28.03.2021 - "Auf geht's!" - Predigt am Palmsonntag zu Hebräer 12,1-3 (Pfr. Fischer)

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

 

Das Predigtwort für den heutigen Palmsonntag steht im Hebräerbrief im 12. Kapitel.

Ich lese daraus die Verse 1-3:

1 Weil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, lasst uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns ständig umstrickt,
und lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist,
2 und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens, der, obwohl er hätte Freude haben können, das Kreuz erduldete und die Schande gering achtete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes.
3 Gedenkt an den, der so viel Widerspruch gegen sich von den Sündern erduldet hat, damit ihr nicht matt werdet und den Mut nicht sinken lasst.

 

Liebe Gemeinde,

machen wir uns auf den Weg!

Los, auf geht’s!

Lasst uns laufen!

 

Aber – wohin?

Welcher Weg soll das denn sein?

Schon wenige Stichworte machen deutlich, wie es um die Gemeinde bestellt ist, die den Hebräerbrief bekommen hat.

Von Beschwernissen ist da die Rede, von der nötigen Geduld und vom Kampf wird berichtet und schließlich vor Mattheit und Mutlosigkeit gewarnt.

Kommt uns diese Aufzählung nicht bekannt vor?

Die Christen sind müde geworden; schwere Zeiten liegen hinter ihnen und bestimmen sie immer noch.
Viele stellen sich die Frage: Wo ist den Gott in dieser gottlosen Welt?

Wo finde ich sein Reich?

Kommt uns diese Lagebeschreibung nicht bekannt vor?

 

Der Briefschreiber macht keine Vorwürfe.

Er geht auf die Situation ein - sehr umsichtig und sehr sensibel.

Er will Mut machen in schwerer Zeit.

Der Glaube ist nicht umsonst.

Auch, wenn sich Müdigkeit und Perspektivlosigkeit breitmachen.

 

Da ist zunächst einmal die Rede von der Wolke der Zeugen.

Im vorausgehenden 11. Kapitel werden diese Zeugen aufgeführt, Abraham, Jakob, Josef, Mose, Samuel, David und die Propheten – auch unbekannte Menschen – eine Wolke eben!

Sie alle sind Zeugen dafür, dass Gott existiert.

Dass er in dieser Welt erfahrbar ist; in jedem einzelnen Leben.

Auch in den großen Zusammenhängen der Weltgeschichte – in seiner Schöpfung – überall ist Gott erfahrbar.

Im Glauben, also im Vertrauen auf Gott, wird er erfahrbar.

Glaube wieder den Augenschein.

An Gott festzuhalten, ob er in der Welt unsichtbar ist.

 

Ich weiß, wie solche Worte wirken.

Da bist Du in der Krise – und dann werden Dir noch die Superhelden des Glaubens aufgezählt.

Das kann zusätzlich deprimieren.

Wie soll man einem Anspruch von Glaubenshelden und Heldinnen, von Idealtypen gerecht werden, wenn’s einem nicht gut geht.

Das klingt wie die Lüge des Baron Münchhausen, der behauptet hat, er habe sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf gezogen – mit samt seinem Pferd!

 

Mit übersteigernden Ansprüchen kommen wir nicht heraus.

Gute Ratschläge – auch wenn sie noch so gut gemeint sind, verschärfen die Krise, verstärken die Schwermut.

Und: früher war nicht alles besser – es war nur früher!

 

Deshalb aufgeblickt! Vorne ist das Ziel!

Der Blick nach unten schränkt ein.

Der Blick offene Blick schafft neue Möglichkeiten.

 

Übrigens auch der Blick zurück.

Die Zeugen der Glaubenswolke waren übrigens auch nur Menschen.

Nicht perfekt, sondern aus Fleisch und Blut.

Verletzlich, sterblich und sogar sündig.

Deshalb wird auch die Hure Rahab ausdrücklich genannt.

Nein – Perfektionismus ist bei Gott nicht gefragt.

Da hätten wir – bei allem Respekt – alle hier keine Chance.

Was alle Zeuginnen und Zeugen vereint, ist ihr Glaube, ihr Vertrauen auf Gott.

In schwerer Zeit, als die Not am größten und ihre Kraft am geringsten war – haben sie an Gott festgehalten.

Und er hat ihnen geholfen.

Er hat sie aus dem Sumpf gezogen, in den sie unschuldig oder schuldig hineingeraten waren.

Darauf sollen wir blicken, sagt der Briefschreiber.

Erinnere dich an Gott in schwerer Zeit!

Wenn Du im Sumpf deines Lebens zu versinken drohst, dann hadere nicht, dass Du versinkst, dass Gott nicht verhindert hat, dass Du in diesen Schlamassel geraten bist und Du jetzt gleich sterben wirst – sondern ergreife die Hand Gottes, die dich rettet!

 

Erinnere Dich …
… an Abraham und Mose, an Paulus und Luther, an Dietrich Bonhoeffer, Albert Schweitzer, Mutter Theresa und viele andere -
Gott ist gegenwärtig, immer und überall.
„Jahwe“ – „Ich bin der ich bin“; „Ich werde sein, der ich bin“; „Ich bin immer da“ – das ist sein Name!

 

Erinnere Dich!

Und dann fang an zu laufen – auf Deinem Weg mit Gott.

Wie schwer Dein Weg auch ist, wie viele Steine, Steigungen, vielleicht auch Umwege es geben mag – Du gehst nicht allein.

Ja, lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist, und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens.

Besonders diejenigen, die selber gerne laufen, wissen: Am Anfang ist es anstrengend, doch mit der Zeit wird’s leichter und Glückshormone werden ausgeschüttet.

Unser Allgemeinzustand verbessert sich – wenn man’s nicht übertreibt – also Körper, Geist und Seele!

Ihr wisst: „mens sana in corpore sano“

 

Doch es braucht Geduld!

Wir wissen momentan, wie schwer dies ist.

Geduld war bei uns noch nie sonderlich hoch im Kurs gestanden.

Wir sind auf die Ergebnisse fixiert.

Wir wollen Erfolg – und das möglichst flott.

Unser Konsumverhalten richtet sich danach – heute schoppen per Klick und Lieferung über Nacht.

Wir können nur schwer ertragen zu warten – bis wir dran sind – beim Bäcker, Metzger, Friseur oder Impfen.

Ostern beginnt nicht am Ostersonntag, sondern endet mit den Feiertagen.

Fastenzeiten – also Zeiten des Verzichts nur bei Katastrophen oder auf staatliche Anordnung – aber nie freiwillig.

Tut mir leid, es ist nicht persönlich gemeint.

Auch hier gilt: Wer ohne schuld ist, werfe den ersten Stein!

Doch gerade in dieser Pandemie sehe ich mit Verwunderung und Erschrecken, das Beschleunigung – immer höher, immer größer, immer weiter, eine Grunderwartung ist.

Und die Frage sei erlaubt:

Was bleibt dabei nicht alles auf der Strecke?

Hat nicht auch die geduldige Erwartung ihren tiefen Sinn?

Ist nicht die Geduld nach wie vor eine große Tugend?

 

Mäßigen wir unsere Ungeduld und bleiben geduldig:

bei der Begleitung von heranwachsenden Kindern, im Umgang mit unseren Senioren, beim langsamen Reifen einer Liebe und Partnerschaft, bei der langwierigen Genesung und ebenso beim Wachsen des Glaubens.

Schon im Alten Testament heißt es: Ein Geduldiger ist besser als ein Hochmütiger (Prediger Salomo 7,8) oder auch: Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein (Klagelieder 3,26).

Ja, Gott selbst wird mit Geduld in Verbindung gebracht.

Der Herr ist geduldig und von großer Kraft (Nahum 1,3) oder: Er ist geduldig und von großer Barmherzigkeit (4. Mose 14,18).

Deshalb: Lasst uns laufen mit Geduld!

Schließlich hat Gott uns genau das Maß an Zeit gegeben, das wir brauchen.

 

Und noch etwas ist beim Lebenslauf wichtig:

Einfach drauflos laufen ist zwar spannend, aber auch gefährlich.

Das führt in die Irre und frustriert.

Die Richtung muss schon stimmen, wenn wir uns auf den Weg machen.

Von wem aber lassen wir Sie uns vorgeben?

Wer oder was bestimmt unser Ziel?

Zu wem wollen wir aufsehen?

Es sind heute so wahnsinnig viele unterwegs, die dabei „hierhin“ oder „dahin“ rufen und gerade ihren Weg als Königsweg preisen.

Die Qual der Wahl ist groß.

Sinnangebote gibt es zuhauf, so dass der Zielkonflikt längst vorprogrammiert ist.

 

Wir Christen und Christinnen haben’s gut!

Erinnere Dich auch daran!

Lasst uns ... aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens.

Das ist alles andere als Erfüllung jetzt oder Vollendung pur.

Dieses Aufsehen zu Jesus ist Bedingung, ohne die es nicht gelingen kann.

Auf lateinisch heißt „Bedingung“: conditio.

Das Aufsehen zu Jesus ist unsere Kraftquelle – unsere Kondition.

Uns wird dabei nicht das Paradies auf Erden vorgegaukelt.

Es ist noch Wartezeit.

Die Vollendung steht noch aus.

Wenn wir zu Jesus aufsehen, dann richtet sich unser Blick nicht nur auf den, der mit Palmzweigen in die Hauptstadt einzieht und wie ein König gefeiert wird.

Nein, es muss schon der ganze Jesus in den Blick kommen.

 

Die Karwoche liegt vor uns:

Erinnere dich: nach dem Palmenstreuen geht es weiter über den abgrundtiefen Zweifel und Verrat im Garten Gethsemane, über Anklage, Folter und Verurteilung hinaus ans Kreuz auf Golgatha.

Gott sei Dank bleibt das nicht sein letztes Wort!

Doch all das muss geschehen, damit es Ostern werden kann: Der Tag der Auferstehung Jesu von den Toten; der Moment, in dem uns neues Leben geschenkt wird – trotz allem, was in uns und um uns vergeht – Vergebung trotz allen Versagens.

Das letzte Wort hat der gnädige Gott!

Daran erinnern wir uns, darauf lasst uns voller Hoffnung blicken, damit wir nicht matt werden und den Mut nicht sinken lassen.

Machen wir uns auf den Weg!

Mit Christus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens.

Amen.

 

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.