28.02.2021 - "Alles klar im Weinberg?" - Predigt am Sonntag Reminiszere zu Jesaja 5,1-7 (Pfr. Fischer)

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus.

 

Wir hören das Predigtwort aus dem Propheten Jesaja im 5. Kapitel:

Wohlan, ich will meinem lieben Freund ein Lied singen, ein Lied von meinem Freund und seinem Weinberg.
Mein Freund hatte einen Weinberg auf einer fetten Höhe.

Und er grub ihn um und entsteinte ihn und pflanzte darin edle Reben. Er baute auch einen Turm darin und grub eine Kelter und wartete darauf, dass er gute Trauben brächte; aber er brachte nur schlechte.

Nun richtet, ihr Bürger zu Jerusalem und ihr Männer Judas, zwischen mir und meinem Weinberg!

Was sollte man noch mehr tun an meinem Weinberg, das ich nicht getan habe an ihm? Warum hat er denn schlechte Trauben gebrachte, während ich darauf wartete, dass er gute brächte?

Wohlan, ich will euch zeigen, was ich mit meinem Weinberg tun will! Sein Zaun soll weggenommen werden, dass er verwüstet werde und seine Mauer soll eingerissen werden, dass er zertreten werde.
Ich will ihn wüst liegen lassen, dass er nicht beschnitten noch gehackt werde, sondern Disteln und Dornen darauf wachsen und will den Wolken gebieten, dass sich nicht darauf regnen.

Des HERRN Zebaoth Weinberg aber ist das Haus Israel und die Männer Judas seine Pflanzung, an der sein Herz hing. Er wartete auf Rechtsspruch, siehe, da war Rechtsbruch, auf Gerechtigkeit, siehe, da war Geschrei und Schlechtigkeit.

 

Liebe Gemeinde!

Eine Predigt für Weinbauern in Bierfranken!

Spannend!

Ein unterfränkischer Winzer hört dieses Weinberglied aus Jesajas Mund und nickt zustimmend: Jawohl, so ist es.

Furchtbar schön ist unser Beruf, wenn es ein gutes Jahr wird und die Rebstöcke genau das richtige Maß an Wasser und Sonne bekommen;
wenn im Oktober die Reben mit prallen Trauben geerntet werden können.

 

Aber dieser Beruf ist dann auch ganz schön furchtbar.

Wissen wir denn, was für Arbeit noch im Wein steckt, wenn wir uns einmal ein Gläschen gönnen?

Das Anlegen des Weinbergs in steiler Hanglage, die mühsame Bepflanzung und die schwierige Pflege der Weinstöcke?

Dazu kommt das ständige Risiko mit dem Wetter mit Pilzbefall und Schädlingen wie die Rebenpockenmilbe, der Heu- und Sauerwurm oder die Reblaus:

Die Angst vor Missernten ist groß.

Weinanbau war und ist ein mühsames Geschäft – trotz aller Technik die heutzutage beim Ausbau der Reben zur Verfügung steht.

Vieles bleibt Handarbeit.

Hier HHier bei uns sind wir ja eher „Bierfranken“ als „Weinfranken“.

Und leider gibt es kein Hopfenblütenlied in der Bibel.

Doch verstehen können wir dieses Weinberglied Jesajas natürlich auch.

 

Auf andere Bereiche übertragen können wir z.B. fragen:

Was wissen wir noch von der schwierigen Arbeit und den Problemen in der Landwirtschaft, wenn wir unser tägliches Brot essen?

Was wissen wir von den Problemen und Enttäuschungen der Lehrer, die tagtäglich an den Schulen vor schwierigen Klassen stehen – und sie derzeit auch noch online oder in geteilten Klassen unterrichten müssen?

Was wissen wir von den Mühen unserer Mütter und Frauen, die täglich neu den Schmutz und die Unordnung ihrer Lieben beseitigen sollen? Leider sind’s immer noch zu wenig Väter die da mithelfen!

Was wissen wir von der täglichen Arbeit der Menschen, die für uns da sind?

Manches wissen wir aber recht gut!

Wir kennen, denke ich, alle das Gefühl – ganz egal, was wir tun – wenn die Flamme der Leidenschaft erlischt, wenn aus Lust Frust wird.

Die Mühen des Weinbaus stehen für unsere tagtäglichen Aufgaben und Pflichten, bei denen uns Lust und Frust wie ein Geschwisterpaar begleiten.

Winzer brennen für ihren Beruf; denn ohne Leidenschaft schmeckt der Wein nicht.

 

Jesaja besingt in seinem „Lied“ die Aufgaben im Weinberg:

die mühsamen Vorbereitungen mit der Umzäunung, dem Wachturm, dem Entsteinen, dem Pflanzen und dem ständigen Jäten von Unkraut.

Dann kommt das lange und bange Warten: ob denn der Weinberg eine ergiebige Ernte bringt.

Zuletzt die bittere Enttäuschung: Die harte Arbeit eines, vielleicht mehrerer Jahre – alles war umsonst!

Sein Weinberglied ist ein Gleichnis:

Jesaja beschreibt die Arbeit im Weinberg und deutet sie auf Gott und sein Volk, genauer gesagt auf die Beziehung zwischen Gott und seinem Volk:

Gott erwählt sich aus allen Völkern dieser Welt ein Volk – sein Volk!

Gott liebt es von ganzem Herzen, begleitet es treu und bietet ihm immer wieder seine Unterstützung an.

Und wie in jeder Beziehung gibt es gute und weniger gute Zeiten.
Kinder sind nicht immer brav und folgsam; und auch zwischen Ehepartnern kann es kriseln.

Das ist eben der Preis der Freiheit: immer wieder zwischen richtigen und falschem Verhalten entscheiden zu müssen.

Gott liebt sein Volk – doch das Volk erwidert diese Liebe nicht immer.

Wie ein trotziges Kind reist es sich von der Hand seiner Eltern los und rennt in sein Verderben.

Doch Gott befreit sein Volk aus der Sklaverei Ägyptens und aus der Gefangenschaft in Babylon.

Soweit im Alten Testament.

 

Mit dem Neuen Testament weitet Gott diese Beziehung aus:

Jesus Christus ist der Heiland aller Völker dieser Welt!

Sein Heil kennt keine Schranken.

Und wir sind als seine Kirche auch sein Volk geworden.

Wir Christen und Christinnen sind mit dem jüdischen Volk Gottes Weinberg.

Und von diesem Weinberg ist nun gesagt:

Gott hat größte Mühe dafür aufgewendet.

Gott hat sein Volk durch viele Gefahren hindurch behütet.

Er hat uns seine Lebensordnung gegeben – in Form der 10 Gebote und in Form der Worte Jesu.

Alles hat Gott aufgewendet, damit die Ernte gut wird.

Und doch hat ihn sein Weinberg enttäuscht.

Wir – sein Volk, seine Gemeinde, seine Kirche, seine Kinder – haben nicht die Frucht gebracht, die sich Gott gewünscht hat.

Unsere Geschichte als Volk Gottes – angefangen bei Abraham bis zu uns heute – ist vor allem eine Geschichte menschlichen Versagens und großer Schuld:

Selbstgemachte Gottheiten und Götzen lenken die Menschen vom Glauben ab.

Geschäfte sind wichtiger als der Schutz des Schwachen.

Gottes Ordnung und seine Gebote zählen immer weniger.

Überheblichkeit, Neid und Machtansprüche gefährden die Menschheit weltweit.

Klar können wir sagen: Wo Menschen beteiligt sind, da menschelt’s halt – da werden Fehler gemacht, weil wir einfach nicht allwissend und unfehlbar sein können.

Aber wir tun oft so, als ob wir alles könnten!

Auch bei uns in der Kirche fehlt es zu oft an der Einsicht: Ich bin und bleibe ein armer, elender, sündiger Mensch.

Meine Fehlbarkeit entschuldigt noch lange nicht, dass ich so weitermache; dass ich dieselben Fehler wiederhole!

 

Gott will mich, will uns zum Guten verändern – nicht nur einmal am Buß- und Bettag, sondern täglich, stündlich, kurz gesagt:

Mein, unser ganzes Leben soll mit Gottes Heiligen Geist wachsen und gedeihen und gute Frucht bringen.

Gott uns lässt uns Menschen Freiheiten – wir sind nicht seine Marionetten.

Gott traut uns etwas zu; und das heißt dann auch: wir könnten es eigentlich besser.

Doch wir wollen’s oft nicht: Und deshalb ist Gott zornig!

Wollen wir das hören, dass Gott wegen mir zornig ist?

Passt der Zorn in unsere Vorstellung von Gott, der doch oft nur als „lieber Gott“ verniedlicht wird.

Doch wahre Liebe schließt den Zorn gerade nicht aus.

Ist es nicht so: Gerade wenn ich liebe, gerade wenn ich mich für Menschen oder für eine Sache mit ganzem Herzen engagiere – gerade dann, wenn ich enttäuscht werde – ist Frust und auch Zorn die natürliche Folge.

Ein leidenschaftlicher Mensch darf auch mal zornig sein!

Das Gegenteil ist für mich das Schlimmste: wenn einem wirklich alles wurscht ist.

Wenn einer nur mit den Schultern zuckt – und dann zur Tagesordnung übergeht.

Wenn jemand zornig ist, dann ist ihr oder ihm die Beziehung nicht gleichgültig.

Wir Menschen sind Gott nicht wurscht und egal, weil er uns über alles liebt.

Deshalb muss Gott mit uns zornig sein.

Doch der Weinberg ist ja auch die Gemeinschaft, die Kirche, nicht nur die vielen einzelnen Christen.

Hat nicht auch die Kirche selbst Schuld auf sich geladen – nicht nur einzelne in ihrem Namen?

Hat nicht die katholische Kirche geschwiegen, als Millionen von Indios in den Spanischen Kolonien in den Bergwerken durch Zwangsarbeit in den Tod getrieben wurden?

Hat nicht die evangelische Kirche gemeinsam mit der katholischen Kirche geschwiegen, als Millionen von jüdischen Schwestern und Brüdern von den Nazis ermordet wurden?

Da war Jesaja im Jahr 720 v. Chr. konsequenter als die Kirchenfürsten im Jahre 2021 n. Chr.

Wir müssen uns von Gott schon fragen lassen, ob wir seinem Anspruch noch gerecht werden – als einzelne wie als Gesamtheit des Volkes Gottes.

Rechtsspruch erhoffte er - Rechtsbruch erfuhr er.

Gerechtigkeit erhoffte er - schreiendes Unrecht erfuhr er.

 

Liebe Schwestern und Brüder,
bevor wir uns überheblich und selbstgerecht über Menschen anderer Religion und anderen Glaubens hermachen und sie bewerten – müssen wir erst einmal gründlich vor unserer Haustür kehren.

Jesajas Weckruf gilt seinem Volk.

Wir sind gemeint!

Mir singt er ins Gewissen!

Jesaja ruft zur Buße auf, wie auch später Johannes der Täufer und Jesus selbst dies taten:

Denk über dein Leben gründlich nach!

Such Dir Hilfe bei Gott; seine Liebe ist größer als sein Zorn!

Seien wir mutig und decken alles auf an Müll und Unrat, an bösen Gedanken, Worten und Taten, die zwischen uns und Gott und zwischen uns und unseren Mitmenschen stehen.

Nur wenn die wilden und die faulen Triebe am Weinstock abgeschnitten werden – können die guten, saftigen Früchte reifen.

Und wie gesagt: Die Arbeit im Weinberg Gottes ist eine tägliche Aufgabe – unser ganzes Leben unser ganzer Einsatz ist gefordert.

Die Zeit auf Ostern hin hilft uns dabei.

Blicken wir nach vorne: auf Christus, in dem Gottes Liebe menschliche Gestalt annahm,
der für uns alle gelitten hat, gekreuzigt wurde und auferstanden ist.

Stellen wir uns unter das Kreuz und bitten in Jesu Namen um Vergebung.

Wir können uns nicht selbst vergeben!

Doch Gott vergibt uns; er wartet auf uns – jeden Tag neu.

Ein Blick auf Gottes Gebote, ein Blick aufs Kreuz – und unser Gewissen wird wachgerüttelt.

Gottes Geist wird uns sagen, wo es in uns und bei uns fehlt.

Lassen wir uns von ihm inspirieren und neues Leben einhauchen!

Und dann wird sein Volk, seine Kirche sein, was sie sein soll: ein blühender Garten des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. Amen

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.