20.12.2020 - "Maria zum Beispiel" - Predigt am 4. Advent zu Lukas 1,46-55 (Pfr. Fischer)
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Das Predigtwort für den heute steht im Lukasevangelium im 1. Kapitel,
Ich lese die Verse 46 bis 55:
Und Maria sprach: Meine Seele erhebt den Herrn,
und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilands;
denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskinder.
Denn er hat große Dinge an mir getan, der da mächtig ist und dessen Name heilig ist.
Und seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht bei denen, die ihn fürchten.
Er übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn.
Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen.
Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen.
Er gedenkt der Barmherzigkeit und hilft seinem Diener Israel auf,
wie er geredet hat zu unsern Vätern, Abraham und seinen Kindern in Ewigkeit.
Liebe Gemeinde,
Meine Seele erhebe den HERRN, so stimmt Maria ihren Lobgesang an.
Ob es uns möglich ist, auch in diesen Lobgesang mit einzustimmen?
Ich vermute, viele von uns Evangelischen haben da ihre Zweifel.
Es singt da die Frau, die von vielen unserer katholischen Schwestern und Brüdern als Himmelskönigin verehrt und auch angebetet wird.
Und damit haben wir Evangelischen – wie ich meine, auch zu Recht unsere Schwierigkeiten.
Allein vier Mariendogmen kennt die katholische Kirche.
Im Volksglauben wird Maria als Fürsprecherin und Vermittlerin des Heils angebetet und erfährt nahezu göttliche Verehrung.
Wir Evangelischen haben mit dieser angebeteten Maria zu Recht unsere Schwierigkeiten.
War es doch eine der Erkenntnisse Martin Luthers, die er als Grundlage alles anderen erkannt hat:
Christus allein, Christus allein, Christus allein.
Und deshalb hat er mit der Heiligenverehrung und ihrer Anbetung ziemlich gründlich aufgeräumt.
In Jesus Christus allein ist unser Heil begründet.
Wer daran glaubt und auf seinen Namen getauft ist, der wird selig werden mit Gottes Gnade.
Mehr braucht es nicht.
Christus allein ist alles!
Doch so vorschnell will ich die Maria nicht der evangelischen Inquisition zum Opfer fallen lassen.
Denn Martin Luther selbst hat diesen Lobpreis Marias hoch in Ehren gehalten. Und er hat selbst oft und gerne in diesen Lobpreis mit eingestimmt.
Widerspricht er sich da nicht selbst? – mögen wir da fragen.
Was ist nun? Maria – Hopp oder Top?
Martin Luther hat seine Bibel in und auswendig gekannt.
Und er konnte deshalb gut unterscheiden: zwischen Maria, der Himmelskönigin auf der einen Seite, und Maria, der Gottesmutter auf der anderen.
Und Martin Luther hat folgendes erkannt:
Die Maria der Bibel – die Gottesmutter – ist eine ganz andere, als die von Menschen gemachte und angebetete.
Schau ‘n wir uns diese Maria einmal an:
Da ist zunächst einmal eine blutjunge Frau, die ihr erstes Kind zur Welt bringen wird - ein Engel Gottes hat es ihr verkündet.
Stellen Sie sich ihren Schrecken vor!
Und noch dazu ein uneheliches Kind.
Was werden die Leute wohl dazu sagen?
Doch sie fügt sich dem Willen Gottes und macht sich mit sorgenvollem Herzen zu Elisabeth, ihrer Verwandten, auf.
Ich spüre da nichts Übermenschliches im Verhalten der Maria.
Sie hat wirklich riesige Probleme.
Sie sucht jemanden auf, dem sie sich anvertrauen kann.
Für uns heute eine fast alltägliche Geschichte.
Und bei Elisabeth bekommt sie endlich die Bestätigung, die sie braucht: Gott hat etwas Großartiges mit ihr vor.
Das Kind, das sie in sich trägt, wird den Menschen Heil und Rettung bringen:
Und als sie diese Gnade erkennt, die Gott ihr schenkt, fängt sie aus vollem Herzen zu singen an – vor Freude, vor Glück.
Welche Frau würde hier nicht glücklich sein, wenn sich herausstellt, dass sie ihr Wunschkind bekommt!
Maria singt ihrem Herrn ein Lied und gibt ihm allein die Ehre.
Ein Lied zur Ehre Gottes stimmt sie an aus übervollem Herzen.
Deshalb hat Martin Luther gerne in dieses Loblied eingestimmt.
Maria ein Vorbild dafür, wie jeder von uns Gott loben soll.
Sie war für ihn nicht Himmelskönigin, sondern Vorbild im Glauben, eine Glaubenszeugin
Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Und so konnte Martin Luther unterscheiden:
Maria als Vorbild in Ehren halten – ja. So, wie wir alle unsere Vorbilder, unsere Lehrer in Ehren halten sollten.
Doch Maria als Himmelskönigin verehren und sie anbeten – ein klares Nein.
Anders gesagt:
Der Glaube sucht in Maria ein Vorbild, der Aberglaube sucht bei ihr Hilfe.
Hilfe gewährt allein Gott in Jesus Christus.
Liebe Schwestern und Brüder,
warum war nun Maria für Luther ein Vorbild, und warum könnte sie das auch für uns sein?
Es ist die Art, wie Maria Gott lobt;
Alleiniges Ziel ihrer Anbetung ist Gott.
Sie sagt nicht: Danke, Gott, dass ich so toll bin!
Sie setzt sich nicht ins Rampenlicht, sondern nimmt sich ganz zurück und lobt Gott allein.
Darin kann sie uns Evangelischen auch Vorbild sein: Allein Gott zu loben, ohne sich selbst mit zu loben.
In zwei Strophen singt Maria ihr Lied.
Und zwei Dinge sind es auch, die mir darin vorbildlich erscheinen.
Das erste, was wir von Maria abschauen Können ist ihre Dankbarkeit.
Sie ist von Herzen dankbar für die Gnade, die sie von Gott empfangen hat.
Denn wer ist sie schon?
Gott hat sich für seine Pläne nicht einen „Großkopferten“ ausgesucht.
Er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen, singt Maria.
Gott erwählt eine Frau, die zu den kleinen Leuten gehört, ohne Privilegien.
Und dafür ist sie von Herzen dankbar.
Und die Art ihrer Dankbarkeit ist auch vorbildlich:
Sie lässt sich's nicht heraushängen.
Sie bildet sich nichts darauf ein.
Sie bleibt in ihrer überschwänglichen Dankbarkeit demütig, sie hebt nicht ab.
Sie preist nicht sich selbst, sondern allein Gott, der sie so reich beschenkt hat.
Natürlich können wir nicht alle eine Maria sein oder eine Mutter Theresa.
Auch nicht ein Martin Luther, Albert Schweitzer oder Dietrich Bonhoeffer.
Doch auch für uns normale Christen gilt dasselbe, wie für diese großartigen Menschen:
Wir gehören mit der Taufe zu Jesus Christus.
Wir sind von Gott beim Namen gerufen.
dass heißt:
Auch du bist ein einmaliges, einzigartiges und unverwechselbares Geschöpf Gottes.
Auch du hast Begabungen und Talente erhalten, die dich einmalig wertvoll machen – auch wenn sie von unseren Augen klein erscheinen.
Doch lass es dir gesagt sein: Es gibt keine kleinen Gottesgaben!
So hat Maria ihrem Herrn ein Lied gesungen; ein Danklied, einen Lobpreis, für die Gnade, die sie von ihm empfangen hat.
Und so sind auch wir alle eingeladen, unser Loblied anzustimmen.
Das Zweite, das wir uns von Maria abschauen Können, ist ihr Vertrauen.
Sie legt ihr Leben in Gottes Hände, weil sie weiß: Er hat in der Vergangenheit Großes vollbracht und er wird auch in der Zukunft Großes vollbringen.
Dafür preist sie ihn von Herzen:
Gott hält, was er verspricht.
Auf ihn ist Verlass - im Gegensatz zu vielen Menschen.
Gewalt, Hass, Unterdrückung, Ausbeutung – das alles will Gott nicht.
Maria das besingt so: Gott wird quasi alles auf den Kopf stellen:
Was unten ist wird oben sein; die Ersten werden die Letzten.
Irgendwie wird Gott alles neu schaffen.
Genaueres wissen wir leider nicht.
Doch es wird eine Gerechtigkeit herrschen, von der wir nur träumen können: die vollkommene Gerechtigkeit Gottes.
Maria weiß, dass die rettende Stunde nahe ist.
Sie trägt den Heiland in sich.
Sie erwartet seine Geburt.
In dem Jesuskind in der Krippe zeigt Gott uns ein für alle Mal, was er mit uns und der Welt vorhat.
Gott wird Mensch.
Er steigt von der Höhe in die Niedrigkeit.
Alles Leid und Unrecht, was uns heute noch belastet und bedrückt, wird weggenommen und aufgehoben werden von Gott.
So singt Maria – ein Niemand vor den Menschen – ihr Gottvertrauen fröhlich heraus.
Hoffentlich Können auch wir, trotz aller berechtigten Klagelieder auf diese Welt und die fehlende Menschlichkeit, ins Gotteslob einstimmen.
Ich komme zum Ende.
Wir Christen brauchen Vorbilder im Glauben.
Menschen, die uns von ihrer Fülle Zeugnis geben.
Die uns mit ihrem Gottvertrauen helfen, wenn unser Glaube klein ist.
Die uns ein Loblied vorsingen, wenn in unserer Seele dunkles Schweigen herrscht.
Das muss nicht Maria sein, jeder von uns kann das sein.
Denn jeder von uns ist ein begnadetes Kind Gottes.
Und so ist es heute eben die Maria von der wir das lernen Können.
Sie stimmt Gott ein Lied des Dankes und des Vertrauens an - trotz aller Fragen und Unsicherheiten, die sie als junge schwangere Frau bestimmt auch gehabt hat.
Ich wünsche uns noch für diese Adventszeit:
dass wir wie Maria erfahren: Gott hält, was er verspricht.
Dass wir unserem Herrn über alle Maßen danken für das, was er an uns getan hat und immer wieder tun wird.
Ein Loblied auf den dreieinigen Gott, das andere ansteckt:
Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freut
sich Gottes, meines Heilands.
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.