18.12.2022 - "Ja zur Freude" - Predigt am 4. Advent zu Phil 4,4-7 (Pfarrer Fischer)

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Wir hören das Predigtwort aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Philippi, Kapitel 4, die Verse 4-7:


Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch!
Eure Güte lasst kund sein allen Menschen!
Der Herr ist nahe!
Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden!
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

 

Liebe Gemeinde,

Amen, sagt man an der Stelle meist, weil es ja der Satz ist, der am Ende der Predigt gesprochen wird.

Amen, das heißt, „So ist es“ oder „So sei es!“

Aber soweit sind wir noch nicht.

Heute lassen wir uns ein bisschen Zeit bis zu dem Amen und sagen es dann hoffentlich umso bewusster.

Wozu sollen wir den Amen sagen?
Mir ist dazu eine kleine Anekdote aus den 50-er Jahren in die Finger gekommen:

Mündliche Examensprüfung:

Der Student der Theologie war aufgeregt.

Die Bibelkundeprüfung stand an.

Die Prüferin war eine gefürchtete Generalstochter.

Und nun sollte er in die mündliche Prüfung bei ihr.
Da saß er vor ihr.

Nach einer förmlichen Begrüßung stellte sie ihm gleich die erste Frage: „Sagen Sie mal, was steht denn so im Philipperbrief?“
Der Student überlegte eine Weile.

Dann sagte er „Freuet euch!“
Das war zwar richtig.

Aber die Prüferin war nicht ganz zufrieden, wie Prüfer so sind.

Und so hakte sie nach: „Ja, das ist richtig. Was steht denn noch so im Philipperbrief?"

Wieder überlegte der Student eine Zeit lang.

Dann schließlich kam er mit der Antwort:
„Und abermals sage ich: Freuet euch!“
Damit war alles gesagt.

Der Student war Eberhard Jüngel, wurde später übrigens ein berühmter Theologieprofessor.


Freude!

Und wenn Ihr, liebe Gemeinde, jetzt sagt, dass das viel zu selten vorkommt – richtig!
Freuet euch in dem Herrn allewege.

Allezeit, kann man auch übersetzen.

In jeder Lage, überall.
In der Übersetzung der VOLX-Bibel hört sich das so an: „Leute, ihr könnt echt abgehen vor Freude, weil ihr mit Jesus lebt! Ich schreib das jetzt noch mal: Geht ab vor Freude, weil ihr zu Jesus gehört!“

Ungewohnt, aber vollkommen zutreffend übersetzt.

Echt abgehen vor Freude, weil ihr mit Jesus lebt.

Darum geht es.

Größere Freude kann es nicht geben.

Der das schreibt, hat gerade äußerlich gesehen nicht viel Grund, sich zu freuen.

Der Apostel Paulus sitzt im Gefängnis.

Ob er freigesprochen oder zum Tode verurteilt wird, das ist noch nicht klar.

Finanziell ist er auf die Hilfe seiner Freunde aus der Gemeinde in Philippi angewiesen.

Und dem Überbringer gibt er auf den Rückweg den Brief mit, den wir noch heute als Philipperbrief kennen.
In diesem Brief macht er der Gemeinde Mut und Hoffnung.
Ihr hört richtig.

Der Mann im Gefängnis macht denen draußen Mut: sich zu freuen, sich nicht zu sorgen, alles von Gott zu erwarten.
Er hat eine Freiheit, er hat einen Grund zur Freude, den andere nicht kennen.
Und der Grund für seine Freude lautet: „Der Herr ist nahe.“
Das ist der Satz, weswegen dieser Text Predigttext am 4. Sonntag im Advent ist: Der Herr ist nahe.

Weihnachten steht jetzt unmittelbar vor der Tür; Weihnachten, das Fest, an dem wir daran denken, dass Gott selber Mensch geworden, auf die Erde gekommen ist

Wir leben in einer Zeit der Freude, der Vor-Freude.

Die Kinder – und nicht nur die – freuen sich auf Weihnachten.

Auf die Geschenke, das gute Essen, die Gottesdienste.
Ein bisschen was von dieser Vorfreude merkt man auch dem Apostel Paulus beim Schreiben an.
„Der Herr ist nahe.“

Das kann ganz zeitlich gemeint sein.

So wird es Paulus verstanden haben: Der Herr ist nahe.

Jesus kommt bald wieder, so wie er es versprochen hat.

Paulus hat seine Ankunft wohl in nicht allzu ferner Zukunft erwartet.

Ankunft, das heißt auf Latein „Advent“.

Darum denken wir in der Adventszeit an seine erste Ankunft und erwarten seine zweite Ankunft, seinen zweiten Advent.

Die Nähe Gottes ist der Grund, sich zu freuen, selbst, wenn man dafür ins Gefängnis muss.

Denn auch dort gilt: „Der Herr ist nahe.“
Wer zu ihm gehört, wer an ihn glaubt, hat Grund, sich auf ihn zu freuen.
Aber es heißt ja nicht „Freut euch auf den Herrn“, sondern „Freut euch in dem Herrn“.

Das gehört zusammen, ist aber noch mehr.

Der Herr ist nahe, das muss nicht nur zeitlich gemeint sein.

Er ist nahe bei mir, was immer geschieht.

Das ist die Hoffnung, mit der Paulus schreiben konnte „Freut euch in dem Herrn.“
Diese Erfahrung kennt jeder Mensch, der an Jesus Christus glaubt.

Er ist uns nahe.

Und er sagt es uns. In seinem Wort, der Bibel, in der Predigt, in der Taufe, im Abendmahl.

Da sagt er es zu jeder und jedem einzeln:
„Du gehörst zu mir. Egal, was passiert, ich bin nahe bei dir. Wir beide gehen jetzt durch dick und dünn. Wenn du mir vertraust, wenn du an mich glaubst, dann kann uns nichts mehr trennen, auch der Tod nicht.“
Da ist Gott ganz kompromisslos.

In Jesus Christus hat er sich ganz für uns gegeben, ist er ganz für unsere Sünde gestorben.
Wer das erfährt, wer das hört in einem Bibelwort, in der Taufe, im Abendmahl, und dann anfängt, zu vertrauen, für den ist Advent – ganz egal zu welcher Jahreszeit.
Und dann gilt jeden Tag: „Der Herr ist nahe.“

Egal, wie lang es noch bis zu seiner Wiederkunft dauert.

Egal, wie’s dir gerade geht.

Gott steht zu Dir ohne Kompromisse.

Gott macht keine halben Sachen.

Weil Gott keine halben Sachen macht, darum steht in unserem Predigttext auch viermal das Wort „alle“.

 

1. Freut euch in dem Herrn allewege.
Allezeit, in jeder Lage, immer.

Vielleicht ist uns heute nicht nach Jubeln zumute.

Es gibt so viele Gefängnisse, die uns mitten im Alltag gefangen halten:

Die Angst vor einer Prüfung, vor Krankheit, vor wirtschaftlichem Abstieg.

Vielleicht auch Angst vor Weihnachten und all dem, was mich da erwartet.

Vielleicht auch der Ärger über andere.

Der Ärger über mich selbst.

Das Gefängnis, in dem andere Dich gefangen halten, durch Ausgrenzung, Beleidigungen, Mobbing.
Egal, was es ist, was uns, was heute Morgen gefangen hält.

Es gilt „Freut euch in dem Herrn!“

Allewege, allezeit, in jeder Lage, immer.

Wie soll das gehen?

Es heißt nicht „Freut euch über alles, was euch passiert!“

Das würde nicht gehen.

Sondern „Freut euch in dem Herrn!“
Das ist eine Freude, die kennt nur, wer auf Gott vertraut.

Wer weiß: Das wichtigste hat Gott mir doch schon geschenkt.

Gott ist für mich Mensch geworden, gestorben und auferstanden.

Wenn ich an ihn glaube, ist das ewige Leben mir sicher.

Das ist wichtiger als irgendetwas sonst.

Darum habe ich immer Grund zur Freude.

2. Eure Güte lasst kund sein allen Menschen.
Paulus hatte im Gefängnis nicht nur mit netten Menschen zu tun.

Die Gemeinde in Philippi wurde von denen, die nicht an Jesus glaubten, sehr kritisch beobachtet, mindestens.

Es war die Zeit der ersten Christenverfolgungen.

Da ist es noch einmal wichtig, dass Paulus seiner Gemeinde einschärft: Lasst euch nicht provozieren.

Behandelt alle Menschen mit Liebe und mit Respekt.

Seid freundlich.
Seid gut zu allen Menschen.

Es geht nicht darum bei jeder Gelegenheit ungefragt über den Glauben zu reden.

Aber lebe so, dass man dich fragt.

Habe keine Angst vor abschätzigen Reaktionen.

Der Herr ist nahe.


3. In allen Dingen lasst eure Bitten vor Gott kundwerden.
Hier könnte ich die ganze Palette der Sorgen aufzählen, die wir im täglichen Leben und in der Welt allgemein so haben.

Aber dafür gibt es im Gottesdienst einen besseren Ort:

Das Gebet.

Legt alle Eure Sorgen in das Gebet.

Sprecht mit Gott.
Sorgt nichts, schreibt Paulus, so wie Jesus es auch schon gesagt hat.

Das heißt nicht, dass wir unseren Verstand nicht benutzen sollen, um Lösungen zu finden.

Aber wir sollen uns von den Problemen nicht auffressen lassen, auch wenn wir mal keine Lösung finden.

Kein Ding ist zu groß oder zu klein, dass man es Gott nicht sagen könnte.

Nicht der Krieg in der Ukraine, nicht das unglückliche Verliebtsein, nicht der verlorene Bleistift.

4. Gottes Friede ist höher als alle Vernunft.
Nach Frieden sehnt sich diese Welt.

Und gerade in den Tagen vor Weihnachten hören wir wieder häufig den Wunsch nach Frieden auf Erden.

Aber was meinen wir eigentlich, wenn wir Frieden sagen?

Mir persönlich würde es schon genügen, wenn die Menschen aufhören würden, sich gegenseitig umzubringen.

Das ist der Friede, den unsere Vernunft begreifen kann.

Aber Gottes Friede geht weit darüber hinaus.
Wir hoffen und wir beten darum, dass die Menschen in aller Welt zur Vernunft kommen und die Waffen aus der Hand legen.

Wir vertrauen darauf, dass Gott einst auch diesen Frieden schaffen wird.
Aber wir haben jetzt schon einen Frieden, der viel wichtiger ist.

In Jesus Christus haben wir Frieden mit Gott.

Einen Frieden, für den wir nichts tun konnten.

Einen Frieden, den Gott allen schenkt, die ihn annehmen.
Dieser Friede ist mit der menschlichen Vernunft eigentlich nicht zu verstehen.

Darum wollen manche Menschen mit dem christlichen Glauben auch nichts zu tun haben.

Weil sie sagen, das verstehe ich nicht, dass da Gott selber für mich Mensch werden und am Kreuz sterben musste, damit Friede ist zwischen Gott und mir.

Seien wir ehrlich!

Auch die klügsten unter uns sind nicht klug genug, um zu verstehen, was Gott da für uns getan hat.

Gottes Friede ist höher als alle Vernunft.

Kein Mensch kann und darf behaupten, Gott ganz und gar verstanden zu haben.

Die Erfahrung zeigt: Das gibt nur Streit und dient nicht dem Frieden

Doch wer Gottes Frieden hat, der muss dann nicht mehr um andere Dinge streiten.

Obwohl auch wir Christen das immer wieder tun.

Wie schwer ist es, das in die Praxis umzusetzen.

Aber auch wenn uns das heute nicht gelingt, will Gott uns seinen Frieden nicht wegnehmen.
Er will uns seinen Frieden schenken.

Einpflanzen, wachsen lassen unter uns.
Der Herr ist uns immer noch nahe.

Wir haben allen Grund, uns zu freuen.

Allen Grund. Allewege.

Und darum: Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

[Amen.]