31.12.2021 - "Hoffnungszeichen" - Predigt am 31.12. zu 2.Mose 13,20-22 (Pfr. Fischer)

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

 

Liebe Gemeinde,
wie stehen die Zeichen der Zeit?
Gut oder schlecht?

 

Ach ja, so einfach ist es offenbar nicht mit den Zeichen. Kann ganz schön danebengehen, erst recht, wenn es sich um ein scheinbar göttliches Zeichen handelt.

Nehmen wir zum Beispiel die so genannten „Weltuntergangssekten“ mit ihren Berechnungen des Jüngsten Tages.

Alle lagen sie damit falsch.

Alle düsteren Prophezeiungen beim Millenniumswechsel haben sich nicht bewahrheitet – auch nicht im Jahr 2012.

Sie dienten vor allem dem Zweck, die Leichtgläubigen bei der Stange zu halten.

Oder als anderes Beispiel: das Kreuz an der Kette um den Hals.

Zu welchem Zweck wird es getragen?

Falls, Sie eins umhaben, überlegen Sie doch mal kurz:
Tragen Sie es aus Überzeugung und zur Erinnerung daran, dass das Kreuz Jesu Christi der einzige Weg der Erlösung ist?

Tragen Sie es, weil es Sie vor der Macht des Bösen schützt?

Tragen Sie es, weil es Ihnen Glück bringt?

Tragen Sie es, weil es einfach chic ist?

 

Sie sehen, liebe Gemeinde,
so ganz ohne Zeichen kommen wir offenbar nicht aus.

Es gibt noch viele andere:

Beim Sheriff prangt es an der Lederweste, Ehepaare haben es am Ringfinger.

Das große gelbe M an der Autobahnausfahrt erkennen alle Menschen ab dem Kleinkindalter - und das ist meist ein Zeichen dafür, dass sie jetzt schlagartig einen Riesenhunger auf Pommes haben.

Wer von uns sucht nicht nach Zeichen, nach Hinweisen und Beweisen für all das, was wir nicht sehen können, aber doch gernhaben würden.

Kein Wunder eigentlich, denn so gut wie nichts von dem, was wirklich wichtig ist, können wir sehen, anfassen oder eintüten.

Was wirklich zählt - Liebe, Verständnis, Freundschaft - das lässt sich nicht in einer Schachtel aufs Regal stellen.

 

In einigen Stunden gibt es deutlich sichtbare Zeichen am Himmel – auch wenn das Ballern offiziell untersagt ist.

Die Knaller und Raketen als Zeichen für das anbrechende neue Jahr.

Und Gott?

Was hat der denn für Zeichen?

Haben Sie eins gesehen in den letzten zwölf Monaten?

 

Zu biblischen Zeiten hatte es das Volk Gottes offenbar leichter.

Auch sie haben sich immer wieder von Gott verlassen gefühlt und oft gedacht:

„Jetzt ist er weg, jetzt hat er uns endgültig in die Wüste geschickt!“

Und das mit der Wüste war ja nicht flapsig und symbolisch gemeint, sondern wirklich ganz real.

Nach ihrer Flucht aus Ägypten zogen die Israeliten durch die Wüste und dort waren sie ganz schön orientierungslos.

Was dann geschah - davon erzählt der Predigttext für den heutigen Abend aus dem zweiten Buch Mose im 13. Kapitel.

Ich lese die Verse 20-22:

(20) Die Israeliten zogen aus von Sukkot und lagerten sich in Etam am Rande der Wüste.
(21) Und der HERR zog vor ihnen her, am Tage in einer Wolkensäule, um ihnen zu leuchten, damit sie Tag und Nacht wandern konnten.
(22) Niemals wich die Wolkensäule von dem Volk bei Tage noch die Feuersäule bei Nacht.

 

Richtig gut, oder?

Gott hat sich genau dann gezeigt, als er dringend gebraucht wurde.

Er hat sie nicht hängen lassen und gesagt:

„Nun seht mal zu, wie ihr weiterkommt!“

Nein, er ist bei ihnen geblieben, und nicht nur das.

Er ist ihnen vorangezogen, hat ihnen den Weg gezeigt.

 

Noch einmal die Frage: Haben Sie im vergangenen Jahr Zeichen für Gottes Gegenwart wahrnehmen können?

Hat er Ihnen den Weg gewiesen?

In der Wüste waren die meisten von Ihnen vermutlich nicht, aber mal ehrlich:

Auch in der deutschen Realität des Jahres 2021 konnte man sich doch zuweilen ganz schön desorientiert vorkommen.

Unendliche politische Debatten mit kaum greifbaren Ergebnissen, die Diskussion um die richtigen Maßnahmen gegen das Coronavirus, so deutlich wie nie zuvor die Konsequenzen des Klimawandels, eine Bundestagswahl mit unerwartetem Ausgang – und jetzt och Omikron.

Und dann ist es ja nicht nur das Öffentliche der vergangenen Monate.

Heute, am letzten Abend des Jahres, da wird uns vielleicht noch einmal unsere ganz persönliche Bilanz bewusst: Enttäuschungen, Misserfolge, zerbrochene Beziehungen, womöglich schwere Verluste.

Manch einer sorgt sich um Gesundheit und Auskommen und fragt sich:

„Wie werde ich wohl das nächste Jahr bestehen können? Ist da nicht eine ganze Menge Wüste um mich herum?“

 

Haben Sie ein Zeichen, einen Hinweis auf Gott wahrgenommen?

Oder haben Sie das Gefühl:

„Er hat mich in der Wüste gelassen. Ich habe ihn nicht finden können in all dem, was war.“

Zugegeben, in der richtigen Wüste ist es wohl leichter mit dem Wahrnehmen.

Da gibt es nicht so viel anderes, so verwirrend viele Lichter und Töne.

Mag ja sein, dass wir nicht so genau hingesehen haben.

Oder auch gar nicht mehr damit rechnen, dass Gott überhaupt noch da sein könnte.

Schöne Geschichten sind das in der Bibel, aber heute?

Vielleicht haben wir einfach in die falsche Richtung geschaut, in jedem Unglück des Vergangenen einen Beweis für Gottes Abwesenheit entdeckt.

 

Ich stelle mir vor, wie es wäre, wenn ich mich einfach umdrehe und nach vorne blicke.

Schließlich ist Gott damals in der Wüste ja auch vorangegangen, ist immer schon einen Schritt voraus gewesen.

Gut, auch jetzt könnten Sie einwenden: Es nützt mir gar nichts, wenn Gott so weit voraus ist, dass er mir abgehauen ist, dass ich immer hinter ihm herlaufe und ihn doch nicht erreichen kann.

Trotzdem ist mir diese Perspektive sympathisch: Wenn Gott vor mir hergeht, in Zeichen, die sich oft erst im Nachhinein mit Bedeutung füllen, dann heißt das ja auch: Gott ist schon da, wenn ich ins neue Jahr gehe, er ist schon da in allem, was auf mich zukommt, was mir auch Angst macht.

Er schiebt mich nicht vor sich her, er lädt mich ein ihm nachzugehen.

Und er weiß schon, was mich erwartet.

Er hat bereits erlebt, was für mich erst noch kommt.

Und dann höre ich ihn sagen:

„Es wird gut sein, dein neues Jahr, weil ich schon da bin.

Du musst keine Angst haben, auf mich kannst du dich verlassen.“

 

Liebe Gemeinde, einfach ist unser Leben nie.

Aber das hat Gott uns ja auch nicht versprochen.

Uns nicht und den Israeliten damals auch nicht.

Wer eine Wüste durchquert, und das wird uns wohl auch künftig nicht erspart bleiben, braucht einen Stern vor Augen.

Wohl gemerkt, vor sich und nicht hinter sich.

Können solche Sterne liebe Menschen sein, gute Erlebnisse, Mut machende Erfahrungen, an denen wir uns aufrichten?

Bestimmt!

Und warum sollte es sie nicht immer wieder geben - so, wie es sie doch auch bis heute schon gegeben hat.

Sie könnten sagen:
„Ja, wohl wahr, Gutes und Schönes habe ich erlebt, aber ist das denn wirklich ein zwingender Hinweis auf Gott, ein Beweis für seine Wirksamkeit?“

Zwingend ist es nicht, da hätten Sie Recht mit Ihren Bedenken, aber Glauben heißt ja vertrauen und nicht beweisen.

Es gibt kein Wunder und kein Zeichen, das uns den Glauben abnehmen könnte.
Glauben bleibt Vertrauenssache und darum ein Wagnis.

Genauso ein Wagnis wie die Liebe zu einem anderen Menschen.
In dieser Hinsicht ist die Beziehung zu Gott wie die zu einem anderen Menschen, wie eine Lebensgemeinschaft, eine Liebe.

 

Wir können uns die Liebe gegenseitig ebenso wenig beweisen, wie Gott uns beweisen kann, dass er Gott ist.

Wenn in einer Liebesbeziehung ständig Beweise und aussagekräftige Zeichen eingefordert werden, ist das keine Liebe.

Und wenn wir von Gott verlangen, dass er sich uns ständig beweisen soll, ist das kein Glaube.

„Gib uns ein Zeichen, Gott!“

Ein verständlicher Wunsch, aber letztlich doch nicht das Entscheidende.

Zeichen können Glauben und Vertrauen nicht ersetzen.

Liebe und Mut, Leidenschaft und Geduld - sie kommen aus dem Glauben an den, der uns bewahrt und erhält, heute und auch künftig.

Zeichen sind kleine Hilfen zu all dem.

 

Unser Zeichen ist Kreuz:

Ein Zeichen, das stärkt, ermutigt und Sicherheit gibt!

Am Kreuz nimmt Jesus Christus unsere Schuld auf sich, all das, was uns von Gott trennt.

Ihm können wir aufladen, was uns belastet, was uns sorgt und noch quält.

In der Auferstehung schenkt er uns neues Leben und macht uns zu seinen Kindern.

Wer hierfür eine Adoptionsurkunde sehen will, der darf auf seine Taufe schauen.

Gott wird uns nicht verlassen – auch wenn der Weg steinig sein wird und ich stolpern oder sogar fallen werde.

Gott, der mich liebt, lässt mich nicht zurück; er wird mir wieder aufhelfen – wie mir auch sonst geholfen hat.

Er wird uns nicht zurückweisen – daran erinnert uns die neue Jahreslosung: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen (Johannes 6,37).

Mit dieser Gewissheit gehe ich zuversichtlich in das neue Jahr. Kommen Sie mit?

 

Der Friede, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.