16.05.2021 - "Von der Zukunft her gedacht" - Predigt zu Römer 8,26-30 am Sonntag Exaudi (Pfr. Fischer)
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Wir hören das Predigtwort aus dem Römerbrief des Paulus im 8. Kapitel:
(26)Der Geist hilft unserer Schwachheit auf.
Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich’s gebührt; sondern der Geist selbst vertritt uns mit unaussprechlichem Seufzen.
(27)Der aber die Herzen erforscht, der weiß, worauf der Sinn des Geistes gerichtet ist; denn er vertritt die Heiligen, wie es Gott gefällt.
(28)Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind.
(29)Denn die er ausersehen hat, die hat er auch vorherbestimmt, dass sie gleich sein sollten dem Bild seines Sohnes, damit dieser der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern.
(30)Die er aber vorherbestimmt hat, die hat er auch berufen; die er aber berufen hat, die hat er auch gerecht gemacht; die er aber gerecht gemacht hat, die hat er auch verherrlicht.
Liebe Gemeinde!
Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen.
Dieser 28. Vers hat mich besonders angesprochen.
Das ist ein großes Wort.
Ein Wort, dass man gar nicht gleich begreifen kann.
Außer man sagt es so dahin: Gewiss, alles was geschieht, wird schon einen Sinn haben, wird am Ende gut ausgehen, Gott wird schon wissen, warum er uns dies und das schickt, warum dieses oder jenes passiert.
Aber glauben wir das auch noch, wenn es uns selbst widerfährt?
Können wir uns das noch sagen, wenn es wirklich ganz schlimm, ganz unbegreiflich und schrecklich ist?
Und vor allem: Tröstet uns dann dieser Gedanke noch?
Wenn uns Gott ein Kind nimmt, durch Krankheit oder Unfall.
Wenn unser Partner, den wir als gesunden und vitalen Menschen geheiratet haben, plötzlich durch ein schweres, vielleicht unheilbares Leiden behindert ist und zum Pflegefall wird.
Oder wenn uns die Liebe unseres Lebens verlässt, wenn unsere Partnerschaft zerbricht und Kinder nicht mehr wissen, zu wem sie gehören.
Oder wenn uns selbst die Kräfte ausgehen, wir selbst krank werden und daheimbleiben müssen.
Wir wissen aber, dass uns alles zum Besten dienen muss... Wissen wir das wirklich???
Manchmal nehmen wir dann unsere Zuflucht zu Gedanken und Floskeln, die dann halt dran sind: „Gott weiß, wozu es gut war!“ – „Vielleicht ist unserem so früh verstorbenen Kind ja schwereres Schicksal erspart geblieben!“ – „Wenn es Gottes Wille ist, dann müssen wir das halt tragen!“
Vielleicht kommt uns auch ganz tief drinnen die Ahnung, Gott wollte uns mit dem strafen, was er uns auferlegt?
Vielleicht sprechen wir dann von einem „Wink“ Gottes, der uns zurechtbringen sollte?
Das sind sicherlich starke Sätze in schlimmster Not.
Sätze, die das Vertrauen auf Gott bezeugen.
Ich weiß ja wirklich nicht, was meinem Kind, das Gott hat sterben lassen, noch alles geschehen wäre, hätte sein Leben länger gedauert.
Und gewiss ist alles Gottes Wille und er weiß, wohin er uns damit führen will.
Und selbst das stimmt: Gott kann auch strafen und er will auch zurechtbringen und er gibt manchmal - Gott sei Dank! – den berühmten Wink mit dem Zaunpfahl!
Aber, wissen wir darum, dass uns alle Dinge zum Besten dienen müssen?
Und glauben wir das wirklich?
Und können wir von daher alles bejahen und auch annehmen, was uns geschieht?
Echter tiefer Trost oder nur oberflächliche Vertröstung?
An dieser Stelle der Predigt wollte ich eigentlich eine Geschichte erzählen, eine, die vorführt, wie ein ganz schlimmes Schicksal zum Schluss noch eine günstige Wendung genommen hat.
Aber die Frage ist ja doch: Wird mein vielleicht schlimmes Geschick noch diese Wendung kriegen?
Oder ich hätte euch ein Beispiel dafür gegeben, dass ein Mensch selbst sein Unglück oder gar den Tod aus Gottes Hand nehmen konnte und darin doch einen guten Sinn erkannt hat.
Aber auch hier: Alle Geschichten, die ich erzählen könnte, blieben uns doch immer fremd, wären nicht unsere Geschichte, nicht die Beschreibung unseres Leids, nicht gerade unser schlimmes Geschick!
Denn meinen wir nicht, dass es mir es besonders hart ergeht?
Das eigene Leid ist das größte.
Darum fällt es gerade uns so schwer, einen Sinn in unserem Leid zu entdecken!
Und dann geht es doch auch immer um die Frage meiner Gerechtigkeit:
Ganz und gar unmöglich erscheint es uns, dass in dieser Welt irgendeine Rechnung offenbleiben könnte: Krankheit, Leid, Behinderung müssen ihren Ausgleich finden!
Gute Taten, Liebe, aufopfernde Pflege müssen belohnt werden!
Das kann, das darf nicht sein, dass einer stirbt, ohne dass er noch die Frucht seiner Mühe um die Mitmenschen geerntet hat!
Und umgekehrt: Wir können nur schwer verstehen, ja, es nährt unseren Zweifel an der Gerechtigkeit Gottes, wenn einer seines ganzes Leben über nur Behinderung oder Not tragen muss;
oder wenn ein Leben vorbei ist, noch ehe er oder sie richtig zu leben begonnen hat.
Wir wissen aber, dass denen die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen...
Noch einmal: Wissen wir das wirklich?
Es ist vielleicht hilfreich, wenn wir hier doch den ganzen Vers hören, auch noch seinen Rest: ...denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind.
Es geht um eine Berufung!
Es steht also noch etwas aus - und mehr als dieses Leben!
Und wenn wir uns noch ein wenig weiter in diesen Worten umschauen, die wir vorhin gehört haben, dann entdecken wir noch andere Hinweise:
Von Christus als dem Erstgeborenen unter vielen Brüdern ist da die Rede.
Wofür sollte Christus zuerst geboren sein, wenn nicht für die Auferstehung, für Gottes neue Welt?
Und von verherrlicht wird hier gesprochen.
Was sollte diese Herrlichkeit anderes sein, als das Ewige Leben, von dem wir im Glaubensbekenntnis zeugen?
Und die Heiligen werden hier genannt und es sind Christen wie du und ich gemeint, aber eben Gott geheiligte Menschen, die er nicht dem Tod überlassen wird, die er vielmehr für immer in seiner Nähe haben will.
Vielleicht wird jetzt deutlich, dass unsere Sicht meist zu kurz ist, wenn wir solche gewaltigen Worte hören:
Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen...
Dabei nur auf dieses Leben zu schauen, ist zu wenig!
Nun die Spanne zwischen Geburt und Tod zu wägen, mit ihr zu rechnen und Gut und Böse darin zu verrechnen, ist zu wenig!
Wir sind berufen zu einem ewigen Leben.
Wir haben eine unaussprechliche Herrlichkeit vor uns.
Wir sind Gott heilig, er lässt uns nicht verloren gehen!
Liebe Gemeinde,
sehen wir das, was wir erfahren, auch die schlimmsten Schicksale, vor diesem Hintergrund der Ewigkeit.
Lassen wir uns den Blick auf Gottes Ewigkeit nicht verbauen, durch Mauern, die wir Menschen uns machen.
Wir Menschen sind endliche und begrenzte Wesen, die leicht den Überblick und die Sicht auf die großen Dinge verlieren.
Lassen wir uns immer wieder Gottes Sichtweise vor Augen führen.
Den Blick auf das ganz große Ziel, die Ewigkeit.
Es ergibt ein anderes Urteil, wenn ich beim Tod eines Menschen den Strich ziehe und die Summe darunterschreibe, oder wenn ich die Rechnung in eine herrliche Zukunft hinein offenlasse!
Ich weiß wohl, unsere so diesseitig orientierte Welt, macht es uns schwer, dieses zukünftige Leben in unser Denken einzubeziehen.
Gottes neue Welt spielt ja einfach keine Rolle mehr in den gesellschaftlichen Bezügen, in denen wir stehen.
Wo wird denn heute - außer in den Kirchen vielleicht - von der herrlichen Aussicht gesprochen, auf die wir Christen uns freuen dürfen?
Und wo - außer beim Abschied an den Gräbern - lassen wir diesen Gedanken wirklich in uns eindringen, dass wir ihn ernstnehmen, dass wir uns ganz fest auf ihn verlassen, dass wir ihn - glauben?
So will ich jetzt diesen Vers noch einmal sagen und ihn dabei ganz klar und ausdrücklich vor den Hintergrund der Hoffnung stellen, die uns verheißen ist:
Wir wissen, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen...
Denn wir sind berufen, ewig zu leben.
Wir sind Gott heilig, niemals wird er uns dem Tod überlassen!
Wir sollen in einem Leben, das nicht enden wird, verherrlicht werden, wie schon Christus, der Erstgeborene vieler Brüder verherrlicht ist!
Spürt ihr, wie das unser ganzes bisheriges Denken und Dünken verändert?
Spürt ihr, wie sich jetzt alles Leben, alles Leid und alle Behinderung in dieser Welt anders ansieht?
Wenn eine Ewigkeit bei Gott aussteht, dann kriegt noch die schwerste Krankheit ein kleineres Gewicht!
Wenn wir zu mehr als dieser Zeit zwischen Geburt und Tod berufen sind, dann wiegt die Spanne Leben, die nach unserem Gefühl meist „viel zu kurz war“, viel leichter: Der Mensch, der so früh hat gehen müssen, hat doch jetzt eine große, herrlich Zukunft vor sich!
Ja, man könnte es vielleicht sogar einmal so sehen: Nach nur so kurzer Erdenzeit schon verherrlicht!
Kaum in dieser Welt leben müssen, und schon heimgehen dürfen!
Aber, wie gesagt, das fällt uns schwer, so zu denken!
Aber wir dürfen es!
Wir sollen es!
Das ist der Sinn dieses Verses: „Wir wissen, dass uns alle Dinge zum Besten dienen müssen!“
Das Beste kommt noch!
Wir sind berufen.
Die Herrlichkeit bei Gott wird alles anders, vielleicht fad oder unwichtig erscheinen lassen, was uns hier so Gedanken macht, so beschäftigt und vielleicht ungerecht vorkommt.
Dieser Glaube ist nicht leicht.
Er ist eine Zumutung.
Aber er ist möglich und er ist wahr – Denn Gott hat es gesagt. Gott will es.
Ich wünsche uns, dass wir das für uns ganz persönlich glauben können: Alle Dinge, die wir erleben, auch die schwersten, müssen uns dienen!
Nichts und niemand kann die Verheißung zunichtemachen: Im Glauben sind wir für eine Ewigkeit bestimmt!
Amen.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.