02.07.2023 - "Gegnerschaft überwinden" - Predigt zu 1.Petr 3,8-17 am 4. So. nach Trintitatis in der Hospitalkirche (Pfr. Fischer)

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

 

Liebe Gemeinde!

Wenn die anderen gegen mich sind, was tue ich dann?

Kann sein: Ich baue mich auf, mache mich größer, um standzuhalten oder zurückzuschlagen.

Oder: Ich mache mich glatt und gleichgültig, um sie abprallen zu lassen.

Kann auch sein: Ich ziehe den Kopf ein, mache mich kleiner, stecke zurück, igele mich ein.

Dann und wann werde ich die Taktik wechseln.

Dabei spielt es erst einmal keine Rolle, ob ich nur vermute, fantasiere, dass die anderen gegen mich sind, und es ist noch nicht so wichtig, ob die Anfragen oder gar Anfeindungen völlig unberechtigt sind oder berechtigte Anteile haben.

Manchmal nagt so eine Gegnerschaft an Menschen nur flüchtig, anderen frisst sie das Leben auf: die Fantasie, das Glück, die Freude, die Kraft ...

Wenn die anderen gegen mich sind, kann sein, dass ich mich verändere, mich verändern lasse, so oder so etwas aus mir mache.

Egal, ob ich dazu neige, mich aufzubauen und mein Aggressionspotenzial zu sammeln, oder ob ich eher der Typ bin, der völlig in sich zusammenfällt, sich am liebsten unsichtbar machen möchte; eine Gefahr ist, dass ich den Kontakt zu mir verliere.

Im Reagieren komme ich weg von mir; ich gehe nicht richtig in mich; ich denke nicht gründlich nach; ich schöpfe meine Kreativität nicht aus.

 

Wir hören heute Worte der Bibel, die sich an Menschen richten, die angefeindet sind.

Die ersten Adressaten dieser Worte waren Christen in Kleinasien vor rund 1.900 Jahren.

In kleinen Gemeinschaften lebten sie als Minderheit in einem heidnischen Umfeld.

Sie werden angegriffen nicht wegen diesem und jenem, nicht wegen ihrer Persönlichkeit, nicht wegen ihrer Nationalität oder ihrer mangelnden Arbeitsmoral, sondern um ihrer Glaubensüberzeugung willen.

Wahrscheinlich waren sie der Verspottung ausgesetzt, der Denunziation.

Ihre religiöse Praxis, ihre Lehren wurden infrage gestellt, und das zahlte sich im täglichen Leben aus.

Aber hören können wir, wie ihnen einer unter dem großen Namen des Apostels Petrus Ermutigung und Ermahnung zusprechen will.

Petrus, das bedeutet „Fels“:

Im Namen also dieses Garanten des Glaubens schreibt einer einen Brief.

Wir hören das Predigtwort aus dem 1. Petrusbrief, Kapitel 3, ab Vers 8:
(8) Seid allesamt gleichgesinnt, mitleidig, brüderlich, barmherzig, demütig.
(9) Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern segnet vielmehr, weil ihr dazu berufen seid, dass ihr den Segen ererbt.
(10)
Denn »wer das Leben lieben und gute Tage sehen will, der hüte seine Zunge, dass sie nichts Böses rede, und seine Lippen, dass sie nicht betrügen.
(11) Er wende sich ab vom Bösen und tue Gutes; er suche Frieden und jage ihm nach.
(12) Denn die Augen des Herrn sehen auf die Gerechten, und seine Ohren hören auf ihr Gebet; das Angesicht des Herrn aber steht wider die, die Böses tun« (Psalm 34,13-17).
(13) Und wer ist’s, der euch schaden könnte, wenn ihr dem Guten nacheifert?
(14) Und wenn ihr auch leidet um der Gerechtigkeit willen, so seid ihr doch selig.
Fürchtet euch nicht vor ihrem Drohen und erschreckt nicht;
(15) heiligt aber den Herrn Christus in euren Herzen.

Liebe Gemeinde!

Wenn die anderen gegen euch sind, was sollt ihr dann tun?

Der Briefschreiber gibt dazu viele Sätze mit auf den Weg.

Sie klingen in unseren Ohren vielleicht nicht so originell; das, was vom Christentum eben erwartbar ist: einig, barmherzig, sanftmütig ... ihr wisst schon.

Für mich sammeln sich die verschiedenen Ermahnungen in einem Grundanliegen.

Das macht mich wach und aufmerksam.

Ich formuliere es einmal so:
„Bleibt bei dem, was in euch ist. Bei der Lebensquelle. Bei dem, was euch als Christen ausmacht.
Bleibt bei eurem Glauben und deshalb bei dem, was Christus in euch gelegt hat.
Segnet also, statt zu fluchen, weil ihr zum Segen berufen seid. Bleibt im Kontakt zu dem, der euch sieht und hört vom Himmel her.
Verstärkt diesen Kontakt: Heiligt Christus in euren Herzen.
Die Hoffnung, die in euch ist, trete nach außen in eurem Reden.
Denn außen und innen gehören zusammen.“

Christen leben nicht als fremdgeleitete Leisetreter oder Rundumschläger.

Wenn sie sanftmütig sein sollen, dann, weil Christus in ihnen Sanftmut bewirkt.

Ihr Verhalten ist verankert in ihrer Identität in Christus.
„Habt ein gutes Gewissen!“, heißt es in den Ermahnungen.

Was kann eine sensiblere Stimme sein, eine identischere als das eigene Gewissen?

Ich verstehe diese Ermahnungen im Namen des Petrus als Hilfe für die Christen damals, in der Welt zu leben:

Sie brauchen sich nicht groß zu machen, in dem sie die anderen beschimpfen und verurteilen; sie sollen aber auch nicht den Kopf einziehen, sich nicht rausziehen, sich nicht abkapseln.

Nicht für sich sollen sie bleiben, aber bei sich und bei dem, der sie hält und trägt im Leben und im Sterben.

 

Und wir?

Vielleicht gehöre ich zu den Menschen, die erst einmal ganz lange Zeit brauchen, um sich zu vergewissern:

Was ist in mir denn?

Worauf verlasse ich mich?

Wer, was wohnt im Herzen?

Was gründet mich?

Wie heißt mein Hoffen?

Diese Zeit sollen wir uns nehmen.

Zu den Worten des Petrusbriefes treten für mich Bilder hinzu und Dialoge.

Sie stammen aus dem Film „Sophie Scholl - die letzten Tage“.

Er erzählt die Geschichte der Widerstandsgruppe „Die Weiße Rose“.

Gegen den Nationalsozialismus, sein Terrorregime, seine menschenverachtende Ideologie haben die jungen Mitglieder der Gruppe Flugblätter verteilt.

Damals in Kriegszeiten ein Verbrechen, auf das die Todesstrafe stand.

Eine von den jungen Münchner Studenten ist Sophie Scholl.

Gemeinsam mit ihrem Bruder Hans und Christoph Probst wird sie entdeckt und verhaftet.

Der Film zeichnet ihre letzten Tage bis zur Hinrichtung auf.

In den Verhören geschieht dabei etwas ungeheuer Bewegendes geschieht in und vor meinen Augen.

Nach anfänglichen Ausweichmanövern bleibt diese junge Frau bei ihren Überzeugungen.

Immer klarer kann sie sie formulieren.

Sie weiß zu sagen, warum sie sich abwendet von dem, was sie als böse erkannt hat und warum sie dem nachjagt, was ihr Frieden verheißt statt des zerstörerischen und mörderischen Krieges, der herrscht.

Sie gibt Rechenschaft über die Hoffnung, die in ihr ist.

Sie lässt sich nicht verbiegen: Weder von „goldenen Brücken“, die ihr gebaut werden noch von massivsten Drohungen.

Innen und außen bleiben bei ihr zusammen.

Ihre Überzeugung ist eine politische und wurzelt im Glauben.

Zur Vernichtung „lebensunwerten“ Lebens sagt sie: „Und deshalb weiß ich, dass kein Mensch über ein Menschenleben ein Urteil fällen kann, das Gott vorbehalten ist. Jedes Leben ist kostbar.“

Sie lässt sich nicht verändern.

Sie verändert aber ihre Gegner.

Den Vernehmungsbeamten Mohr verunsichert ihre klare und ruhige Haltung, den Richter Robert Freisler, eigens aus Berlin zum Volksgerichtshof nach München angereist, entlarven die drei jungen Angeklagten in ihrer Bestimmtheit als schreiende, verblendete und groteske Figur, die nur noch zappeln und toben kann.

Ihm hält sie entgegen: Sie wolle in Wirklichkeit Frieden und dass die Menschenwürde wieder Achtung fände.

Sie wolle Gott, Gewissen, Mitgefühl.

Die Geschichte geht nicht gut aus.

Alle drei werden zum Tode verurteilt und noch am gleichen Tag des Schauprozesses hingerichtet.

Das Gute - die Guten – siegen nicht, nicht so offensichtlich.

Die Geschichte ist zum Schreien unfair, bestürzend traurig und wahr.

Es bleibt aber mehr als diese „Ungerechtigkeit“ für uns heute zurück.

Es leuchtet etwas hinüber: Menschlichkeit, Wahrhaftigkeit, Mut, das Gute dem Bösen entgegenzusetzen.

Davon kommt bei mir etwas an.

 

Natürlich leben wir in Deutschland alle anders; die politischen Bedingungen andere als in den Gemeinden Kleinasiens im 1./2. Jahrhundert nach Christus, andere als unter der nationalsozialistischen Terrorherrschaft.

Unvergleichbar sind auch die Fragen, Herausforderungen und Bedrohungen.

Das, was uns heute als Christen anfeinden kann, hat andere Namen; und die Konflikte tragen andere Formulierungen.

Vielleicht: Wie setze ich Wärme gegen Kälte?

Gegen zunehmende Unverbindlichkeit Zeichen der Verbundenheit?

Muss ich da aufgeben?

Ich denke an Menschen, die in pflegenden und medizinischen Berufen arbeiten.

Viele von ihnen haben diesen Beruf gewählt, ganz schlicht, weil sie helfen wollen.

Gutes tun – Lindern – Retten.

Für nicht wenige spielt dabei auch ihr Glaube eine Rolle.

So wollen sie ihn in die Welt bringen.

Wie oft finden sie einen Berufsalltag vor, der vom Zeitdruck beherrscht ist, in dem der Kostendruck regiert?

Wie oft haben sie das Gefühl, von dem, wofür sie einmal angetreten sind, abzukommen.

Gibt es Raum für barmherzigen Umgang?

Für Geduld und Achtsamkeit?

Wo bleibt die Sanftmut, die Zeit braucht?

Das sind viele Fragen und noch viel mehr könnten wir da finden, wo wir jeweils stehen und gehen.

Die Worte des Petrusbriefes haben sicher andere Situationen vor Augen.

Aber sie schicken uns unmissverständlich in die Welt.
Und Sie zeigen uns unmissverständlich den Weg zu Gott.

Er ist treu, an ihm sollen wir uns festhalten, denn er verlässt uns nicht.

Heiligt aber den Herrn Christus in euren Herzen.

Ich habe zum Schluss keine fertigen Antworten auf unsere Fragen heute, aber ein Wort des Apostels Paulus, dass mir in schlimmen Situationen geholfen hat.
Es stammt aus dem 8. Kapitel des Römerbriefs:

Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein?

32 Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben - wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?

33 Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der gerecht macht.

34 Wer will verdammen? Christus Jesus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferweckt ist, der zur Rechten Gottes ist und uns vertritt.

35 Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert?

37 Aber in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat.

38 Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges,

39 weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.

Amen.

 

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.