13.02.2022 - "Rühme dich Gottes" - Predigt am Sonntag Septuagesimae zu Jeremia 9,22-23 (Pfarrer Fischer)
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus!
Wir hören das Predigtwort aus dem Propheten Jeremia im 9. Kapitel; ich lese die Verse 22-23:
So spricht der HERR: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums.
Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne,
dass ich der HERR bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden;
denn solches gefällt mir, spricht der HERR.
Liebe Gemeinde!
Rühme dich nicht!
Wenn ich mich in den Medien umschaue, dann habe ich den Eindruck: es herrscht genau das Gegenteil vor.
Selbstdarsteller, Influencer, echte Stars und Möchtegern-Sternchen wetteifern um öffentliche Anerkennung.
Anerkennung, die sich letztendlich auch in Einfluss und barer Münze auszahlen soll.
Weil unsere Medienkultur ein Spiegelbild unserer Gesellschaft ist, mach ich mir echt Sorgen.
Aber ich freu mich momentan auch über die ehrlichen Sportler, die mit fairen Mitteln um die olympische Krone wetteifern – auch, wenn es unter ihnen schwarze Schafe gibt; auch wenn der chinesische Staat dabei sich selbst darstellt.
Selbstdarsteller auch an der Grenze zur Ukraine.
Was soll diese Zurschaustellung von militärischer Macht an der Grenze zu Ukraine?
Warum riskiert da einer den Weltfrieden?
Ich würde ihn gerne in den Arm nehmen und sagen: Wladimir, das hast Du gar nicht nötig! Du bist ein vor Gott geliebter Mensch!
Rühme dich nicht, heißt es da gleich dreimal in unsrem Predigtwort.
Also erstmal ein Wort an die junge Generation:
Gib nicht so an! Bleib cool! Bleib auf dem Teppich!
Das heißt, lass dir nicht raushängen lässt, dass du das beste Zeugnis der Klasse hat; oder dass du aufs Gymnasium gehst und nicht auf die Mittelschule.
Ich glaube, da gibt mir jeder Recht, der Opfer solcher Typen ist: Die Prahler, Aufschneider, Großmäuler gehen einem auf den Senkel.
Aber darf man auch nicht zeigen, was man hat, und wer du bist?
Dass ich mit einer bestimmten Handymarke oder mit Markenklamotten rumlaufe, damit alle sehen, dass ich nicht am Hungertuch nage?
Statussymbole sind das; Dinge, die mich besser aussehen lassen sollen vor den anderen, als ich eigentlich bin.
Warum soll das schlimm sein? Das macht doch jeder!
Jetzt lässt uns Gott durch den Propheten Jeremia ausrichten: Du sollst nicht angeben, weder mit deinen guten Noten noch mit deinen gut trainierten Muskeln noch mit deinen neuen Klamotten.
Das war die Übersetzung für die ab 14.
Jetzt das zweite „Rühme dich nicht für die – sagen wir mal - ab 30:
Du sollst deinen Erfolg nicht zur Schau stellen, weder mit deinem großen Auto, noch mit deinem guten Job, noch mit deiner intellektuellen Überlegenheit, noch mit deiner Macht über deine Untergebenen.
Mit dem dritten „Rühme dich nicht“ für die ältere Generation tu ich mir schwerer, sowohl vom Alter her als auch vom Grad der Weisheit.
Denn ich erlebe die meisten älteren Menschen als Personen mit einem beachtlichen Maß an Weisheit.
Wahrscheinlich weiß man irgendwann eben, dass es nicht der eigene Verdienst ist, wenn man von schlimmen Ereignissen verschont geblieben ist; oder dass Enkelkinder ein großes Geschenk sind;
oder dass die Gesundheit nicht selbstverständlich ist.
Der Weise rühme sich nicht seiner Weisheit, der Starke rühme sich nicht seiner Stärke, der Reiche rühme sich nicht seines Reichtums, schreibt Jeremia.
Warum eigentlich nicht?
Ist es etwas nicht gut, wenn man weise ist oder stark oder reich.
Um es zu werden studiert man doch, und belegt Kurse bei der Volkshochschule, spielt Lotto oder hält sich körperlich und geistig fit.
Niemand wird bestreiten, dass es hilfreich ist, wenn man weise, stark und reich ist.
Und sagt nicht Jesus selbst in der Bergpredigt, das eigene Licht nicht unter den unter den Scheffel zu stellen – aus falscher Bescheidenheit etwa.
Es macht ja auch nicht wirklich Sinn seine Fähigkeiten so zu verstecken, dass sie unerkannt bleiben.
Denn dann können sie ja auch keine positiven Folgen für andere entfalten.
„Rühme dich nicht!“ – wir haben es inzwischen verstanden, denke ich.
Es geht um das Zuviel an Ruhm und Ehre, im schlimmsten Fall um deren Selbstdarstellung.
Ein gesundes Maß an Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen ist richtig und auch wichtig.
Wenn man sich aber selbst rühmt, wenn man sich die eigenen Fähigkeiten heraushängen lässt, dann drängt man andere zur Seite und lässt sie schlecht aussehen, wertet sie ab – das geht ganz von selbst.
Damit wird Druck auf den anderen ausgeübt.
Konkurrenz belebt zwar das Geschäft, aber sie kann leider auch die Beziehungen verderben.
Meine Erfahrung diesbezüglich ist: Je mehr man wert auf sich selbst legt und sich selbst darstellt, desto weniger hört man anderen zu.
Es wird dann an gegenseitiger Wertschätzung mangeln.
Dann werden die, die nur wenig vorzuweisen haben an Weisheit und Stärke und Reichtum leichter gedemütigt werden.
Wer immerzu gedemütigt wird, fängt irgendwann an zurückzuschlagen und das wird für die selbsternannten Weisen und Starken und Reichen, dann durchaus unangenehm.
Was wir also brauchen sind nicht weise, starke und reiche Personen, die ihre Vorzüge zur Schau stellen und dafür um Anerkennung und Zuschauer kämpfen.
Sondern wir brauchen Menschen, die Stärke und Weisheit und ihren Reichtum haben und für andere einsetzen, ohne dafür ständig Applaus zu erwarten.
Und darin erkenne ich die Weisheit des Alters: Es gibt eigentlich nur wenig Grund, stolz zu seine auf die eigene Weisheit und Stärke und Reichtum.
Das meiste davon ist in der Regel nicht unser eigener Verdienst.
Kann ich etwas dafür, dass ich in einem reichen Land wie Deutschland geboren wurde?
Das, was wir sind, verdanken wir zunächst einmal anderen Menschen, wie unseren Eltern, den Anlagen oder günstigen Umständen – und dann erst dem eigenen Fleiß.
Und der glaubende Mensch bekennt: Letztendlich verdanke ich alles Gott.
Deshalb der Appell unseres Predigtwortes:
Wenn du dich schon rühmen willst, dann rühme dich um Gottes Willen!
Dann sprich: Ich bin klug, weil ich Gott erkannt habe und seinen Willen kenne.
Das Gute, das ich empfangen habe ist Gabe und Geschenk Gottes – nicht zuerst mein Verdienst!
Alles Gnade!
Das zu wissen schützt uns vor den Gefahren von Wissen, Macht und Geld:
Je mehr er hat, so mehr er will.
Wissen und Macht und Geld machen süchtig.
Der Ehrgeiz danach frisst einen auf.
Er frisst Lebenszeit.
Denn man jagt Wissen, Macht und Geld hinterher und merkt gar nicht wie das Leben vergeht;
wie alles Zwischenmenschliche im Leben mehr und mehr abstirbt, weil nur noch die eigene Person zählt, und sonst nichts.
Wissen, Macht und Geld allein machen nicht glücklich – diese Einsicht kommt leider oft viel zu spät.
Aber – Gott sei Dank! – bei den meisten kommt sie noch; lieber spät als nie.
Aber warum warten?
Ich glaube, das Leben verläuft anders, bewusster, intensiver und auch glücklicher im Glauben an Gott.
Wenn ich nach Gott suche, erkenne ich meine Grenzen.
Wenn ich mich Gott zuwende, dann erlebe ich, dass ich nicht alles machen kann, und auch nicht alles machen muss.
Dann erfahre ich, dass ich auf andere Menschen angewiesen bin, die mich gernhaben, die mir gerne helfen und zur Seite stehen wollen.
Ich erkenne, dass mir mein Leben und alles was ich bin, von Gott geschenkt wurden.
Was dann entsteht, ist kostbarer als alles selbst gemachte Wissen, ist stärker als alle Macht und aller Reichtum: Mein Leben wird erfüllt von Dankbarkeit und Zufriedenheit.
Eine tiefe innere Dankbarkeit, weil man weiß: Mein Leben mit Gott hat einen Sinn und hat auch ein Ziel.
Es macht Freude, sich von Gott alles schenken zu lassen und mit anderen Menschen zu teilen.
Das Leben wird entlastet von diesem selbstzerstörerischen Streben nach immer mehr und mehr, das doch niemals zufrieden macht.
Wenn Gott mich gefunden hat, dann kann ich diese verzweifelte Suche nach Beachtung und Anerkennung beenden, dann brauche ich das Geltungsstreben nicht mehr.
Dann kann ich es mir sogar leisten, ärmer und dümmer und ohnmächtiger zu sein – dann kann ich zugeben, dass ich immer wieder Fehler mache oder scheitere.
Denn mein Wert und meine Würde sind mir und bleiben mir von Gott geschenkt.
Das ist es, was wir in der Beziehung mit Gott finden können:
Befreiung vom ständigen Kreisen um sich selbst.
Befreiung von Konkurrenzkämpfen, die das soziale Miteinander und mich selbst schädigen.
Dafür schenkt uns Gott Gelassenheit und Vertrauen.
Rühmen wir uns vielmehr, Gott zu kennen, und das, was er für uns getan hat:
Am Kreuz hat er die Schande auf sich genommen, damit wir gut dastehen können.
Rühmen wir uns Gottes, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.