25.09.2022 - "Gottvertrauen" - Predigt zu Gal 5,25-6,10 am 15. Sonntag nach Trinitatis (Pfr. Fischer)

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Wir hören den Predigttext aus dem Brief des Paulus an die Galater im 5. und 6. Kapitel:

5,25 Wenn wir im Geist leben, so lasst uns auch im Geist wandeln.
26 Lasst uns nicht nach eitler Ehre trachten, einender nicht herausfordern und beneiden.
6,1 Wenn ein Mensch etwa von einer Verfehlung ereilt wird, so helft ihm wieder zurecht mit sanftmütigem Geist, ihr, die ihr geistlich seid; und sieh auf dich selbst, dass du nicht auch versucht werdest.
2 Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.
3 Denn wenn jemand meint, er sei etwas, obwohl er doch nichts ist, der betrügt sich selbst.
7 Irret euch nicht! Gott lässt sich nicht spotten.
Denn was der Mensch sät, das wird er ernten.
8
Wer auf sein Fleisch sät, der wird von dem Fleisch das Verderben ernten; wer aber auf den Geist sät, der wird von dem Geist das ewige Leben ernten.
9 Lasst uns aber Gutes tun und nicht müde werden; denn zu seiner Zeit werden wir auch ernten, wenn wir nicht nachlassen.
10 Darum, solange wir noch Zeit haben, lasst uns Gutes tun um jedermann, allermeist aber an des Glaubens genossen.

 

Liebe Gemeinde,

 

wisst Ihr, wie es mir ging, als ich den Predigttext das erste Mal gelesen habe?

Ich habe mich an früher erinnert, als ich noch ein Kind war.

Ich höre Erwachsene, einschließlich meiner Eltern, wie sie zu mir sagen:
Tu dies nicht, tu das nicht!
Putz dir die Nase!
Halte dich gerade!
Iss ordentlich!
Zieh dich warm an!
Pass auf, dass du dich nicht erkältest!

Ermahnungen und Aufforderungen, Vorschriften und Verbote sind mir nur so um die Ohren geklatscht.

Und heute erinnere ich mich daran.

Denn Paulus tut mit uns dasselbe, indem er sagt:
Tu dies nicht, tu das nicht!
Wandle im Geist!
Trachte nicht nach eitler Ehre!
Trage des anderen Last!
Tue Gutes!

Das ist ziemlich hart, liebe Gemeinde!

Das klingt nach Überforderung.

Auf den zweiten Blick entdecke ich, wie wichtig das ist, was Paulus da schreibt.

Zwei Sätze ragen für mich aus dieser Aufzählung heraus:

„Einer trage des Anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen“ und: „Was der Mensch sät, das wird er ernten!“

Ich merke, wir sind schlagartig im Zentrum unseres Glaubens angelangt.

Denn worum geht es denn in unserem Glauben?

Doch darum, wie wir vor Gott gerecht werden.

Oder anders gesagt: wie wir in den Himmel, ins Paradies kommen; wie wir nach dieser Welt einen Platz bekommen, wo alles das, was uns kaputt macht, vorbei ist: „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.“ (Offb 21,4)

Also: „Wie werde ich vor Gott gerecht?“

Das war ja auch die große Frage, die Martin Luther in seinen ersten 34 Lebensjahren umgetrieben hat: „Wie werde ich vor Gott gerecht?“

Er hat nach Antworten gesucht.
Er hat um Antworten gerungen.

Zunächst fand er sie in der Bibel, in den Geboten.

Nicht nur den 10 Geboten, sondern allen Geboten. „Wenn ich also diese Gebote halte“, dachte er, „dann müsste es mir doch gelingen, vor Gott gut dazustehen!“

Doch schnell merkt er, dass er es niemals schaffen wird, alle Gebote zu halten.

Es sind zu viele, zu komplizierte, zu schwer zu halten.

Wer kann da noch richtig leben?

Martin Luther lebte zu dieser Zeit ja in einem Kloster.

Da sollte es ihm doch gelingen, dachte er, einen Weg zu Gott zu finden.

Er stürzte sich in das Gebet und die Arbeit, er suchte zu Gott vorzudringen.

Doch immer wieder spürte er seine Grenzen, seine Beschränkungen.

„Na gut“, dachte er, „wenn alles nichts hilft, dann gibt es ja noch den Ablass oder eine Pilgerfahrt nach Rom.“

So kaufte er einen Ablassbrief und nutzte eine Dienstreise nach Rom um auch die Heiligen Städten zu besuchen.

Doch auch das machte ihn nicht glücklich, denn er spürte: „Gerecht vor Gott werde ich so nicht!“
Und so lebt Martin Luther – innerlich zerrissen – weiter und studiert die Bibel.

Eines Tages stolperte er über mehrere Bibelstellen.

Eine haben wir vorhin gehört:

„Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“

Luther überlegte: Was ist eigentlich das Gesetz Christi?

Sind es die 10 Gebote?

Oder versteht man unter dem Gesetz Christi die 248 Gebote und 365 Verbote aus dem Alten Testament; für jeden Tag ein Verbot?

Nirgends in der Bibel ist das Gesetz Christi so belegt, dass es schlicht heißt: „Das Gesetz Christi lautet so und nicht anders“
Martin Luther forschte weiter, er suchte nach dem Gesetz Christi.

Liebe Schwestern und Brüder,

jeder unter uns, der die Frage nach seiner Gerechtigkeit vor Gott ernst nimmt, muss nach dem Gesetz Christi suchen, muss es entdecken, um es erfüllen zu können.

Martin Luther hat es entdeckt; beim Studieren des Römerbriefs ist er auf einen Vers gestoßen, der sein ganzes Denken, ja sein ganzes Leben umkrempeln sollte:

Es sind die Verse 16 und 17 aus dem 1. Kapitel des Römerbriefs:
„Ich schäme mich des Evangeliums nicht, denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben […]. Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben; wie geschrieben steht: »Der Gerechte wird aus Glauben leben.«“

Luther erkannte, dass es niemals sein Verdienst sein kann, vor Gott gerecht zu werden, als in den Himmel zu kommen und ewig zu leben.

Der erste und schwerste Schritt ist loszulassen vom eigenen Ehrgeiz, von der eigenen Machtverliebtheit, von der Ich-Bezogenheit, von dem Zwang, sich alles selbst erarbeiten, erwirtschaften zu müssen.

Allein auf Gott zu vertrauen – darauf kommt es an.

Das heißt glauben: Darauf vertrauen, dass Gott uns seine Liebe und Gerechtigkeit schenkt.

Das ist das Gesetz Christi!

Mehr nicht?

Für uns Deutsche, die doch vieles – vielleicht zu vieles - per Gesetz und Verordnung geregelt haben wollen, für uns klingt das etwas zu einfach, oder!

DIN, CEN, ISO geben Normen vor, schaffen Sicherheit.

Man weiß, was man hat und wie mer dran is.

Einfach nur Glauben ist nicht so einfach!

Was die Bibel meint, ist:

Glaube an Gott, Vertraue ihm – das ist der Anfang.

Ein Anfang, der weitreichende Folgen für mein Leben hat.

Das zu verstehen, hilft mir die Bibelstelle, wo einer zu Jesus kommt und Jesus fragt: Meister, was muss ich tun, dass ich nach dem Tod in den Himmel komm?

Bei Lukas im 10. Kapitel finden wir die Antwort, die Jesus darauf gibt:


Was steht im Gesetz geschrieben? Was liest du? Er antwortete und sprach: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst« (5.Mose 6,5; 3.Mose 19,18). Er aber sprach zu ihm: Du hast recht geantwortet; tu das, so wirst du leben.“

Als dann der Schriftgelehrte nachfragt, wer denn sein Nächster sei, erzählt Jesus die Geschichte vom barmherzigen Samariter als Beispiel.

Das Gesetz Christi besteht also aus diesen zwei Sätzen:
„Du sollst Gott lieben aus vollstem Herzen!“ und:
„Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!“

Was heißt das für unser Leben?

Wie sieht Liebe zu Gott und Liebe zum Mitmenschen denn konkret aus?
Liebe Schwestern und Brüder,
ich denke, wohl jeder unter uns war schon mal so richtig verliebt oder wird’s irgendwann mal sein.

Wir war das denn dann?

Man sucht doch die Nähe des anderen.
Man möchte die ganze Zeit mit ihm zusammen sein.
Man möchte alles Böse und Schlimme von ihm abhalten.
Man möchte im jeden Wunsch von den Augen oder den Lippen ablesen.

Wer richtig verliebt ist, der will dem Anderen nix Böses. Er will nur das Gute für ihn.

So ist es mit dem Gesetz Christi: Wer Gott liebt und wer seinen Mitmenschen liebt, der stellt sich nicht gegen sie.

Er wird so leben wollen, dass es Gott und den Mitmenschen gefällt.

Für mich heißt das z.B.:

Ich muss andere Menschen nicht mehr provozieren,
ich muss nicht mehr andere Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Religion oder ihrer Gesinnung abkanzeln und anfeinden.
Im Glauben an Gott sehe ich meine Mitmenschen so wie mich Gott sieht:

Mit seinen Augen der Liebe und Barmherzigkeit,
weil Gott ja zu allererst das Gute für mich will,
weil Gott ja mir zu allererst gnädig ist, mich in allen Lebenslagen stärkt, tröstet und wieder auf die Beine stellt; also kurz:
Weil Gott mich von Anfang an, vom Beginn meines Lebens an bedingungslos liebt, also ohne Wenn und Aber!

Das meint Paulus, wenn er uns ermahnt:
Erfüllt das Gesetz Christi.

Und dann warnt er uns Paulus auch noch fairerweise vor den Folgen, wenn wir uns nicht ändern:
„Was der Mensch sät, das wird er ernten!“

Wer immerzu andere Menschen anpöbelt, der braucht sich nicht zu wundern, wenn zurückgepöbelt wird.

Wer dagegen freundlich ist, der wird auch häufiger freundlich behandelt.
„Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es wieder heraus“ – heißt ein Sprichwort.

Aber eben auch: Die Liebe die du anderen gibst, wird erwidert werden – die kommt zurück; klar nicht immer, aber immer wieder und immer öfter.

Lassen wir uns von der Welt und ihren Regeln der Macht und des Erfolgs und des Kampfes und des Egoismus nicht totquatschen.

Bleiben wir hoffnungsvoll!

Bleiben wir als Christen glaubhaft!

Setzen wir ein Zeichen gegen die zerstörerischen Mächte!

Ein Zeichen unseres Gottvertrauens. Amen.


Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle menschliche Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.