26.11.2023 - "Meine Zeit - Gottes Zeit" - Predigt am Letzten Sonntag des Kirchenjahres zu 2.Petrus 3,8-13 (Pfarrer Stefan Fischer)

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus.

 

Das Predigtwort für den heutigen Sonntag steht im zweiten Petrusbrief im 3. Kapitel:

Eins aber sei euch nicht verborgen, ihr Lieben, dass ein Tag vor dem Herrn wie tausend Jahre ist und tausend Jahre wie ein Tag.
Der Herr verzögert nicht die Verheißung, wie es einige für eine Verzögerung halten; sondern er hat Geduld mit euch und will nicht, dass jemand verloren werde, sondern dass jedermann zur Buße finde.
Es wird aber des Herrn Tag kommen wie ein Dieb;
dann werden die Himmel zergehen mit großem Krachen; die Elemente aber werden vor Hitze schmelzen, und die Erde und die Werke, die darauf sind, werden ihr Urteil finden.
Wenn nun das alles so zergehen wird, wie müsst ihr dann dastehen in heiligem Wandel und frommen Wesen,
die ihr das Kommen des Tages Gottes erwartet und erstrebt, an dem die Himmel vom Feuer zergehen und die Elemente vor Hitze zerschmelzen werden.
Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt.

 

Liebe Gemeinde,

Die Zeit wird lang.

Sie haben das bestimmt schon erlebt.

Da hat man irgendwo einen Termin.

Aber das Wartezimmer ist voll, das verheißt nichts Gutes.

Eigentlich möchte man aufstehen und wieder gehen - was könnten in dieser Zeit für andere wichtige Dinge erledigt werden?

Aber man bleibt dann doch sitzen und wartet, weil man nicht weis, ob’s beim nächsten Mal besser wird.

Die Zeit wird länger.

Die Geduld wird auf eine unendliche Probe gestellt.

Die Zeit will einfach nicht vergehen.

Die Zeit ist lang geworden.

 

Das ist natürlich eine rein subjektive Einschätzung.

Objektiv betrachtet können wir Menschen keinen Unterschied feststellen.

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Braunschweig misst für uns unbegreiflich genau Zeit mit einer Abweichung von 1 Sekunde in einer Million Jahren.

Alle Funkuhren in Deutschland richten sich danach.

Und wer eine solche Uhr besitzt, kann sich sicher sein: überall im Lande laufen die Uhren im gleichen Takt.

Und trotzdem - obwohl unsere Vernunft uns sagt:

Die Zeit ist eigentlich überall gleich lang, so sagt uns unser Gefühl doch etwas anderes.

Wir Menschen fühlen die Zeit, das unterscheidet uns Gott sei Dank von einer Atomuhr.

Unser Zeitgefühl kann uns aber auch zur Last werden.

Eben gerade dann, wenn uns die Zeit lang wird.

Bei unangenehmen Anlässen zum Beispiel.

 

Aber auch Anlässe auf die ich mich freue: Weihnachten zum Beispiel.

Für mich war es war als Kind einfach eine Qual, langsam, Tag für Tag, eine Türchen des Adventskalenders aufzumachen.

Die Zeit bis zu den Geschenken wurde dadurch eigentlich nicht kürzer.

Und auch der Versuch, gleich alle Türchen leer zu essen hat mir Weihnachten nicht näher gebracht.

 

Wenn die Zeit lang wird, dann brauchen wir Geduld; dann hilft oft nichts anderes als warten.

Unser Predigtwort antwortet auf eine Sehnsucht der ersten Christen damals.

Auf ihre ungeduldige Frage: Wann wird Gottes Tag endlich kommen?

Wann wird Jesus endlich wieder kommen?

Wann wird er uns endlich von unserem Leid in dieser Welt erlösen?

Die Christen damals setzten all ihre Hoffnung darauf, dass Gott einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen wird.

Viele von ihnen wurden wegen ihres Glaubens verfolgt.

Viele starben bei Pogromen oder in den römischen Zirkussen.

Die Welt war für sie oft Angst und Qual.

Der römische Staat die Ausgeburt des Antichristen.

Und je düsterer ihnen die Gegenwart vorkam, umso leuchtender erschien ihnen die Zukunft: ein neuer Himmel und eine neue Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt.

Sie erwarteten Gottes Zukunft bald, in allernächster Nähe, noch in ihrer Generation.

Doch die Erwartungen erfüllten sich nicht - und je länger die Zeit wurde, umso größer wurde die Ungeduld.

 

Auf diese Ungeduld antwortet unser Predigtwort mit der seltsamen Formel: 1 = 365000; ein Tag ist vor dem Herrn wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag.

Er mahnt die Hörer zur Geduld: Gottes Tag kommt, dass ist gewiss, aber: Gott lässt sich nicht in die Karten schauen.

Der Termin ist sein Geheimnis.

Der Apostel nimmt denen, die auf ein nahes Ende der Welt und auf eine baldige Wiederkunft Jesu gehofft hatten, gehörig den Wind aus den Segeln.

Nicht wenige waren über das gehörte enttäuscht.

 

Und wie ist es bei uns?

Sind wir auch enttäuscht, dass der neue Himmel und die neue Erde noch auf sich warten lassen?

Ich lasse mich da gerne korrigieren, aber ich glaube, dass die Sehnsucht nach Gottes Ewigkeit bei uns in den reichen Industrieländern nur eine nachgeordnete Rolle spielt - auch unter den Christen.

Die Zeiten haben sich seit der ersten Christenheit fundamental geändert.

Hier in Deutschland ist unsere Kirche verfassungsrechtlich geschützt.

Religionsfreiheit ist unser Grundrecht.

Niemand darf deswegen verfolgt werden.

Und auch in materieller Hinsicht geht es uns – im weltweiten Vergleich – noch gut.

 

Anders ist es da in den Entwicklungsländern.

Da findet man die Hoffnung der ersten Christen immer noch: Auf einen neuen Himmel und eine neue Welt, in denen Gerechtigkeit wohnen, in der niemand verhungern muss.

Wir leben, trotz Kummer um Werteverlust, sozialer Schieflage, und Rezessionsängsten immer noch in einer Wohlstandsgesellschaft.

Klingt da das Wartenmüssen auf den Tag Gottes nicht eher angenehm.

Was soll dann ein neuer Himmel und eine neue Erde, wenn's uns hier doch so gut geht?

Wollen wir wirklich eine neue Erde?

 

Wie stellen ich mir die Ewigkeit vor?

Vielleicht merken sie jetzt gerade, wie schwer es eigentlich ist, so ein Bild zu haben, sich vorzustellen, wie das sein wird: Ewigkeit, neuer Himmel, neue Erde?

Ich kann hier nur für mich sprechen: Mir fällt schwer, mir ein umfassendes Bild zu malen, von dem was Gottes Zukunft bringen wird.

Mir gelingt das nur in Teilbereichen meines Lebens, wo es halt nicht einfach gut geht:

Zum Beispiel, wenn sich Menschen streiten oder bekriegen, dann stelle ich mir die Ewigkeit friedlich vor.

Wenn Menschen hier Schmerzen erleiden müssen, dann ist das für mich dort bei Gott aufgehoben.

Oder meine Ängste und Sorgen werden mir in der Ewigkeit keine schlaflosen Nächte mehr bereiten.

Es ließe sich noch anderes aufzählen.

Was mir dabei Sorgen macht ist: In Zeiten der Not, habe ich Bilder von der Ewigkeit Gottes - in Zeiten des Überflusses brauche ich eigentlich keine.

 

Doch was ist, wenn es selbst die Notzeiten nicht mehr gibt, wenn das, was Kummer macht und unbequem ist, einfach weggeschoben wird.

Viele leben in den Tag hinein, versuchen alles Angenehme des Lebens mitzunehmen.

Es ist uns heutzutage möglich, fast alle Wünsche zu erfüllen.

Zumindest diejenigen, die mit Geld zu bezahlen sind.

 

Wenn fast alle Wünsche erfüllt werden können, wozu braucht man dann noch eine Ewigkeit?

Ist der Tag Gottes, an dem er einen Himmel und eine neue Erde aufrichten wird, dann nicht eher eine Gefahr für die eigene heile Welt, die man sich teuer erkauft hat?

Wartet man da nicht eher gern noch ein wenig länger?

 

Die ersten Christen damals wollten dagegen die alte Welt überwinden, weil sie ihnen Kummer und Leid bereitet hatte.

Heute bietet uns die Welt so viel, dass es uns schwer fällt, einen neuen Himmel und eine neue Erde herbeizusehnen.

Und gerade deshalb ist dieses Predigtwort so aktuell für uns:

Und je nach Standpunkt des Betrachters ist es für den einen mehr tröstend, und für den anderen mehr mahnend.

Aber es ist immer beides zugleich: Trost und Mahnung.

 

Ich will versuchen, dies in drei Punkten zusammenzufassen:

Das erste ist für diejenigen, die sich zuviel von dieser Welt erwarten:

Auch wenn wir es fast vergessen haben: Wir müssen mit dem Tag Gottes rechnen.

Das Predigtwort lässt daran keinen Zweifel: Gottes Verheißungen bleiben gültig.

Es wird den Tag geben, an dem er alles neu schaffen wird: Himmel und Erde, für jeden Menschen wird dieser Tag sichtbar sein - das beschreibt das Bild vom Himmel, der mit großem Krachen zergehen wird und von den Elementen, die vor Hitze schmelzen werden.

So sicher wir mit Gottes Tag rechnen können, so sicher können wir ihn nicht berechen.

Er kommt wie ein Dieb in der Nacht, ohne Ankündigung. Gott mit einem Dieb zu vergleichen ist hart, denn was könnte Gott stehlen, was ihm nicht eh schon gehört.

Doch vielen wird es so vorkommen: Gott wird von uns alles zurückfordern - vor allem das, was wie als unser Eigentum ansehen.

Deshalb ist jedem von uns schon jetzt die Frage gestellt: Bist du allzeit bereit für den Tag des Herrn?

 

Das Zweite ist für diejenigen, die sich von dieser Welt nichts mehr erwarten:

Auch wenn wir all unsere Hoffnung auf die Ewigkeit richten sollten: An diesem Tag rechnet nur Gott.

Auch daran lässt unser Predigtwort keinen Zweifel:

Der Tag Gottes ist der Tag des Gerichts.

„Wenn nun alles zergehen wird, wie müsst ihr dann dastehen in heiligem Wandel und frommen Wesen.“

gewiss - der neue Himmel und die neue Erde werden kommen.

Und sie werden alles das übertreffen, was wir uns erhoffen können.

Doch diese Hoffnung auf die Zukunft darf uns nicht blind machen für die Probleme der Gegenwart.

Es gibt keine Zukunft ohne die Gegenwart.

Ich kann es auch so sagen: Wer diese Welt ablehnt und ihr den Rücken zukehrt, weil er meint, sie sei gottlos und

schlecht; wer nur zuschaut, weil er Angst hat, sein eigenes Seelenheil zu beschmutzen, der übersieht, dass Gott selbst diese Welt geschaffen hat.

 

Der dritte Punkt gilt uns allen: Gott nimmt sich Zeit für uns.

Gott hat Geduld mit uns, heißt es.

Niemand soll verloren gehen.

Er will, dass jedermann zur Buße findet.

Gott nimmt sich die Zeit für uns. Jeder ist ihm wichtig.

Jeden ruft er zur Umkehr.

Buße tun - auch wir sollen uns die Zeit für Gott nehmen.

Umkehren zu Gott:

...bei ihm ausruhen,

sich von ihm den Weg zeigen lassen;

...erkennen, wo wir uns für unseren Nächsten Zeit nehmen können.

 

Ich wünsche uns, dass wir jeden Tag als Geschenk aus Gottes Hand annehmen.

Denn es ist ein Tag, an dem Gott sich für uns Zeit nimmt.

Amen.

 

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.