01.05.2022 - "Hast Du mich lieb?" - Predigt zu Johannes 21,15-19 am Sonntag Miserikordias Domini (Pfr. Fischer)
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Das Predigtwort für den heutigen Sonntag hören wir bei Johannesevangelium im 21. Kapitel; Es sind die Verse 15-19:
Als Jesus mit seinen Jüngern Mahl gehalten hatte, spricht er zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als diese? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht er zu ihm: Weide meine Lämmer!
Wieder spricht er zu ihm, ein zweites Mal: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe.
Spricht er zu ihm: Hüte meine Schafe!
Er spricht zum dritten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb? Petrus wurde traurig, dass er zum dritten Mal zu ihm sagte: Hast du mich lieb? und sprach zu ihm: Herr, du weißt alles; du erkennst, dass ich dich lieb habe. Jesus spricht zu ihm: Weide meine Schafe!
Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Als du junger warst, gürtest du dich selbst und gingst, wohin du wolltest, wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und führen, wohin du nicht willst.
Dies aber sagte er, um anzuzeigen, mit welchem Tod er Gott verherrlichen würde. Und als er dies gesagt hatte, spricht er zu ihm: Folge mir nach!
Liebe Gemeinde,
„Liebst du mich?“" Das ist eine von drei Fragen, mit denen Ehefrauen ihre Ehemänner am ehesten auf die Palme bringen können.
Ich will Euch auch die anderen beiden Fragen nicht vorenthalten: „Was soll ich heute anziehen?“
und „Gefalle ich dir noch?“
Nebenbei bemerkt gibt es auch noch die drei nervigsten Fragen der Ehemänner an ihre Frauen.
Die behalte ich aber für mich.
Aber Spaß beiseite! Was auf den ersten Blick eher belustigend wirkt, ist auf den zweiten doch eher eine ernstere Sache.
Diese Fragen werden ja meist nicht aus Jux und Tollerei gestellt, um damit den anderen zu ärgern.
Vielmehr zielen diese Fragen auf ehrliche Komplimente.
Und Komplimente versüßen doch das Zusammenleben. Sie zeigen dem anderen: „Ich nehme dich noch wahr. Du bist mir noch etwas wert.“
Echte Komplimente allerdings - keine bloßen Lippenbekenntnisse.
Und dennoch: Diese Fragen erregen beim Befragten Ärgernis.
So auch die dritte Frage: „Liebst du mich?“
Diese Frage scheint brisanter zu sein, wie die anderen beiden. Sie geht tiefer, sie geht an die Substanz einer Beziehung.
„Liebst du mich?“ - Eine Frage mit Brisanz für beide, den Fragenden und den Gefragten:
Beim ersten kann diese Frage Ausdruck für fehlende Zuwendung und Anerkennung sein. Ein jahre- und jahrzehntelanges Zusammenleben lässt das anfangs Besondere schnell zur Normalität werden.
So auch in der Liebe.
Jeder, der dies bemerkt möchte sich vergewissern: Bedeute ich dem andern noch etwas?
Und auf der anderen Seite ist der Gefragte ja gefordert, Rechenschaft über seine Gefühle abzulegen, und das ehrlich und möglichst gleich.
„Liebst du mich“ - Diese Frage ist bedrängend und vielleicht auch etwas unfair.
Was bleibt den anderes übrig, als zu sagen: „Natürlich liebe ich dich!“
Oft aber keine ehrliche Antwort.
„Liebst du mich?“ - diese Frage hat auch Petrus zu hören bekommen.
Jesus hat sie ihm gestellt, wie wir vorhin gehört haben:
Sie sind beieinander gesessen - endlich wieder vereint. Jesus ist auferstanden von den Toten.
Welche Freude muss da geherrscht haben nach der Zeit der Trauer und der Enttäuschung über seinen Tod.
Sie halten ein gemeinsames Mahl, essen und trinken und sind fröhlich beieinander.
Nach der Mahlzeit wendet sich Jesus Simon zu.
Sie kennen sich gut - sind alte Weggefährten. Simon wird seinen Herrn erwartungsvoll angesehen haben.
Und Jesus fängt an zu sprechen:
„Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als die anderen?“ Wie mag es jetzt in Simon vorgegangen sein? Warum fragt er mich das?
Und was soll diese Anrede? Er redet mich bei meinem vollen Namen an - so förmlich und distanziert!
Was habe ich angestellt?
Und in seiner Unsicherheit schießt es aus ihm heraus: „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe.“
Petrus scheint genau das richtige gesagt zu haben, denn Jesus gibt Petrus einen wichtigen Auftrag: „Weide meine Lämmer!“
Erinnerungen kommen hoch: Hat nicht Jesus von sich gesagt: „Ich bin der gute Hirte.“
Eine große Verantwortung, die Simon übernehmen sollte. Eigentlich ein gerechter Lohn für seine Dienste!
Er war doch immer der erste unter seinen Schwestern und Brüdern.
Er hatte auch immer die größte Klappe von allen.
War er es nicht, der Jesus zuerst als den Messias bekannt hatte?
War er nicht derjenige der als Einziger im Garten Gethsemane gegen die Verhaftung seines Herrn Widerstand geleistet hatte?
War er nicht der mutigste von allen? Und jetzt endlich schien er den gerechten Lohn dafür zu bekommen - Amt und Würde.
Petrus mag gerade so im Schwelgen gewesen sein, da fragt ihn Jesus zum zweiten Mal:
„Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?“ - Was soll das denn jetzt?
Haben wir das nicht gerade geklärt? Und jetzt fragt er mich noch einmal?
Und wie er mich wieder anredet!
Er hat mich doch Petrus, den Felsen, genannt, und jetzt bin ich „nur“ noch der „Sohn des Johannes“?
Und überhaupt, ich habe ihm doch eine klare Antwort gegeben! War sie etwa nichts wert? Ist dann auch der Auftrag wertlos, den er mir gegeben hat?
Und Simon weiß sich keinen anderen Rat, als Jesus dieselbe Antwort noch einmal zu geben: „Ja, Herr, du weißt doch, dass ich dich lieb habe.“
Und Jesus wiederholt darauf seinen Auftrag: „Weide meine Schafe!“ So langsam dämmert es Petrus; wie hieß es doch vom guten Hirten weiter?
„Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe.“
Er flieht nicht vor der Gefahr und lässt die Herde im Stich. O weh, da war doch was!
Und schon stellt Jesus die Frage zum dritten Mal:
„Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb?“
Jetzt bricht es aus Simon heraus. Traurig wurde Simon, heißt es da. Traurig, weil er plötzlich die ganze Tragweite dieser Frage erkennt.
Hatte er, Simon, nicht auch dreimal seinen Herrn verleugnet? Hatte er damals nicht Verrat begangen an der Liebe zu seinem Herrn? Plötzlich ist dies alles wieder gegenwärtig. Die Wut und Enttäuschung über sein Versagen, die Tränen von damals, kommen wieder hoch.
Ja, er Simon Petrus, der Fels, war ins Wanken gekommen, er hatte versagt. Jesus stellte diese Frage zu recht:
Hast du mich lieb?
Und Petrus antwortet wieder - diesmal nicht als Lippenbekenntnis, sondern vom seinem innersten Grund her: „Ja, Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich dich lieb habe.“
Und zum letzten Mal beauftragt ihn Jesus: „Weide meine Schafe“!
Und erst jetzt ist das Vergangene abgehakt, der Makel ist beseitigt.
Drei Anläufe hat Petrus gebraucht, bis das Bekenntnis seiner Liebe zu Jesus vom bloßen Lippenbekenntnis zum Bekenntnis seines Herzens geworden ist. Jesus hat ihm diese drei Anläufe gewährt, behutsam, in einer liebevollen Art.
Er hat ihm nicht einfach Schuld vorgehalten wie ein Ankläger.
Jesus wollte vielmehr, dass Petrus selbst sein erkennt und bereut.
Jesus fragt deshalb nicht: „Hast du mich damals lieb gehabt, als du mich verleugnet hast?“ Sondern er fragt: „Simon, hast du mich denn jetzt lieb?“
Für Petrus wird dadurch die vergangene Schuld annehmbar, weil Jesus nicht verurteilt.
Und - ihm wird eine neue Zukunft eröffnet.
Er bekommt eine neue Chance.
Jesus traut dem Versager noch etwas zu!
Er soll eine wichtige Funktion in der Leitung der Gemeinde übernehmen!
Jesus erinnert Petrus dabei in aller Nüchternheit an die Gefahren dieses Amtes. „Der gute Hirte muss im Äußersten auch bereit sein, sein Leben für die Schafe zu lassen“ - darüber lässt Jesus keinen Zweifel.
Der Ruf Jesu in die Nachfolge ist keine Versicherung gegen Gefahren und Anfechtungen in dieser Welt.
Wer dies glaubt, irrt sich.
Und dennoch - es ist eine lohnende Nachfolge, weil sie dem folgt, der dem Leben und der Liebe zum Sieg verholfen hat, über den Tod hinaus.
Und es ist eine lohnende Nachfolge, weil sie mit getragen wird in der gegenseitigen geschwisterlichen Liebe und Fürsorge.
„Hast du mich lieb?“ - Mit dieser Frage hat alles angefangen;
Auch diese Predigt - als ich versucht habe zu zeigen, wie bei uns Menschen dadurch leicht ein Lippenbekenntnis hervorgerufen werden kann.
Dann der Neubeginn bei Petrus - als sich durch diese Frage für ihn so viel bereinigt hat, und sich eine neue Aussicht für seine Zukunft eröffnet hat.
„Hast du mich lieb?“ Jesus stellt auch uns heute noch diese Frage.
Und er tut dies nicht, um uns irgendein schnelles, unüberlegtes Lippenbekenntnis herauszukitzeln.
Er fordert von uns auch nicht einseitig eine Leistung ab.
„Hast du mich lieb?“ - Diese Frage ist die Frage desjenigen, der aus Liebe für unsere Schuld gestorben ist.
Der freiwillig den Tod für uns auf sich genommen hat, damit wir neues Leben bekommen.
Neues Leben, das frei sein kann von Schuld und Hass.
Gott hat uns Menschen durch sein Wort und seine Tat gezeigt, dass er uns liebt.
Wer anders als er darf uns fragen: „Hast du mich lieb?“
Wie gehen wir mit dieser Frage um?
Sind wir schnell parat mit einer Antwort?
Ich hoffe nicht.
Der Auferstandene will keine schnelle, er will eine ehrliche Antwort.
Keine Lippenbekenntnisse sondern Worte, die vollmächtig werden im Tun des Guten.
Das Hirtenamt ist ein Amt der Liebe und Sorge für den Anderen.
Deshalb sind auch wir alle in dieses Amt gerufen.
Dies kann ganz unterschiedlich aussehen - darauf kommt es nicht an.
Das wichtigste ist, dass wir es tun, im Kleinen wie im Großen.
Dass wir einander in Liebe begegnen, so wie Gott uns in Liebe begegnet ist.
Dass wir uns gegenseitig annehmen, so wie wir sind.
Und dass unser Miteinander als Gemeinde geprägt ist von Liebe und Versöhnung.
„Hast du mich lieb“ - diese Frage des Auferstandenen stellt Gott uns allen.
Er stellt sie uns in Liebe und damit wir uns prüfen. Ich wünsche uns, dass jeder von uns immer wieder neu in Wort und Tat bekennen kann:
„Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe“.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.