12.07.2020 - "Ich bin ein Follower" - Predigt zu Lukas 5,1-11 am 5. Sonntag nach Trinitatis (Pfr. Fischer)

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Wir hören den Predigtabschnitt aus dem Lukasevangelium, Kapitel 5, die Verse 1 bis 11:
Es begab sich aber, als sich die Menge zu Jesus drängte, um das Wort Gottes zu hören,
da stand er am See Genezareth und sah zwei Boote am Ufer liegen; die Fischer aber waren ausgestiegen und wuschen ihre Netze.
Da stieg er in eins der Boote, das Simon gehörte, und bat ihn, ein wenig vom Land wegzufahren.
Und er setzte sich und lehrte die Menge vom Boot aus.
Und als er aufgehört hatte zu reden, sprach er zu Simon: „Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus!“
Und Simon antwortete und sprach: „Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen; aber auf dein Wort will ich die Netze auswerfen.“
Und als sie das taten, fingen sie eine große Menge Fische, und ihre Netze begannen zu reißen.
Und sie winkten ihren Gefährten, die im andern Boot waren, sie sollten kommen und mit ihnen ziehen.
Und sie kamen und füllten beide Boote voll, so dass sie fast sanken.
Als das Simon Petrus sah, fiel er Jesus zu Füßen und sprach: „Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch.“ Denn ein Schrecken hatte ihn erfasst und alle, die bei ihm waren, über diesen Fang, den sie miteinander getan hatten, ebenso auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, Simons Gefährten.
Und Jesus sprach zu Simon: „Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen.“
Und sie brachten die Boote ans Land und verließen alles und folgten ihm nach.

Liebe Gemeinde,

es geht um Hunderte von Millionen!

Wer heutzutage etwas sein will, wer Einfluss haben will in der Welt, auf Menschen, in Institutionen und Organisationen – der muss mit dieser Währung handeln.

Am Besten in den Top 100, noch besser in Top 10 – bei Youtube, Instagramm, Tictoc, Twitter – und für die Älteren unter uns: auch bei Facebook

Genau - es geht um Klicks, um Likes.
Es geht um Influencer und Follower – Entschuldigung:

Keine Ahnung? Dann seid Ihr wahrscheinlich nicht online – oder vielleicht gar nicht am Leben?

Denn den Erfolg für die schönen reichen Erfolgreichen gibt’s nur in der virtual Reality, in einer Welt, die es eigentlich nicht gibt – aber doch – weil sie sich in einer Welt von Bits und Bites verwirklicht – einer Welt, die von Computern simuliert ist – also nicht echt ist, aber immer mehr für echt gehalten wird.

Pippi Langstrumpf hätte ihre wahre Freude daran: „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt“ – Oder auch:
Ich mach mir die Welt, wie sie andern gefällt:

Und damit sind wir beim eigentlichen Thema:

Influencer beeinflussen andere – die ihnen und ihrem Lifestyle folgen – also die Followers.

Mit den neuen, den so genannten sozialen Medien, sind neue Formen des Kontaktes, des Interesses, der Neugier und der Wertschätzung entstanden.

Mit meinem Klick, mit dem Anklicken eines Follower-Buttons sage: Finde ich gut!
Das Thema finde ich gut.

Den Menschen finde ich gut.

Die Idee finde ich gut, den Style, die Prominenz was auch immer es ist.

Ab heute klicke ich mich hinein und folge dir, dem Produkt, der Marke, dem Thema und schaue mal wie es hier weitergeht.

Follower sein kostet nicht viel Geld, ist preisgünstig, kostet aber vor allem Zeit,

Denn ich muss ja immer mal schauen, was da so los ist, wenn ich informiert bleiben will, doch wenn es mir zu langweilig wird, mein Geschmack sich ändert, dann steige ich einfach wieder aus.

Alle sind sie auf der Suche nach Followern, die Unternehmen, die Agenturen und Abteilungen für Soziale Medien, die Künstler, die Stars und Sternchen, die You Tuber, die Parteien, auch die Kirchen;
alle möchten mit dem großen Netz fischen, um Menschen für sich zu gewinnen.

Deine Meinung ist uns wichtig, ist die Botschaft.

Jeder Klick ein Gewinn, denn je mehr Follower, umso mehr Werbeeinnahmen oder auch Möglichkeit, wichtige Themen zu vermitteln.

Im Internet ist man mal Fisch und mal Fischer.

Das Wortspiel ist durchaus ganz persönlich auf mich bezogen zu verstehen.

Überall sind Netze ausgelegt, in denen man sich verfangen sollen, und zugleich wirft man selbst die Netze aus.

Fluch und Segen liegen hier dicht beieinander.

Und manchmal lesen wir nicht nur von Likes und Smileys, hin und wieder bricht auch ein Shit Storm los und bringt das Netz, den Fischer und die Fische ins Wanken.

Wer das hier alles nicht versteht, braucht sich keine großen Sorgen zu machen.

Eigentlich ist das alles schon lange bekannt.

Denn Netzwerke sind nicht die Erfindung des Internets.

Der eigentliche Erfinder von sozialen Netzwerk ist Gott! Gott hat das echte reale Netzwerk gestiftet, zwischen uns Menschen, mit Gott als Netzknoten.

Wir als Kirche Jesu Christi sind ein echtes soziales Netzwerk, zumindest ist es so gedacht.

Leider werden wir diesem Anspruch zu oft nicht gerecht.

Deshalb brauchen wir auch immer wieder die Erinnerung daran.

Szenenwechsel:
Ein See, die Sonne scheint, Boot wippen leicht im Wasser, Fischer stehen am Strand und waschen ihre Netze.

Fast schon ein wenig Urlaubsgefühl, raus aus den Alltagssorgen, mal raus aus der Coronakrise, und ab an das Ufer und dort anderen zuzusehen, wie sie noch auf traditionelle Art ihre Netze flicken.
Ich kann sie vor mir sehen die Fischer an der Ostsee, in Portugal oder Griechenland, die noch immer raus fahren mit den Booten.

Ein anderer Rhythmus, ein anderer Takt, eine ganz andere Arbeit.

Jesus kommt ans Ufer des Sees Genezareth.

Die Menschen kommen, wenn er auftaucht, denn es heißt, er kann Krankheiten heilen.

Also bringen sie ihm ihre Kranken, doch seine Geschichten von Gott und von Umkehr und Gottes Reich, die wollen sie nicht hören.
Und am Ufer des Sees Genezareth lässt er Simon noch einmal rausfahren und der fährt tatsächlich und ein Wunder geschieht und die Netze sind so voll, dass sie zu reißen drohen.

Doch kaum ist das Wunder vorbei, gewinnt der Evangelist Lukas in seinem Erzählen erst richtig an Fahrt.

Denn die Fische und wer sie aus dem Boot holt und ob sie verkauft oder verschenkt werden, das wird schnell zur Nebensache.

Wichtig ist, dass den Hörern damals und uns hörenden und lesenden heute klar wird:
dieser Jesus ist nicht irgendwer, der junge Mann von nebenan, er ist mit Gott auf besondere Weise im Kontakt, in seinem Licht sehen wir das Licht.

Und dann beginnen die Fischer sich zu fürchten, zu schämen, sie spüren etwas, dass nicht beschreibbar ist.

Und wie die Hirten in der Heiligen Nacht auf dem Felde nicht wissen wie ihnen geschieht sind es nun Fischer am See denen zugesagt wird:

Fürchtet euch nicht.

Ihr sollt nun Menschen fischen.

Und nachdem sie die Boote an Land gebracht haben, lassen sie alles hinter sich und folgen ihm nach: Simon, Jakobus und Johannes.

Jesus hat seine ersten Nachfolger, die wir Jünger nennen, irgendwann sind es Zwölf, die mit ihm ziehen durch Städte und Dörfer.

Und die Welle zieht immer weitere Kreise:

Jesus predigt, und sie werden mehr und immer mehr. Lukas erzählt später, dass auch Frauen dazu kommen, die er gesund gemacht hat: Maria Magdalena, Johanna und Susanna

Wieder zurück in unsere Welt.

Gemeindenetze knüpfen wir mit Chören, Kindergartenkindern, mit Konfirmanden, mit Großen und Kleinen, mit Jungen und Alten.

Was für ein Segen, dass wir auch über das Internet Freundschaften in aller Welt pflegen können, dass wir schnell informiert sind und dass wir als mündige Verbraucher selbst entscheiden, welches Produkt uns interessiert und welches nicht.

Doch das allein reicht nicht.

Ein echtes soziales Netzwerk entsteht dort, wo sich Menschen von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten, wo sie körperlich gegenwärtig sind, nicht nur am Bildschirm, wo wir uns als ganze Menschen wahrnehmen und uns in die Arme nehmen können.

Ein Netz ist nicht nur etwas in das ich hineingefangen werden kann, es ist auch das Netz, das mich trägt, wenn ich Verbundenheit, Nähe, Unterstützung oder auch Solidarität brauche.

Kirche heißt für mich auf besondere Weise vernetzt zu sein.

Hier finde ich Menschen, die mit mir Lieder singen, die alten Formen etwas zutrauen und die zugleich immer neu auf der Suche sind, wie Gott in unser Leben passt, wo wir ihn entdecken, was wir ihm verdanken, was sich mit ihm verändern lässt.

Kirche heißt für mich, einen langen Atem haben, Themen auch dann noch wichtig finden, wenn sie gerade nicht im Trend sind oder auch Musik hören, die nicht in den Charts sind.

Kirche heißt für mich ein Netz zu bilden für die Menschen, die sonst rausfallen.

Kirche heißt für mich auf besondere, ganz eigene Weise vernetzt zu sein, nicht nur miteinander, sondern mit Gott verbunden sein.

Er ist der Knotenpunkt, bei ihm laufen die Fäden zusammen.

Kirche ist ein echtes soziales, weil auch ein geistliches Netzwerk.

In der Taufe wird das wunderbar deutlich.

Gott ist der Anfang.

Gott schenkt den Anfang.

Gott erinnert uns heute an unsere eigene Taufe.

Wir gehören schon dazu.

Schneiden wir die Fäden, die uns halten nicht durch.

Meinen wir nicht, wir könnten alleine oder als Menschheit alles selbst regeln.

Das soziale Netzwerk ist nur dann richtig fest, wenn es von Gott geknüpft und getragen ist.

Wir Menschen haben zu oft versagt.

Ich wünsche uns, wir diese Gemeinschaft, die Verbundenheit mit Gott und den Menschen neu entdecken, neu wertschätzen und neu pflegen:

Ich bin getauft, ich gehöre zu Gott, zu seiner Gemeinde.

Ich bin getragen bis in alle Ewigkeit.

Amen.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.