15.11.2020 - "Mein Bild von Ewigkeit" - Predigt zu 2. Korinther 5,1-10 am Vorletzten Sonntag des Kirchenjahres (Pfr. Fischer)
Predigttext: 2.Korintherbrief 5,1-10
Wir wissen: wenn unser irdisches Haus, diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel.
Denn darum seufzen wir auch und sehnen uns danach, dass wir mit unserer Behausung, die vom Himmel ist, überkleidet werden, weil wir dann bekleidet und nicht nackt befunden werden.
Denn solange wir in dieser Hütte sind, seufzen wir und sind beschwert, weil wir lieber nicht entkleidet, sondern überkleidet werden wollen, damit das Sterbliche verschlungen werde von dem Lebenden.
Der uns aber dazu bereitet hat, das ist Gott, der uns als Unterpfand den Geist gegeben hat.
So sind wir denn allezeit getrost und wissen: solange wir im Leibe wohnen, weilen wir fern von dem Herrn; denn wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen.
Wir sind aber getrost und haben vielmehr Lust, den Leib zu verlassen und daheim zu sein bei dem Herrn.
Darum setzen wir auch unsre Ehre darein, ob wir daheim sind oder in der Fremde, dass wir ihm wohlgefallen.
Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, damit jeder seinen Lohn empfange für das, was er getan hat bei Lebzeiten, sei es gut oder böse.
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus.
Liebe Gemeinde,
Wie stelle ich mir die Ewigkeit vor?
Bestimmt haben Sie sich schon über diese Frage Gedanken gemacht: Am Friedhof, in der Kirche.
An vielen Stellen der Bibel wird uns eine Zukunft verheißen, die den Tod überdauert: ewiges Leben bei Gott, keine Krankheit, keine Schmerzen, keine Sterben mehr; keine Kriege, keine Opfer und auch keine Täter mehr.
Niemand, der einem etwas neidet und es sich holen will.
Nichts, das mich, meine Familie gefährdet – keine Sorgen.
Sondern nur Friede, zwischen den Völkern, zwischen jedem einzelnen Menschen, ja sogar Friede mit der ganzen Schöpfung.
Alles Leben ist eins in Gott.
Ich denke, jeder und jede von uns hat da ein ganz persönliches Glaubensbild von der Ewigkeit.
Was uns, denke ich, in aller Verschiedenheit verbindet ist, dass unsere Bilder von Gottes Ewigkeit etwas unendlich Schönes ausdrücken, etwas, das sogar unsere kühnsten Vorstellungen übertrifft; so sehr, dass wir es vielleicht gar nicht in Worte fassen können.
Solche Bilder vom Leben nach dem Tod zu haben ist wichtig, denn sie beeinflussen unser Leben hier und jetzt.
Ein Sprichwort besagt: „Wie du lebst, so stirbst du.“
Ich denke, es lässt sich auch vom Ende her sagen: Wie du dir die Ewigkeit denkst, so lebst du.
Dass vor allem Kinder diese Bilder haben, ist wichtig.
Zu wissen, dass Gott mich liebt und dass er mir eine wunderbare Zukunft schenken will, lässt erst das Vertrauen, die Liebe und die Zuversicht wachsen.
Aber auch für uns Erwachsene ist das wertvoll.
Wir brauchen dieses „Glaubensbild von Gottes Ewigkeit“.
Weil wir ein großes Ziel im Leben brauchen, damit unser Lebensweg sinnvoll wird und sinnvoll bleibt.
Ja, und dieses Ziel vermag dann sogar dort Trost zu spenden, wo wir kaum angemessene Worte finden: angesichts des Todes.
In unserem heutigen Predigtwort aus dem 2. Korintherbrief geht es um diese Frage: Welchen Wert hat mein Bild von der Ewigkeit für mein Leben jetzt, hier zu Lebzeiten.
Aber auch: Wo muss man vorsichtig mit diesen Bildern von der Ewigkeit, von dem Leben nach dem Tod umgehen?
Der Apostel Paulus verteidigt in seinem Brief sein Apostelamt und die Arbeit seiner Weggefährten gegen Angriffe aus Korinth; Paulus hat Gegner innerhalb der christlichen Gemeinde, die er selbst gegründet hat.
Das Bild, das Paulus verwendet, ist bekannt, weil jeder von uns das in irgendeiner Form kennt: das Haus.
Paulus setzt der irdischen Hütte das himmlische Haus gegenüber
Was meint Paulus damit?
Es gibt kein Haus in dieser Welt, dass ewig hält.
Jeder unter uns, der ein Haus besitzt weiß das: Von Zeit zu Zeit sind Renovierungsarbeiten nötig, um das Mauerwerk, den Putz, Dach, Fenster zu erhalten.
Wenn ich nichts tue, dann verfällt das Haus mit der Zeit.
Wenn Paulus unser Leben mit einem Haus vergleicht heißt das also:
Auch mein Leben ist dem Verfall geweiht.
Ja – mit meinem Leben verhält es sich sogar noch schlimmer als mit einem Haus aus Stein.
Denn im Gegensatz zum Haus lässt sich der Verfall meines Körpers auch nicht durch die teuersten Renovierungsarbeiten aufhalten.
In jedem Werden eines neuen Lebens ist auch schon immer das Vergehen mit angelegt.
So bitter dies auch ist: von Geburt an bringt mich jeder neue Tag einen Tag näher an mein irdisches Ende.
Das Sterben ist uns von Geburt an mitgegeben – auch wenn wir das – vor allem als junge Menschen – nicht merken oder wahrhaben wollen.
Ich sage das, weil es bei uns häufig kein Thema ist; und wir unser Leben so führen, als ob es nie vergehen könnte, als ob wir ewig Zeit hätten; deshalb führen wir unser Leben oft leichtsinnig und verantwortungslos gegenüber anderen und uns selbst.
Ich meine damit gar nicht unseren Körper.
Denn für Gesundheit und Fitness wird viel getan, Tendenz steigend.
Doch wo ist der gesunde Geist, wo ist die gesunde Moral, wo ist ein gesundes Empfinden für Recht und Unrecht – nicht nur für mich selbst, sondern gerade für den anderen Menschen, gerade für Minderheiten, für Außenseiter, für Schwache?
Paulus setzt dem vergänglichen Lebenshaus sein Bild vom unvergänglichen, himmlischen Haus entgegen:
von Gott, nicht von Menschen, gemacht;
ein Haus, das nicht verfallen kann, das ewig ist.
Ewiges Leben – der uralte Traum des Menschen.
Für uns Christen ist dies mehr als ein Traum.
Uns ist ewiges Leben verheißen, das den irdischen Tod überdauert.
Dies können wir nur im Glauben annehmen, sagt Paulus.
Das Schauen, die letzte Gewissheit bleibt uns hier auf Erden verwehrt – wir können’s einfach nicht.
Doch wir können glauben.
Wir können Gott vertrauen und seinem Wort.
Schätzen wir die Macht des Glaubens nicht zu gering.
Unser Glaube kann Berge versetzen – auch den größten Berg, den Tod!
Lassen wir uns deshalb immer wieder fragen:
Wem glauben wir? Was glauben wir?
Die Botschaft des Ostermorgens lautet: Es ist eben nicht alles vorbei mit dem Tod.
Wer an Jesus Christus glaubt und wer auf seinen Namen getauft ist, dem ist ewiges Leben verheißen; Leben ohne Verfalldatum.
„Ich bin der Weg, und die Wahrheit und das Leben“, sagt Jesus. „Niemand kommt zum Vater, denn durch mich“
Diese Aussicht auf das ewige Leben entzündet mindestens einen Funken Hoffnung in dieser Welt.
Es ist das Licht der Welt, Jesus Christus, das uns geschenkt ist.
Jesus nachfolgen heißt, aus dem Dunkeln, heraus ins Licht!
Orientierung haben, weil er den Weg kennt.
Wie gesagt: Wir sehen deshalb noch nicht alles.
Keiner von uns weiß, wie das Ziel aussehen wird.
Doch die Freude und die Hoffnung darauf ist größer als der Schmerz und das Leid hier, größer als der verzweifelte Glaube an den Tod, dass mit ihm einfach alles aus und vorbei ist.
Wer dem Tod zu viel Macht einräumt, macht sein Leben um die größte Hoffnung ärmer.
Das heißt für uns natürlich nicht, dass wir den Tod einfach ignorieren oder verdrängen sollen.
Damit ist überhaupt nichts gewonnen.
Denn wir selbst müssen ja einmal sterben – das ist genauso unausweichlich, wie der Tod eines Angehörigen oder Freundes.
Unser Glaubensbild von der Ewigkeit ist ein Hoffnungsträger genau dort, wo eigentlich – nach menschlichem Ermessen – keine Hoffnung zu sehen ist.
Unser Glaubensbild kann helfen, unsere Trauer zu verarbeiten und neuen Lebensmut zu gewinnen.
Es kann uns in schwierigsten Lebenslagen wiederaufrichten.
Jeder von uns kennt solche Grenzbereiche, in denen wir in den Abgrund blicken.
Mein Glaube an Gott und mein Glaubensbild von seiner Ewigkeit hilft von den Grenzen meines Lebens zur Mitte meines Lebens zurückzufinden.
Man möchte fast ins Schwärmen geraten angesichts solcher himmlischer Aussichten!
Paulus mahnt uns zur Bodenständigkeit.
Er sieht aber auch Grenzen und Gefahren, wenn unser Blick nur auf die Ewigkeit geht.
Wenn wir uns quasi naiv aus unserer Gegenwart in die Vorstellung flüchten „Gott ist gut und im Paradies ist es wunderschön“.
Natürlich ist Gott gut und im Paradies ist es wunderschön.
Doch wenn wir alles nur gut und wunderschön ist, rosarot und Friede-Freude-Eierkuchen, dann klingt das wie ein billiges Sonderangebot.
Je verlockender das Bild ist, umso billiger ist die Vertröstung: „Es ist doch alles nicht so schlimm! Es wird schon wieder! Am Ende wird alles gut!"
Paulus nennt das: das irdische Haus mit dem himmlischen überkleiden.
Aber wir wissen, wenn der Schwamm im Mauerwerk sitzt, dann hilft das Übertünchen auch nichts.
Schöne Bilder können die Wirklichkeit zudecken, aber beseitigen können sie sie nicht.
Es ist immer noch da, das Elend der Welt, das Leid der Menschen, Schmerz und Geschrei.
Paulus benennt diese Wirklichkeit klar:
„Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi.“
Jedes Grab, jedes Mahnmal, vor dem wir stehen, stellt uns auch vor diese Frage: Was ist die Not Deines Mitmenschen, Deines Freundes, ja sogar Deines Feindes?
Was muss noch getan werden, dass Liebe und Trost, Gerechtigkeit und Frieden groß werden?
Dass die Renovierungsarbeiten am Lebenshaus gelingen?
Wir können natürlich diesen Fragen zeitlebens ausweichen.
Und viele tun es, weil es unbequem ist, wenn jemand hinter die schöne Fassade schauen will.
Und wir tünchen und tünchen und tünchen weiter.
Doch irgendwann werden wir vor dem Richterstuhl stehen, sagt Paulus.
Dann wird Tacheles geredet, dann helfen keine Ausreden, keine schöne Fassade.
Gott wird uns seinen Spiegel vorhalten, in dem wir die ungeschminkte Wahrheit über uns ertragen müssen.
Welche Menschen wir wirklich sind - nicht, welche wir zu sein scheinen.
Ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen, als die ganze unverblümte Wahrheit über sein Leben zu erfahren, vor allem alle Abgründe.
Wohl dem, der darauf vorbereitet ist!
Wenn ich Paulus richtig verstanden habe, dann Christi Richterstuhl schon jetzt da, nicht erst irgendwann.
Christus lässt uns nicht unvorbereitet vor sich treten;
gibt uns schon jetzt immer wieder Gelegenheiten, unser Leben zu bedenken, zu erkennen und zu korrigieren.
Unser Lebenshaus zu wieder von Grund auf zu renovieren und schön zu machen.
Buße tun nennen wir das.
Und die Vergebung Gottes empfangen!
Er kann heilen, was wir verletzt haben.
Er spricht uns frei von Schuld, so dass wir einen Neubeginn wagen können.
Buße tun heißt schon jetzt in Gottes Spiegel schauen.
Für Martin Luther war dies so wichtig, dass er sagen konnte: das ganze Christenleben soll fortdauernde Buße sein.
In den Spiegel Gottes zu schauen und sich selbst darin so zu erkennen, wie man wirklich ist - ungefiltert - das ist alles andere als leicht.
Seine Fehler zu erkennen und zu bereuen, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern erfordert großen Mut.
Mut, der sich lohnt.
Wer Vergebung erfahren hat, wem eine tonnenschwere Last von Herz und Seele genommen wurde, der weiß, wie sich der Himmel auf Erden anfühlt.
Auf dem Richterstuhl sitzt nicht irgendein grausamer Gott, der sein Opfer fordert.
Nein - es sitzt Jesus Christus darauf, der sich selbst für uns geopfert hat.
Sein Kreuz ist unsere Hoffnung!
Lasst uns wachsam und realistisch, aber darüber hinaus getröstet und voller Hoffnung weiterleben – mit unserem ganz persönlichen Bild vom ewigen Haus, auf das wir zugehen, in dem der liebende und gnädige Gott auf uns, seine Kinder, wartet; dem Leben nach dem Tod, von dem es der Offenbarung des Johannes im 21. Kapitel heißt:
Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.
Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu!
Amen.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.