05.04.2021 - "Ist die Zukunft besiegelt?" - Predigt am Ostermontag zu Offenbarung 5,1-14 (Pfr. Fischer)

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus.

 

Wir hören das Predigtwort aus der Offenbarung des Johannes im 5. Kapitel:

Ich sah in der rechten Hand dessen, der auf dem Thron saß, ein Buch, beschrieben innen und außen, versiegelt mit sieben Siegeln.
Und ich sah einen starken Engel, der rief mit großer Stimme: Wer ist würdig, das Buch aufzutun und seine Siegel zu brechen?
Und niemand, weder im Himmel noch auf Erden noch unter der Erde, konnte das Buch auftun und hineinsehen.
Und ich weinte sehr, weil niemand für würdig befunden wurde, das Buch aufzutun und hineinzusehen.
Und einer von den Ältesten spricht zu mir: Weine nicht! Siehe, es hat überwunden der Löwe aus dem Stamm Juda, die Wurzel Davids, aufzutun das Buch und seine sieben Siegel. Und ich sah mitten zwischen dem Thron und den vier Gestalten und mitten unter den Ältesten ein Lamm stehen, wie geschlachtet; es hatte sieben Hörner und sieben Augen, das sind die sieben Geister Gottes, gesandt in alle Lande. Und es kam und nahm das Buch aus der rechten Hand dessen, der auf dem Thron saß. Und als es das Buch nahm, da fielen die vier Gestalten und die vierundzwanzig Ältesten nieder vor dem Lamm, und ein jeder hatte eine Harfe und goldene Schalen voll Räucherwerk, das sind die Gebete der Heiligen,
und sie sangen ein neues Lied: Du bist würdig, zu nehmen das Buch und aufzutun seine Siegel; denn du bist geschlachtet und hast mit deinem Blut Menschen für Gott erkauft aus allen Stämmen und Sprachen und Völkern und Nationen
und hast sie unserm Gott zu Königen und Priestern gemacht, und sie werden herrschen auf Erden.
Und ich sah, und hörte eine Stimme vieler Engel um den Thron und um die Gestalten und um die Ältesten her, und ihre Zahl war vieltausendmal tausend;
die sprachen mit großer Stimme: Das Lamm, das geschlachtet ist, ist würdig, zu nehmen Kraft und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Preis und Lob.
Und jedes Geschöpf, das im Himmel ist und auf Erden und unter der Erde und auf dem Meer und alles, was darin ist, hörte ich sagen: Dem, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm sei Lob und Ehre und Preis und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit!
Und die vier Gestalten sprachen: Amen! Und die Ältesten fielen nieder und beteten an.

 

Segne an uns hören und reden, damit wir deinen Willen tun. Amen.

 

Liebe Gemeinde,

wie sieht die Zukunft aus?

Welche Visionen haben wir?

Haben wir überhaupt noch welche?

Sind wir von der Angst besessen und gelähmt, dass die Welt untergeht?

Oder ist uns längst eh alles wurscht, weil sowieso alles den Bach runter geht?

Von welchen Zukunftsvisionen lassen wir uns anstecken?

 

Unser Ausschnitt aus der Offenbarung hat schon immer zu Spekulationen und Prophezeiungen Anlass gegeben.

Was haben Menschen alles schon aus der Offenbarung des Johannes herauszulesen versucht – und nicht nur Sekten, sondern auch durchaus fromme Schwestern und Brüder: Berechnungen über Ort, Datum und Ablauf der endzeitlichen Ereignisse – alle bisher ohne Erfolg!

 

Mal ehrlich – was würden wir dafür geben, das Buch mit sieben Siegeln in den Händen zu halten?

Was würden Menschen an Reichtümern dafür eintauschen, nur um zu erfahren, wie die Zukunft aussehen wird?

 

Doch wer so denkt und hofft, wird von unserem Predigtwort enttäuscht.

Johannes bekommt in einer seiner Vision wirklich „himmlische“ Einblicke, doch es werden ihm auch deutlich die Grenzen aufgezeigt:

Zunächst ist da niemand, wirklich niemand, der würdig ist, das Buch zu öffnen.

Das heißt: es gibt kein einziges von Gott geschaffenes Wesen – weder im Himmel noch auf Erden – das die Macht hätte, die Siegel aufzubrechen!

Das versetzt Johannes einen gewaltigen Schlag!

Verzweifelt fängt er an zu weinen!

Soll es denn wirklich keinen Ausweg geben?

Soll die Welt und die Menschheit wirklich den Bach runter gehen, weil sie nicht weiß, wo’s langgehen soll?

 

Die Lage ist für Johannes wirklich zum Weinen.

Es scheint zu sein, wie bei der Titanic: falscher Kurs, die Katastrophe kommt unausweichlich auf einen zu – aber keine Chance, auszuweichen. Der Untergang scheint besiegelt, und wir sitzen alle mit im gleichen Boot.

Johannes muss auch erkennen, wie groß der Abstand zwischen Gott dem Schöpfer und seinen Geschöpfen ist.

Unüberbrückbar groß ist dieser Abstand.

Und auch diese Erkenntnis lässt die Tränen fließen.

 

Denn es geht hier auch um Frage der Macht.

Wer das Buch mit den 7 Siegeln in den Händen hält, der hat wirklich Macht.

Denn dieses Buch enthält die Zukunft!

Wer seine Siegel lösen kann, der weiß, was darinsteht, der kennt die Zukunft und kann sie bestimmen.

Der hat alle Macht in seiner Hand.

 

Wir müssen mit Johannes erkennen:

Nicht einmal die Besten in Gottes Reich sind würdig, das Buch aufzutun und hineinzusehen.

Und mögen sie noch so innig anbeten und fasten; und mögen sie noch so nah bei Gott sein.

 

Wir müssen mit Johannes einsehen:

Jedem Geschöpf Gottes fehlt es an Würde, an Macht, in Gottes versiegeltes Buch, in die Zukunft zu sehen.

Was für ein Schlag für Johannes, ja was für ein Schlag für die gesamte Menschheit.

Jede von Johannes‘ Tränen belegt die Machtlosigkeit von uns Menschen gegenüber Gott: er ist allmächtig – wir sind ohnmächtig.

 

Ich wünschte mir fast eine ähnliche erschütternde Einsicht in unserer Zeit.

Vor allem bei den Menschen, die glauben, mit Geld alles kaufen zu können; die meinen, aus irgendwelchen Prophezeiungen und Horoskopen auch nur ein Fünkchen Wahrheit zu ergattern.

 

Johannes lenkt aber auch die Blicke auf uns selbst, auf uns Christinnen und Christen:

Auch wir sind – bei aller Gnade, die Gott uns schenkt – letztendlich nicht würdig, Gottes Zukunftsplan zu enthüllen.

Natürlich steht’s da; natürlich sagt die Offenbarung etwas über die Zukunft aus, aber es gilt immer noch das, was schon Johannes selbst erkennen musste:

Niemand kann genau wissen, was kommt.

Auch der frömmste Christ nicht.

Niemand kann die Zeit berechnen.

Gott allein kennt den Plan der Endzeit.

Die Offenbarung ist eine göttliche Vision, die Gott dem Johannes in Bildern und Symbolen zu erkennen gibt.

Die Offenbarung ist aber kein Bedienungshandbuch für den Weltuntergang, in dem ich nur nachzublättern brauche, was wann wie geschehen wird.

 

Was ist aber dann der Sinn der Offenbarung?

Nun, der erste Sinn ist wirklich diese Einsicht: Mensch, deine Macht ist begrenzt; Gott ist und bleibt größer als du; du bist endlich – Gott ist unendlich – sieh das doch endlich ein.

„Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“, sagt Jesus.

 

Der zweite Sinn der Offenbarung ist Trost:

Weine nicht!

Das hört Johannes damals – und auch wir sollen das hören – gefangen in unseren Ängsten und Sorgen um unser Leben, unsere Zukunft.

Weine nicht, denn Gott selbst bietet Hilfe an.

Der Eine, der alle Macht im Himmel und auf Erden besitzt, bricht die Siegel des Buches auf: der Löwe aus dem Stamm Juda, die Wurzel Davids.

 

Jesus ist der Christus, der Messias, wie ihn die Propheten des Alten Testamentes verheißen haben und wie er uns im Neuen Testament bezeugt ist.

Er ist der König der Könige, der Herr der Herrscher – er ist Gott selbst, der Mensch geworden ist.

 

Gott sei Dank – mag da vielleicht Johannes gedacht haben: es ist doch nicht alles aus und vorbei – Gott selbst wird retten – stark und mächtig kommt er mit allen Kräften des Himmels und der Erde.

Gott sei Dank – mögen vielleicht auf wir denken: Er ist allmächtig und wird das Böse mit einem Handstreich wegfegen.

Doch auch hier ist uns als Mitbetrachter Vorsicht geboten:

Der Löwe ist in Wirklichkeit ein Lamm!

Ein Lamm, das dasteht wie geschlachtet.

 

Dieses Lamm ist als einziges würdig und mächtig, das Buch mit den sieben Siegeln zu öffnen.

Dieses Lamm lenkt unseren Blick auf das Kreuz!

Nicht durch Waffengewalt, oder die Macht des Geldes, oder einen muskelgestählten Supermann wird der Sieg errungen.

Der Sieg zeigt sich vielmehr darin, dass Jesus Christus am Kreuz alle Schuld getragen hat für uns – erniedrigt, verachtet und verlassen von allen Menschen.

Er hat gelitten, er ist gestorben und ist von den Toten auferstanden – damit hat er uns gezeigt: Der Tod ist besiegt.

Das Lamm Jesus Christus hat uns damit eine Brücke geschlagen über den Abgrund, der uns Menschen von Gott trennt.

Christe, du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd der Welt, erbarm die unser, gib uns deinen Frieden! so singen wir bei jedem Abendmahl.

Wie haben durch ihn die Chance an seinem Sieg teilzuhaben.

 

Am Ostermorgen ist dieser Sieg perfekt gemacht.

Der Gekreuzigt ist auferstanden.

Der Tod ist besiegt! Der letzte Feind, wie ihn Paulus bezeichnet.

Das Lamm trägt das Siegesbanner!

Willst Du an seinem Sieg Anteil haben?

Bist Du bereit für unbeschreibliche Freude, die einstimmen kann in den Lobgesang der himmlischen Mächte und Heerscharen:

Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens!

Dem, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm sei Lob und Ehre und Preis und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit!

 

Eine Freude, die andere Menschen anstecken kann, weil sie weiß:

Das Lamm Jesus Christus bricht die einzelnen Siegel des Buches.

Unsere Zeit, unsere Zukunft liegt in seinen Händen, wie sie uns weiter im 21. Kapitel verheißen ist:

Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu!

 

Doch noch ist es nicht so weit.

Bis Gott uns vollenden wird, hat er eine Aufgabe für uns:

Seine Schöpfung zu bewahren, und mit allen Menschen in Angst und Sorge, unsere Hoffnung und unseren Reichtum zu teilen.

Tun wir das ohne Angst vor dem Morgen, denn die Zukunft liegt in Gottes Hand!

Werfen wir all unsere Sorgen und Ängste auf ihn, unseren Gott, denn er sorgt für uns!

Amen.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.