27.09.2020 - "Kraft, Liebe und Besonnenheit" - Predigt zu 2.Timotheus 1,7-10 am 16. Sonntag nach Trinitatis (Pfr. Fischer)

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Wir hören unser Predigtwort aus dem 2. Brief des Paulus an Timotheus im 1. Kapitel, die Verse 7 bis 10:

7Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
8Darum schäme dich nicht des Zeugnisses von unserm Herrn noch meiner, der ich sein Gefangener bin, sondern leide mit für das Evangelium in der Kraft Gottes.

9Er hat uns selig gemacht und berufen mit einem heiligen Ruf, nicht nach unsern Werken, sondern nach seinem Ratschluss und nach der Gnade, die uns gegeben ist in Christus Jesus vor der Zeit der Welt, 10jetzt aber offenbart ist durch die Erscheinung unseres Heilands Christus Jesus,
der dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht hat durch das Evangelium.

Liebe Gemeinde,
erwischt Ihr Euch auch manchmal bei dem Gedanken: „die Welt ist schlecht“?

Egal, ob ich den Fernseher aufdrehe, die Nachrichten im Radio höre oder die Zeitung aufschlage.

Es sind großteils Horrormeldungen, die mir entgegenschlagen.

Denkt nur an die vergangenen Tage und Wochen:

Ein Hurricane und sogar ein Medicane über dem Mittelmehr tobten und verwüsteten, sobald sie auf Land trifft, ganze Regionen binnen Sekunden.

Die Flüchtlingskatastrophe in Moria aus Lesbos nach dem Brand des Lagers; das moralische Versagen der politischen Eliten und meine ganz persönliche Ohnmacht, Helfen zu wollen, aber nur viel zu wenig oder gar nicht zu können.

Die nicht enden wollende Gewalt im Nahen Osten haben mich schon so stumpf gemacht, dass ich die Berichte über neue Terrorakte gar nicht mehr lesen mag.

Die bevorstehenden Wahlen in Amerika und die Chancen auf Wiederwahl eines Präsidenten, dessen Moral nur soweit reicht wie seine rote Krawatte.

Die Klimakatastrophe, die auch trotz der Pandemie fortschreitet.

Und natürlich: jeden Tag die Corona-Meldungen – momentan steigende Ansteckungszahlen, steigende Fallzahlen in ganz Europa – und ich befürchte, auch bei uns in Deutschland.

Vieles nicht alles, ist durch Menschenhand verursacht, und deshalb ist der Gedanke verständlich: Die Welt ist schlecht!

Es scheint, als ginge alles den Bach runter, als würde die Welt aus den Fugen geraten.

Ähnliches werden sich wohl auch viele Christen am Beginn des 2. Jhd. nach Christus gedacht haben.

Es waren damals auch keine ermutigenden Zeiten.

Es hatten sich zwar bereits einige größere Gemeinden gebildet.

Die rasche Verbreitung der Botschaft Jesu hatte aber auch dazu geführt, dass unterschiedliche Glaubensansichten im Umlauf waren, dass Irrlehrer und Häretiker mit ihre Sicht das Evangelium verwässerten und sogar verdrehten.

Und neben dieser inneren Bedrohung der Gemeinde kam die Angst vor dem Staat dazu – vor der römischen Weltmacht, die die Christen zwar prinzipiell in Ruhe ließ;

Aber wehe, wenn es jemanden in den Sinn kam und er Leute anzeigte: dann wurden Verhaftungen vorgenommen, Menschen verhört.

Und wer nicht widerrufen und dem Kaiser geopfert hat, dem drohten Gefangenschaft, Versklavung oder auch der Tod.

Wem also durfte man sich anvertrauen, wo war es besser, sein innerstes nicht nach außen zu lassen?

Einem hat der Schuh in jenen Tagen wohl ganz besonders gedrückt.

Timotheus, ein Mitarbeiter des Apostels Paulus, hat Angst.

Um sich und um seine Gemeinde.

In dieser Situation bekommt er einen Brief von seinem Lehrer, der ihn auch in die Position des Gemeindeleiters eingesetzt hatte.

Und dieser Brief kommt wohl gerade zur rechten Zeit.

Denn er eröffnet Timotheus ganz neue Perspektiven!

Er erinnert in wenigen Worten an alles, was die Frohe Botschaft ausmacht.

„Sei nicht verzagt!“, schreibt sein Lehrer.

„Denk daran, dass wir Gottes Geist bekommen haben.

Er gibt uns Kraft, schwierige Situationen durchzustehen.

Er gibt uns die Liebe, die uns zu einer so unglaublichen Gemeinschaft zusammenwachsen hat lassen.

Er gibt uns die Besonnenheit, die in solchen Zeiten notwendig ist, um einen klaren Kopf zu bewahren und die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Ich sitze auch im Gefängnis.

Kein Grund, sich deshalb zu schämen.

Ich bin ja wegen meines Glaubens hier.

Gott gibt mir die Kraft auch hier, an diesem trostlosen Ort, für ihn und seine rettende Botschaft einzustehen.

Und er hat auch dir diese Kraft gegeben.

Du musst dich nur immer wieder daran erinnern:

ER hat uns gerettet und uns dazu berufen, ihm ganz als sein Eigentum zu gehören – nicht wegen unserer guten Taten, sondern aus seinem eigenen freien Entschluss.

Ihm gehören wir aus reiner Gnade, wie er sie uns durch Jesus Christus geschenkt hat schon vor aller Zeit.

Jetzt aber ist die Gnade offenbar geworden, als Jesus Christus, unser Retter, auf der Erde erschien.

Er hat dem Tod die Macht genommen und das unvergängliche Leben ans Licht gebracht.

Darum geht es in der Guten Nachricht.“

Gott zu vertrauen, auch wenn die Situation noch so hoffnungslos erscheint.

Dazu wollen auch uns diese Zeilen ermutigen.

Das ewige Leben, das uns Jesus durch seinen Tod für alle Zeit erworben hat und das dem Tod schlussendlich immer ein Schnippchen schlägt und mich zum Leben führt – das gilt es im Blick zu behalten.

Das Evangelium von der Erweckung des Lazarus hat uns heute schon ein eindrucksvolles Zeugnis von dieser unzerstörbaren Hoffnung gegeben.

Obwohl ihr Bruder schon ein paar Tage tot war vertraut sie darauf, dass Jesus helfen kann: „Ich weiß, dass Gott dir auch jetzt keine Bitte abschlägt.“, sagt sie zu Jesus.

Diese Macht unseres Gottes, haben unzählige Menschen seither verspürt – trotz apokalyptischer Zustände.

 

7Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.

Dieser Vers steht mitten im Ort des Grauens: an der Hinrichtungswand des KZ Flossenbürg, im Arresthof des Bunkers, einem Gefängnis im Gefängnis, einer geheimen Hinrichtungsstädte des NS-Regimes.

Es steht auf der Gedenktafel für die hier ermordeten Widerstandskämpfer gegen Hitler und sein menschenverachtendes System: Admiral Wilhelm Canaris, Generalmajor Hans Oster, General Friedrich von Rabenau und auch Dietrich Bonhoeffer.

Es strahlt den fassungslosen Besuchern als Hoffnungswort entgegen:

Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.

Gerade Dietrich Bonhoeffer kann uns in unserer Furcht ein Beispiel sein.

Gefangen, einer Situation, in der die Welt kalt und schlecht erschienen ist.

In den tiefsten Abgründen des menschlichen Lebens findet er die Kraft zum Glauben, zur Liebe, zum Hoffen.

Gottes Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.

Angesichts des Todes, der anstürmenden Verzweiflung, der Trauer um den Verlust der geliebten Menschen – findet Bonhoeffer Lebensworte.

„Dies ist das Ende – für mich der Beginn des Lebens“, spricht er auf dem Weg zum Galgen.

Genau dort findet er Christus, seinen Gekreuzigten, seinen Auferstandenen – den Weg, die Wahrheit und das Leben.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
wir müssen noch ein Stück Weges gehen.
Wir haben noch Aufgaben, Krisen, Entbehrungen – und noch gewiss auch noch Schlimmeres vor uns.

Aus den Briefen Bonhoeffers aus der Gefangenschaft wissen wir von seiner Angst um die Zukunft, dem Alleinsein, die Sorge um seine Familie, Verlobte und Freunde, die Verzweiflung angesichts der Todesmacht in dieser Welt.

Doch der Blick auf Christus gibt ihm Halt und Kraft das Unausweichliche zu ertragen.

Weil Christus dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht hat durch das Evangelium.

Christus hat den Tod besiegt hat.

Weil er das Ewige Leben ans Licht gebracht hat.

Lassen wir uns wieder und wieder von dieser frohmachenden Botschaft anstecken!

Geben wir den Mut nicht auf!

Bestärken wir uns gegenseitig in dieser Hoffnung!

Erzählen wir einander, wie Christus uns stark macht!

Lassen wir uns nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinden das Böse mit dem Guten, dass uns Christus geschenkt hat, das er uns eingepflanzt hat:

Gottes Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit!

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.