingstfest
Es soll nicht durch Heer oder Kraft,
sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth.
(Sacharja 4,6)

Eingangsgebet
Barmherziger Gott,
du durchwaltest das All mit deiner Lebendigkeit,
du durchdringst unsere Welt mit deiner Ewigkeit
und trägst uns in deiner Liebe.
Dein Schöpfergeist weht auch für uns.
Der Geist der Wahrheit hat auch für uns ein Wort.
Der Tröster umfängt auch unser Leiden.
Öffne du selbst uns Herzen, Mund und Hände,
für deinen Heiligen Geist,
dass wir nicht am Leben aus deiner Fülle vorbei leben.
Das bitten wir im Namen Jesu, der mit dir und dem Heiligen Geist lebt und Leben schenkt von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Fürbittengebet

Barmherziger Gott,
du lässt uns nicht allein.
Im Sturmbrausen kommst du daher
und in Feuerzungen lässt du dich nieder
unter den Menschen.
Wir danken dir,
dass du uns nicht unserer Trostlosigkeit überlässt,
nicht unseren Schmerzen und nicht unserer Kleinlichkeit,
nicht unserem Machthunger und nicht unserem Geltungsdrang.
Darauf vertrauen wir.
Daraufhin wollen wir leben
und bitten dich:
Hilf unserem Unglauben.

Für alle, in denen die Lebendigkeit erstarrt ist, die in alten Mustern sich quälen und keinen Ausweg finden, bitten wir um deinen Neuanfang.
Sende deinen Geist.

Für alle, die keine Kraft mehr haben, für alle, die gebrochen sind in Krankheit und Herzeleid, bitten wir um deine Stärke.
Sende deinen Geist.

Für alle, die unter Gewalt leiden, in Ungerechtigkeit gebeugt werden, auf der Flucht sind, bitten wir um deine Gerechtigkeit.
Sende deinen Geist.

Für alle, die verblendet sind von Macht und Geld, von Selbstüberschätzung und Eigensinn, bitten wir um deine Wahrheit.
Sende deinen Geist.

Für alle, die sich nichts mehr zutrauen, die in Ängsten leben,
bitten wir um deine Zuversicht.
Sende deinen Geist.

Amen.