26.12.2021 - "Weihnachten profan und heilig" - Predigt am 2. Weihnachtstag zu Hebräer 1,1-4 (Pfr. Fischer)

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

 

Den Predigtabschnitt für den heutigen 2. Weihnachtstag hören wir aus dem Hebräerbrief, Kapitel 1, Verse 1-4:

1 Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten,
2 hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn, den er eingesetzt hat zum Erben über alles, durch den er auch die Welt gemacht hat.

3 Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens und trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort und hat vollbracht die Reinigung von den Sünden und hat sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe

4 und ist so viel höher geworden als die Engel, wie der Name, den er ererbt hat, höher ist als ihr Name.

 

Liebe Gemeinde,

Ein Kind ist geboren.

Alle warten auf den ersten Schrei oder zumindest auf einen ersten Laut.

Alle wissen: Wenn das Kind schreien kann, dann kann es atmen, dann lebt es.

Gott sei Dank!

Monate dauert es dann, bis das erste richtige Wort aus dem Kindermund kommt. Mama meist oder Papa.

Urlaute, Ausdruck der engen Beziehung von Eltern und Kind.

Irgendwann kommt die Zeit, dass die Kinder nicht mehr aufhören zu reden und zu fragen;
sie lernen schnell, dass sie mit dem, was sie sagen, die anderen zum Lachen bringen können oder auch verletzen.

 

Sich ausdrücken können, sich mitteilen, über Gefühle reden, über verschiedene Standpunkte diskutieren, miteinander streiten, gemeinsam Halleluja singen - all das gehört zum Menschsein dazu.
Es macht unser Leben aus, dass wir mit anderen in Kontakt kommen und kommunizieren.

Nicht nur mit Worten, sondern auch mit Händen und Füßen, mit dem Ausdruck unseres Gesichtes und mit unserem ganzen Körper.

Miteinander reden.

 

Gott hat geredet.

Gott hat zu uns geredet mit dem ersten Schrei des Neugeborenen in der Krippe in Bethlehem, er hat zu uns geredet durch seinen Sohn Jesus Christus.

Wenn Jesus redet, zu den Menschen spricht, sie tröstet, ihnen wieder neuen Lebensmut gibt oder auch wenn er mit ihnen streitet und diskutiert, dann hören wir, auch Jahrhunderte später, Gott in ihm und durch ihn.

Und wenn Jesus handelt, wenn er Menschen heilt oder die Wechseltische im Tempel umwirft, dann sehen wir darin Gottes Handeln.

 

Christus und Gott sind eins, das will der Schreiber des Hebräerbriefes sagen.

Dabei richtet seinen und unseren Blick nicht hinunter zur Krippe im Stall, sondern hinauf in den Himmel.

Dort sitzt er zur Rechten Gottes.

Vorgestern, in der Heiligen Nacht haben wir den Anfang gefeiert, das neugeborene Kind, den Sohn Gottes.

Wir haben darüber gestaunt, wie klein und angreifbar Gott in dieser Geburt geworden ist – Gott in Windeln gewickelt.

Wie jeder und jede von uns ist Jesus unter den Schmerzen seiner Mutter zur Welt gekommen.

Und das heißt: Er gehört zu uns, er ist einer von uns, er kam in die Welt, er kam zur Welt.

Heute weitet sich dank des Hebräerbriefes unser Blick, geht hinauf in den Himmel, bis zum Anfang der Welt und bis zu den Enden der Erde.

Jesus Christus ist eben auch der ganz Andere, der menschgewordene Gott, der Heilige.

Gott ist unfassbar im wahrsten Sinne des Wortes, er ist größer und herrlicher, als wir uns vorstellen können.

Das Kind in der Krippe ist uns vertraut, aber Weihnachten, das Christfest bedeutet eben mehr:

„Friede auf Erden“ ist nicht zu haben ohne das „Ehre sei Gott in der Höhe“.

 

Vielleicht geht es Euch so wie mir:

Ich habe diese Worte, diesen Hymnus des Hebräerbriefes bestaunt, habe wohl bemerkt, wie wichtig dem unbekannten Briefschreiber die Vorstellung ist, dass Jesus Christus der Anfang und das Ende ist;
ich habe wohl wahrgenommen, dass er versucht, die Herrlichkeit Gottes in Worte zu fassen.

Aber ich habe einige Zeit gebraucht, bis ich gemerkt habe, dass das, was ich da im Hebräerbrief gelesen habe, auch mit mir, mit uns heute zu tun hat:

Gott hat zu uns geredet durch seinen Sohn.

Gott hat geredet, das heißt: Er spricht uns an, will uns etwas sagen, mit uns in Kontakt kommen.

Es geht nicht um eine himmlische Inszenierung seiner Macht und Herrlichkeit, das hat Gott gar nicht nötig.

Es geht um uns Menschen.

Zuerst um die Menschen damals, die viel näher dran waren am Leben und auch am Sterben des Sohnes Gottes.

 

Und es geht dann um uns heute:
Zu uns und mit uns redet Gott.

Wir heute leben anders als die Menschen damals: Einerseits teilen wir mit ihnen ihre Endzeitstimmung, bedingt durch die globalen Krisen, die uns schwer beschäftigen: Pandemie und Klimawandel, um nur zwei zu nennen.

Wir fühlen wie bedroht unsere Existenz ist.

Das zeigt uns unsere Angst vor dem gefährlichen Virus.

Das zeigt uns auch unsere Angst, dass wir selbst der Welt ein Ende setzen können durch unseren Raubbau an der Natur, durch Krieg und Terror.

 

Wir Christen wissen noch um eine andere Gefahr:

Unser Leben ist auch bedroht durch unser eigenes persönliches Unvermögen, und durch unsere Schuld.

Wir wissen, wir brauchen Gott, der uns befreit und wieder aufrichtet.

Wir suchen deshalb die Nähe Gottes hier in der Kirche oder zuhause im Gebet, im Lesen der Heiligen Schrift.

Wir fragen nach Gott, reden zu ihm, hören auf ihn.

An Weihnachten zeigt sich diese Sehnsucht besonders – auch wenn die Kirchen nicht mehr so voll sein durften, wie sonst gewohnt.

Uns berührt das Wunder, das Gott uns bereitet hat im Kind in der Krippe.

Gott wird Mensch – diese Botschaft wollten wir hören.

Auch wenn ganz viel am Weihnachtsfest heute Kommerz und Geschäft ist, die Sehnsucht nach Geborgenheit, nach Gemeinschaft, nach Beschenktwerden ist geblieben.

 

Heute, zwei Tage später, kehren wir langsam wieder zurück in unsere Normalität.

Und es bleibt bei vielen der Wunsch, sich vom Wunder der Weihnacht etwas zu bewahren, hinüberzuretten in den Alltag und in das neue Jahr, das auf uns wartet.

 

Dazu braucht es aber mehr als ein niedliches Kind in der Krippe.

Wir dürfen Gott nicht auf das Kleinkind beschränken – auch wenn dieses Wunder der Menschwerdung wichtig ist.

Es ist erst der Anfang.

Die Geschichte Gottes mit uns geht noch weiter.

Des steckt auch mehr drin als das Kind in der Krippe.

Weihnachten ist das Christfest, das Christusfest.

Gott hat durch Christus zu uns geredet.

Christus ist der Glanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens.

Durch Christus bekommen wir eine Ahnung, wie Gott wirklich ist.

Gott will, dass wir ihn erkennen, wenn wir Jesus Christus betrachten.

Moses musste sich noch verstecken, weil er die Herrlichkeit Gottes nicht ertragen konnte.

In Jesus Christus ist sie anschaubar geworden, hat sie menschliche Gestalt gewonnen.

Die Herrlichkeit Gottes ist sichtbar schon im neugeborenen Kind wie dann auch im geschundenen Körper am Kreuz.

 

Das alles ist eigentlich unfassbar, weil wir Mensch halt nicht Gott sind – wir können’s nicht begreifen, so einfach ist das.

Aber wir bekommen eine Ahnung, ein Gefühl davon, wie gut es Gott mit uns meint.

Wie Gott um unser Vertrauen, um unsere Liebe, ringt.

Nicht arrogant von oben, sondern in der Niedrigkeit unseres Daseins.

Wie wir ist Jesus geboren und ärmlich und elend ist er gestorben und er hat vollbracht die Reinigung von den Sünden, so drückt es der Hebräerbrief aus.

Deshalb ist er Mensch geworden, deshalb feiern wir bis heute Weihnachten, das Christusfest.

Nicht nur die Herrlichkeit Gottes ist sichtbar in Jesus Christus;
er ist vielmehr ein Ebenbild seines Wesens, des Wesens Gottes.

Mit jedem Wort aus dem Munde Jesu, mit jeder Geste und mit jeder Tat redet Gott zu uns; Gottes Wesen wird uns durch Christus erkennbar.

So wie Jesus die Zöllner und Sünder, die Witwen und Waisen geliebt hat, so liebt Gott uns Menschen.

Um uns das zu sagen, ist Gott Mensch geworden.

Und um uns die verschiedenen Facetten seiner Liebe zu zeigen:

Es geht nicht nur darum, den Nächsten zu lieben wie sich selbst.

Es geht um die ganze Ausrichtung des Lebens, um die Umkehr von den falschen Wegen, es geht um Buße, es geht um den Glauben.

 

Liebe Schwestern und Brüder,

Rede und Gegenrede.

Wort und Antwort.

Gott hat zu uns geredet, und was antworten wir?

Denn das gehört ja zu einer echten Beziehung dazu, dass miteinander geredet wird, dass es ein gegenseitiges Geben und Nehmen ist.

Ich denke, eine Antwort geben wir alle hier miteinander, indem wir heute miteinander singen und beten, gemeinsam Gottesdienst feiern.

Das muss man doch feiern, dass Gott Mensch wurde, dass Himmel und Erde sich berühren, dass Jesus Christus alle Dinge mit seinem kräftigen Wort trägt!

Die Fülle des Lebens, die Herrlichkeit Gottes will gefeiert sein.

Dazu brauchen wir unsere Kirchen, dazu brauchen wir heilige Räume; das hat Menschen seit Jahrhunderten dazu getrieben, Kathedralen und Dome zu bauen, die bis in den Himmel ragen.

Aber das ist nur die äußere Hülle.
Viel wichtiger sind die Menschen, die sich im Namen Gottes versammeln, die gemeinsamen Gottesdienste, das Feiern der Fülle und der Herrlichkeit Gottes

Gerade in Zeiten des Mangels brauchen wir solche Texte wie unseren heutigen Predigtabschnitt, die uns mit hineinnehmen in die Herrlichkeit Gottes.

Sicher werden wir in unseren Kirchen in den nächsten Jahren den Gürtel enger schnallen müssen, aber die Fülle des Lebens, das Geheimnis der Menschwerdung Gottes, muss in unserem kirchlichen Handeln sichtbar und spürbar bleiben.

In diesem Sinne eine frohe und gesegnete Weihnachtszeit, ein von Gott und seiner Herrlichkeit erfülltes Leben in Glauben, Hoffnung und Liebe!

Amen.

 

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.