09.04.2023 - "Der Herr ist auferstanden!" Predigt am Ostersonntag zu 1.Korinther 15,1-11 (Pfr. Fischer)

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

 

„Der Herr ist auferstanden!“ mit diesem Gruß habe ich Sie vorhin zu Beginn des Gottesdienstes begrüßt.

So begrüßen sich auch am Ostermorgen die Gläubigen in den orthodoxen Kirchen.

So wie es die Frauen den Jüngern weitergaben, sagt es einer zum andern, und der antwortet: „Er ist wahrhaftig auferstanden.“

Man erzählt, dass vor einigen Jahren in Russland auch der Patriarch von Moskau auf einer Parteiveranstaltung reden durfte.

Allerdings nur zwei Minuten lang.

Und was kann man schon in zwei Minuten sagen?

Der Patriarch stieg auf das Rednerpult und grüßte die Anwesenden: „Christus ist auferstanden“, und wie aus einem Munde wurde der Gruß aufgenommen und erwidert: „Er ist wahrhaftig auferstanden.“

Wie in der alten Liturgie wurde das ganze zweimal wiederholt, dann waren die zwei Minuten Redezeit auch schon um.

„Christus ist auferstanden!“ – dieser eine Satz war dem Patriarchen offensichtlich das Allerwichtigste, und es war der Satz, der Unglaubliches möglich machte.

Auch dem Apostel Paulus war dieser Satz das Wichtigste.

 

In einem der ältesten Schriftstücke des Neuen Testaments, im 1. Korintherbrief am Anfang des 15. Kapitels, erinnert er an das, was an erster Stelle steht:

Ich erinnere euch an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch fest steht,

durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr’s festhaltet in der Gestalt, in der ich es euch verkündigt habe; es sei denn, dass ihr umsonst gläubig geworden wärt.

Denn als Erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift;

und dass er begraben worden ist; und aß er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift;

und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen.

Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen.

Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln.

Zuletzt von allen ist er auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden.

Denn ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, dass ich ein Apostel heiße, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe.

Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist.

Es sei nun ich oder jene: so predigen wir, und so habt ihr geglaubt.

 

Liebe Gemeinde,

Paulus fasst seinen Glauben mit wenigen Worten zusammen: Christus ist gestorben für unsere Sünden.

Er ist begraben worden.

Er ist auferstanden am dritten Tag.

Paulus berichtet weiter, der Herr sei dem Petrus und zwölf Jüngern erschienen, auch Jakobus, dem Bruder Jesu, allen Aposteln und zuletzt ihm selbst.

Von ihnen allen wurde Jesus lebendig gesehen.

Und dieses Sehen war auch gleichzeitig die Berufung zum Apostel, zum bevollmächtigten Boten Gottes.

Denen der Herr Jesus Christus erschienen ist, denen gab er Vollmacht.

Er erschien, so berichtet Paulus, vor den Männern, die er zu Amtsträgern berief.

Nach einer anderen Überlieferung, die in den Evangelien weitergegeben wird, sind Frauen die ersten Zeugen der Auferstehung Jesu Christi.

Frauen sind die ersten, die das leere Grab sehen und die Worte des Engels hören.

Entscheidend wird für sie das, was der Engel sagt: „Fürchtet euch nicht. Ich weiß, dass ihr Jesus, den Gekreuzigten sucht. Er ist nicht hier, er ist auferstanden“.

Was der Engel ihnen sagt, erzählen die Frauen weiter.

Und die Botschaft breitet sich immer weiter aus – von Tür zu Tür, Palästina nach Europa und in die ganze Welt, von Generation zu Generation – bis zu uns hier und heute.

 

Leider zählt Paulus in unserem Predigtwort die Frauen nicht einmal mehr auf – der alte Chauvi!.

In den Evangelien aber sind die schönen Geschichten bewahrt: von den Frauen, die den Jüngern vom leeren Grab und den Worten des Engels berichten; von Maria Magdalena, die vor lauter Tränen Jesus erst für einen Gärtner hielt und ihn erst erkannte, als er ihren Namen aussprach.

 

Diesen wunderbaren Geschichten ist anzumerken, wie viel und wie Verschiedenes der eine Satz in den Menschen bewegt hat: „Der Herr ist auferstanden!“

Paulus berichtet darum auch nicht nur von seiner eigenen Vision.

Gleich am Anfang unseres Predigtwortes weist er die Korinther auf das eine hin:

Es geht um das Evangelium, die ihr gehört habt, um die frohe Botschaft, die ihr angenommen habt.

In diesem Evangelium steht ihr und könnt darin selig werden.

Es geht nicht um den Glauben des Paulus.

Sondern es geht um die Menschen, für die er schreibt.

Es geht um das, was sie gehört haben und das, was sie glauben.

Die moderne Welt tut sich schwer mit dem Glauben an die Auferstehung – das wissen wir und merken es vielleicht auch an uns selbst.

Aber ich denke, das liegt nicht nur an unserem Wissen und unserem „Aufgeklärtsein“.

Aufgeklärt sein heißt ja, „sich als moderner Mensch im Klaren über alles sein“ oder „alles erklären können“.

Es war schon damals in Korinth nicht so sehr viel anders.

Auch die Menschen vor fast 2000 Jahren wussten, dass das physische, also das leibliche Leben mit dem Tod endet.

Schon immer war und ist die Auferstehung mit dem Verstand nur schwer zu begreifen; die Botschaft von der Auferstehung ist keine Rechenaufgabe, die immer wieder nachgerechnet werden kann.

Um die Botschaft von der Auferstehung auch nur ansatzweise verstehen zu können, braucht es eine Wahrnehmung, die mehr sieht als nur das leere Grab; die mehr sieht als nur die Oberfläche der Geschichte.

 

Noch schlimmer aber ist unser Abgestumpftsein.

Viele wollen, fürchte ich, nicht mehr hören und nicht mehr davon wissen.

Viele wollen nur noch mit ihrem Verstand sehen und denken und nicht mehr mit dem Herzen.

Das Leben ist mehr, als nur 1 + 1 zusammenzuzählen.

Die Auferstehung ist mehr als das, was unser Verstand begreifen kann.

Wer das Leben begreifen will, der muss schon ganz genau hinschauen.

Der muss auch einmal in die Tiefe gehen, unter die Oberfläche.

Der muss vor allem den Wunsch nach dem Leben in sich tragen.

Den Wunsch zu erfahren, was Leben wirklich ist.

 

Und genau um das geht es ja bei dem Ostergruß: „Der Herr ist auferstanden“.

Wer diesen Gruß sagt, wünscht sich doch, dass das Leben weitergeht und dass dem Tod die endgültige Macht genommen wird.

Tragen wir diesen Wunsch nach Leben noch in uns?

 

Um den Wunsch nach Leben wach zu halten, brauchen wir Zeugen; Menschen, die wissen, dass mit den lebensfeindlichen Mächten nicht zu spaßen ist, und die uns davon Auskunft geben.

Menschen, die gespürt haben, dass der Tod durchaus Macht haben kann.

Und die trotzdem erlebt haben, dass diese finstre Macht gebrochen werden kann.

Die Zeugen der Auferstehung leugnen das Dunkle nicht.

Sie glauben aber, dass die Dunkelheit nicht das letzte Wort hat: nicht die Trauer und die Verzweiflung, sondern ein neuer Anfang.

Die Hoffnung auf einen neuen Anfang drückt sich aus in den Geschichten, die Menschen sich erzählen.

 

Und so erinnern uns die Geschichten von der Auferstehung Jesu Christi daran, dass das Leben mit Gott stärker ist als der Tod.

Wenn wir solche Geschichten hören, können wir uns unserer eigenen Hoffnung sicherer werden.

Denn unsere Hoffnung braucht Geschichten vom gelingenden Leben, gegen alle Resignation und Mutlosigkeit.

Wir brauchen Vergewisserung im Glauben, in der Liebe, in der Hoffnung.

Dabei geht es nicht um Geschichten aus dem Jenseits.

Nicht um Science-Fiction oder Fantasy.

Es geht um das Leben jetzt, hier und heute.

Da schafft es eine Frau, die unheilbar krank ist, weiterzuleben, zwar eingeschränkt, aber dennoch frohen Mutes.

Da findet einer wieder die Kraft, wieder auf Menschen zuzugehen – trotz vieler Enttäuschungen.

Da hat einer, der im Ruhestand plötzlich weniger Arbeit hat, den Einfall diese Zeit zu nutzen und andern zu helfen.

Da sind Menschen unermüdlich dabei, für die Erhaltung der Schöpfung einzutreten.

Es gibt sie, die Zeichen und Funken der Hoffnung mitten in unserer Welt!

Sie zu suchen und zu finden, kann einem wirklich helfen, die eigene Hoffnung nicht aufzugeben.

Und es ist wichtig, dass wir die Hoffnungsfunken wirklich in dieser Welt suchen und sie hier und jetzt selbst setzen.

Denn wer nur ans Jenseits denkt, wer die Welt, in der er lebt schon begraben hat, der wird auch zu Lebzeiten keine echte Hoffnung finden.

 

Liebe Gemeinde,

es geht an Ostern nicht nur um das Jenseits!

Es geht zu allererst um die „Mitte unseres Lebens“.

Das hat Dietrich Bonhoeffer so gesagt, dessen Todestag sich heute zum 78. Mal jährt.

Bonhoeffer wusste wovon er redete.

Von der Gestapo verhaftet, schrieb er 1944 im Gefängnis in Berlin-Tegel einem Freund einen Brief.

Es geht um seine Gedanken über die Auferstehung mitten im Leid, eigentlich mitten in einer hoffnungslosen Umgebung.

Doch Dietrich Bonhoeffer benutzt seinen Glauben nicht als Ausflucht, nicht als falschen Trost.

Er schreibt:
„Der Christ hat nicht eine Ausflucht ins Ewige.
Sondern er muss das irdische Leben wie Christus ganz auskosten.
Christus fasst den Menschen in der Mitte seines Lebens.“

Das schreibt einer, der im Gefängnis sitzt und mit dem Schlimmsten rechnen muss.

Das schreibt einer, der überhaupt nicht weltfremd war.

Dietrich Bonhoeffer hat das Leben geliebt und er hat die Menschen geliebt.

Deshalb – und nur deshalb wurde er ein glaubhafter Zeuge der Auferstehung Jesu Christi.

 

„Der Herr ist auferstanden!“

Dieses Wort trifft uns in unserem Leben.

Es hat die Kraft, das Leben zum Guten zu verändern.

Es ist das Wort von Gottes Liebe zu uns.

Die Welt braucht dieses Zeugnis, wir brauchen dieses Zeugnis vom Leben das siegreich ist.

Tragen wir es hinaus in unsere Welt:

„Der Herr ist auferstanden!
Er ist wahrhaftig auferstanden.“ Amen.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.