17.11.2021 - "Nimm dich nicht zu wichtig!" - Predigt am Buß- und Bettag zu Römer 2,1-11 (Pfr. Fischer)

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

 

Das Predigtwort für den heutigen Buß- und Bettag steht im Brief des Paulus an die Römer im 2. Kapitel:

Darum, o Mensch, kannst du dich nicht entschuldigen, wer du auch bist, der du richtest.
Denn worin du den andern richtest, verdammst du dich selbst, weil du ebendasselbe tust, was du richtest.

Wir wissen aber, dass Gottes Urteil recht ist über die, die solches tun.

Denkst du aber, o Mensch, der du die richtest, die solches tun, und tust auch dasselbe, dass du dem Urteil Gottes entrinnen wirst?

Oder verachtest du den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmut?
Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Buße leitet?

Du aber mit deinem verstockten und unbußfertigen Herzen häufst dir selbst Zorn an auf den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes,
der einem jeden geben wird nach seinen Werken:
ewiges Leben denen, die in aller Geduld mit guten Werken trachten nach Herrlichkeit, Ehre und unvergänglichem Leben;
Ungnade und Zorn aber denen, die streitsüchtig sind und der Wahrheit nicht gehorchen, gehorchen aber der Ungerechtigkeit;
Trübsal und Angst über alle Seelen der Menschen, die Böses tun, zuerst der Juden und ebenso der Griechen;
Herrlichkeit aber und Ehre und Frieden allen denen, die Gutes tun, zuerst den Juden und ebenso den Griechen.

Denn es ist kein Ansehen der Person vor Gott.

 

Liebe Gemeinde!
wie oft am Tag entschuldigst du dich?

„Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche!“

„Entschuldigung, können Sie mir sagen... ?“

Es hat sich im menschlichen Zusammenleben eingespielt, dass wir uns entschuldigen, wenn wir das Wort ergreifen, wenn wir jemand unterbrechen, wenn wir beim Gehen mit jemand zusammenstoßen.

 

Die Entschuldigung, ist zunächst eine höfliche Umgangsform – und es ist allemal besser, „Entschuldigung“ zu sagen, als zu wettern: „Können Sie denn nicht aufpassen!“

Und auch da, wo Menschen einander etwas angetan haben, wo sie durch Worte und Taten einander weh getan haben, ist es gut, um Entschuldigung zu bitten - und sie dann auch zu gewähren.

Wir wissen alle, wie schlimm es ist, wenn mir die Vergebung nach der Bitte um Entschuldigung nicht gewährt wird.

Da bleibt die Schuld und drückt auf die Seele wie eine schwere Last auf die Schultern.

Da bleibt etwas, das uns trennt.

Es ist für unser Leben notwendig und heilsam, dass wir uns entschuldigen können und dass uns auch Verzeihung gewährt wird.

 

Es gibt aber auch eine Art sich zu entschuldigen, die eher eine Ausrede als eine Bitte um Verzeihung ist.

Da wird eigentlich nicht erwartet, dass Schuld vergeben wird, weil auch keine Schuld, kein Versäumnis, kein Fehler eingestanden wird.

Ziel einer solchen Entschuldigung ist es nicht, die Vergebung des anderen zu erbitten, sondern sich selbst herauszureden, die Schuld wegzuschieben oder zu verharmlosen.

Ich mache hier auf den kleinen aber feinen Unterschied aufmerksam, der in der Formulierung liegt:

„Ich bitte um Entschuldigung“, oder: „Ich entschuldige mich“ – beides steckt in dem oft nur allein gesagten Wort „Entschuldigung“.

Das eine bittet um Entschuldigung, das andere entschuldigt sich selbst.

 

Paulus schreibt: Darum, o Mensch, kannst du dich nicht entschuldigen,...

Er will damit nicht eine ehrliche Bitte um Vergebung abschlagen.

Er entlarvt vielmehr Entschuldigungen der Menschen als unechte Entschuldigungen, als Ausreden; er überführt uns, dass wir uns oft herausreden wollen aus unserer Schuld und Sünde.

Wir wollen die Schuld durch Ausreden und Ausflüchte, durch Vorwürfe und Urteile an andere loswerden, anstatt umzukehren.

Dazu sagt Paulus in aller Schärfe: ... du kannst dich nicht entschuldigen, wer du auch bist, der du richtest.

 

Paulus hat vor allem zwei unechte Entschuldigungen im Blick:

Zum einen die Entschuldigungen, die von den eigenen Verfehlungen ablenken sollen: Man zeigt auf andere und verurteilt andere.

Weil es weh tut zuzugeben, dass ich etwas versäumt oder falsch gemacht habe, dass ich etwas auf dem Gewissen habe, rede ich mich heraus, zeige mit dem Finger lieber auf andere.

Ein Urteil über andere: „Was der gemacht hat, ist doch viel schlimmer!“

Oder eine Ausrede wie: „Das machen doch alle so“, geht schnell über die Lippen; und es lenkt ab von dem, was man selbst falsch gemacht oder versäumt hat.

Wer sich herausreden kann, braucht sich nicht wirklich zu entschuldigen; er muss in seinem Leben nichts verändern, muss nicht umkehren, braucht keine Buße.

Ein Urteil über andere entlastet; wahrscheinlich wird in der Öffentlichkeit so schnell und so viel geurteilt, weil man dadurch gut vom eigenen falschen Verhalten ablenken kann.

Eine Gesellschaft, die nur das Urteil über andere kennt, schafft Bußtage ab und will von Beichte und Abendmahl nichts mehr wissen.

Denn, wenn eh die anderen Schuld, brauch’ ich mich nicht entschuldigen zu lassen, auch von Gott nicht.

 

Die andere unechte Entschuldigung, die Paulus nicht gelten lassen will, bezieht sich auf vermeintliche Privilegien.

Immer wieder wird Umkehr und Veränderung dadurch verhindert, dass Menschen meinen, schon besser zu sein als andere.

Die Pharisäer werden uns in der Bibel als ein tragisches Beispiel vor Augen geführt.

Der Pharisäer geht in den Tempel und betet: „Hab' Dank, dass ich nicht so bin, wie dieser Sünder.“

Er urteilt über andere und verkennt damit seine eigene Schuld.

Gerade Menschen, die besonders ernsthaft als Christen leben und glauben, scheinen hierfür anfällig zu sein.

Sie sind so überzeugt von ihrem Glauben und ihrem Tun, dass sie den Blick für das eigene Verfehlen und Schuldigwerden verlieren.

 

Das ist die Gefahr: Wir verlassen uns in falscher Weise auf Gottes Güte, Geduld und Langmut und meinen so, vom Ruf zur Umkehr, vom Ruf zur Buße nicht betroffen zu sein.

Paulus schlägt beide Sicherheiten aus der Hand.

Vor Gott kann sich keiner rausreden - weder mit Urteilen über andere noch mit irgendwelchen religiösen oder moralischen Vorzügen.

Vor Gott gibt es kein Ansehen der Person.

Da zählt nicht, was andere auch falsch machen, was andere Schlimmeres tun.

Da kann man sich auch nicht auf Gottes Geduld und Güte berufen.

Eine Schwamm-drüber-Haltung gibt es bei Gott nicht.

 

Paulus fragt ja: Oder verachtest du den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmut?

Wer meint, die Umkehr, die Buße nicht oder nicht mehr nötig zu haben, der nützt Gottes Güte aus. 

In frommer Überheblichkeit beruft er sich auf die Liebe, die Barmherzigkeit oder die Vergebungsbereitschaft Gottes und sieht nicht, dass gerade Gottes Güte ihn auch zur Buße leiten will.

Wir können uns nicht entschuldigen.

Was aber dann?

Die Rede des Apostels Paulus überführt uns.

Und deshalb wirkt sie erschreckend.

Es scheint keinen Weg zu geben, dem strengen Urteil Gottes zu entgehen.

Dass wir dabei zugeben müssen, dass Gottes Urteil gerecht und wahr ist, macht die Sache für uns nicht einfacher.

Aber Paulus treibt uns nicht in die Enge, um uns in der Verzweiflung dann sitzen zu lassen. 

Vielmehr steht im Zentrum unseres Predigtwortes ein Hoffnungssatz, der einen Ausweg aufzeigt.

Dieser Hoffnungssatz ist gerade keine Ausrede, auch keine Ausflucht.

Er ist eine echte Chance umzukehren und neu anzufangen.

 

Paulus fragt seine Hörer: Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Buße leitet?

Es gibt einen Weg für uns.

Dieser Weg geht aber im wörtlichen Sinn in eine andere Richtung.

Wenn es in unserer Bibelübersetzung „Buße“ heißt, dann ist damit nicht Selbstbezichtigung oder Demütigung gemeint, sondern „Umkehr“, also:
Abkehr von meiner Ich-Bezogenheit und Hinwendung zu Gott.

Buße heißt bekenne, dass Gott der Herr ist, der mich recht führt und leitet, weil seine Wege gut und gerecht sind.

Er ist heilig, ich bin Sünder.

Jesus hat diesen Weg gewiesen, als er verkündigte: Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Kehrt um und glaubt an das Evangelium.

Es ist die Güte Gottes, die uns immer wieder die Buße, die Umkehr ermöglicht.

 

Gott sei Dank haben wir wenigstens noch die offiziellen Gedenktage der Buße: Den Buß- und Bettag, auch wenn er kein staatlicher Feiertag mehr ist.

Aber vielleicht sagt das ja auch etwas über die Selbstgerechtigkeit in Staat und Politik aus.

Bußtage sind damit Umkehrtage - oder wenn wir auf die althochdeutsche Bedeutung von „Buße“ zurückgreifen: Besserungs- oder Heilungstage.

Bußtage sind Tage, an denen wir uns der Güte Gottes erinnern.

Wir können umkehren auf einen anderen Weg; wir können aus Gottes Liebe ein besseres, ein geheiltes Leben führen.

Gott schafft einen Ausweg, er nimmt die Last von unseren Schultern und gibt damit unserem Leben eine neue Richtung.

So verstanden sind Bußtage keine Trauertage, sondern weil es da mit uns besser und heiler werden kann.

Es ist eine von Gott gewährte Chance, dass der Glaubens-Baum wieder gute Früchte bringen kann.

Buße bleibt eine ernsthafte Angelegenheit.

So ernsthaft und wichtig, dass Martin Luther sagen konnte, jeden Tag in der Buße zu begehen und zu leben.

 

Denn auch mit der Buße, mit der Umkehr entgehen wir nicht dem Gericht Gottes.

Es wird am Ende der Tage offenbar werden, was wir getan haben und was wir unterlassen haben.

Die Wirkungen, die Früchte unseres Lebens werden uns vor Augen kommen und sichtbar werden.

Und das kann wohl auch unendlich weh tun, wenn wir so manche Frucht unserer Taten sehen.

Es tut ja auch in diesem Leben schon weh, wenn wir erkennen müssen, was wir anderen zugefügt haben, wo wir etwas schuldig geblieben sind, was bei unserem Tun herausgekommen ist.

 

Das Gericht Gottes ist aber auch für die Menschen, die zu Opfern geworden sind, ein Trost und eine Hoffnung, weil die Taten und Untaten gerichtet werden, weil ihnen Gerechtigkeit zuteilwird.

Auch als Christen werden wir dem Gericht Gottes nicht entgehen.

Wir können uns nicht mit falschen Entschuldigungen herausreden.

Doch ein Leben in der Buße,
dass in der Verantwortung vor Gott gelebt wird,
dass sich immer wieder auf sein Fehlverhalten gegenüber Gott und den Mitmenschen prüft,
dass dann Gott von Herzen um Entschuldigung bittet,
dieses Leben braucht sich vor dem Gericht Gottes nicht zu fürchten.

Es durchlebt ja schon ständig das Gericht, und wird freigesprochen!

 

Lasst uns immer wieder umkehren zu einem neuen Leben im Vertrauen auf Gottes Güte.

Denn Herrlichkeit aber und Ehre und Frieden allen denen, die Gutes tun, zuerst den Juden und ebenso den Griechen.

Denn es ist kein Ansehen der Person vor Gott.

Amen.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.