25.12.2023 - "Liebe, die bewegt" - Weihnachtspredigt zu 1.Johannes 3,1-6 (Pfr. Fischer)

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus.

 

Wir hören das Predigtwort aus dem ersten Johannesbrief im 3. Kapitel:

Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch!
Darum kennt uns die Welt nicht; denn sie kennt ihn nicht.
Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden.
Wir wissen aber: wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.
Und ein jeder, der solche Hoffnung auf ihn hat, der reinigt sich, wie auch jener rein ist.
Wer Sünde tut, der tut auch Unrecht, und die Sünde ist das Unrecht.
Und ihr wisst, dass er erschienen ist, damit er die Sünden wegnehme, und in ihm ist keine Sünde.
Wer in ihm bleibt, der sündigt nicht; wer sündigt, der hat ihn nicht gesehen und nicht erkannt.

 

Wir sind geliebt, liebe Gemeinde.

Wir sind die von Gott geliebten Kinder, sagt uns das Predigtwort und erzählt uns das Weihnachtsfest überhaupt.

Es ist zunächst gar nicht wichtig, ob wir das glauben können oder nicht – wir sind geliebt, und daran können wir nichts ändern.

Johannes will dies seiner christlichen Gemeinde wieder klar machen, die nicht besonders groß oder stark war; aber die wie jede christliche Gemeinde in Gefahr ist das zu vergessen:

Wir sind so sehr geliebt, dass wir Gottes Kinder heißen sollen.

Wir werden gar nicht gefragt, ob wir Liebe haben wollen oder nicht; ob wir die Liebe verdient haben oder nicht.

Ich glaube, es gibt keinen Menschen, der sich nicht irgendwo im tiefsten seines Herzens wünscht, geliebt zu werden – ohne wenn und aber; ohne Bedingungen und Antragsformular.

 

Wir sind geliebt von Gott – daran gibt es nichts zu rütteln.

Das ist der Sinn des Weihnachtsfestes.
Wir sollen das wissen und bitte nicht mehr vergessen:

Gott liebt uns erst einmal so, wie wir sind;
ganz egal, was ich selbst über mich denke,
ganz egal, wie mich andere Menschen ansehen.

 

Schön – so weit haben wir, denke verstanden, was Johannes uns sagen will – und weiter?

Was sollen wir nun damit anfangen?

 

Ich stelle diese Frage deshalb, weil ich weiß, wie schwer es ist, von der Liebe Gottes zu sprechen.

Es ist zumindest nicht ganz einfach.

Wenn ich so in die Welt blicke, dann sehe ich ein Dilemma:

Einerseits weiß wirklich jeder, vom Kleinkind bis zu den Großeltern, dass Weihnachten das Fest der Liebe und des Friedens schlechthin ist.

Andererseits wird diese eigentlich wunderbare Botschaft von der Liebe Gottes banalisiert, verheidschibummbeidschid wird – bekommt keinen Tiefgang mehr.

Die Folge ist: Jeder redet von der Liebe und vom Frieden, aber immer weniger nehmen das mehr ernst.

Die Weihnachtsbotschaft hat nur noch für eine kurze Saison Bedeutung.

Dass Gott uns liebt und uns im Kind in der Krippe Frieden schenkt, das wird nicht mehr als grundsätzlicher Leitfaden für unser Leben verstanden.

Wir tun uns wirklich nicht gerade leicht mit der Liebe Gottes.

 

Ich möchte einen Blick auf den Apostel Johannes und seine Situation werfen:

Er hatte es da mit seiner Botschaft einerseits leichter, andererseits aber auch schwerer als wir heute – und das ist auch wieder tröstlich.

 

Es war damals leichter, denke ich, weil die Geburt Jesu, noch nicht so lange zurücklag;
dass Gott Mensch geworden ist, hat das Leben und den Glauben der ersten Christen viel tiefer geprägt, als es uns allein durch den riesigen zeitlichen Abstand überhaupt möglich wäre.

Und in den ersten christlichen Gemeinden damals war eine gewisse Weltverachtung zu spüren.
Die Welt ist gefallen - ihr baldiges Ende und die Wiederkunft Christi wurden herbeigesehnt.

Darum ist in vielen Worten des Neuen Testamentes nicht nur von der großen Liebe Gottes zu uns Menschen die Rede; sondern es werden damit oft auch Seitenhiebe auf die böse Welt verbunden, wie auch in unserem Predigtwort:

Darum kennt uns die Welt nicht; denn sie kennt ihn nicht. "Die Welt" ist das Böse; sie ist gegen Gott und gegen seine Gemeinde eingestellt, die an Gott glaubt und auf ihn hofft – in solch einer Stimmung schreibt es sich für Johannes etwas leichter von der Liebe Gottes zu uns:

Gott wird wiederkommen und dann alle Rätsel aufdecken.

Johannes brauchte seine Schwestern und Brüder nur daran zu erinnern, dass sie bei Gott auf der richtigen Seite stehen.

 

Andererseits war es für Johannes aber auch schwerer von der Liebe Gottes zu schreiben als für uns.
Denn es gab einfach so vieles nicht, was wir heute kennen und schätzen gelernt haben.

Es gab nicht die Sicherheit des Glaubens und der Glaubenden.

Wer sich damals zu Jesus Christus bekannte, musste um Leib und Leben fürchten.

Es gab nicht die Sicherheit unseres Staates, der uns heutzutage in Frieden leben und glauben lässt.

Die Botschaft von der Liebe Gottes zu uns, musste fast täglich gegen Verfolgung und Leiden in der Welt ankämpfen.

„Warum lässt Gott das alles an seinen Kindern zu, wenn er uns doch liebt?“ diese Frage war damals viel akuter, als wir sie heute erleben.

Wir sehen also: Früher war längst nicht alles besser; und in den christlichen Gemeinden schon gar nicht.

Auch damals haben sich Menschen, die erst begeistert waren von der neuen Botschaft der Liebe, nach einer gewissen Zeit wieder abgewandt und der Liebe Gottes nicht mehr geglaubt.

Was sollen wir damit, haben sie eher verächtlich gesagt. Haben wir keine anderen Sorgen als die Liebe Gottes? Und dann sind viele wieder ihren alten Göttern nachgelaufen, die nichts von ihnen wollten und sie einfach nur in Ruhe ließen.

 

Was machen wir heute mit Gottes Liebe, liebe Gemeinde? Wollen wir auch in Ruhe gelassen werden?

 

Ich komme zu dem Punkt der Weihnachtsbotschaft, die schwierig zu erklären ist, und die auf den ersten Blick auch etwas unbequem scheint:

Die Liebe Gottes will etwas von uns.

Gott schenkt uns seine Liebe nicht ohne Folge!

Gottes Liebe ist nicht einfach heiße Luft, die sich bald in den Weiten dieser Welt verflüchtigt.

Gottes Liebe will etwas von uns.

Das ist aber keine Vorbedingung, liebe Gemeinde.

Gott wurde Mensch, ohne dass er daran irgendeine Bedingung geknüpft hatte – es war Gottes freier Wille.

Jesus war ein Mensch, ohne dass wir gefragt wurden oder gefragt werden.

Jesus liebte, berührte Menschen und heilte sie sogar ohne Geld dafür zu bekommen.

 

Und dennoch will die Liebe etwas von uns.

Und das möglichst bald.

In der etwas altmodischen Sprache des Apostels Johannes heißt das, dass die Liebe Gottes uns reinigen will und wir uns reinigen sollen, damit die Liebe glänzen kann.

Das soll Gottes Liebe in uns bewirken.

 

Reinigen – das ist waschen, putzen, frisch anziehen – alles Tätigkeiten, die wir schon äußerlich erledigt haben.

Wir alle haben uns auf dieses Weihnachtsfest vorbereitet.

Äußerlich zumindest glänzt und funkelt alles.

Wir sind bereit, zu hören, warum wir das gemacht haben:

 

Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – Gott hat seinen Anfang gesetzt.
Nun soll nichts mehr so bleiben, wie es war.

Nun soll auch unsere Liebe glänzen, so hell wie möglich. Ihr wisst, dass er erschienen ist, damit er die Sünden wegnehme, all das Unehrliche und all die Verstellungen und das Versteckte.

 

Das will Gottes Liebe von uns.

Schuld und Sünde will er uns nehmen.

Wir feiern heute die Geburt Gottes in der Welt.

Wir hören, beten und singen davon, dass Gott uns rein machen will.

Nicht nur seine, sondern auch unsere Liebe soll glänzen, ganz echt und unverfälscht.

Nicht nur die Straßen, die Wohnungen und die Geschäfte sollen glänzen, sondern auch unsere Gesichter, die Hände und möglichst auch die Herzen.

Wir sollen gleichsam überfließen vor Mitgefühl und Zuwendung, damit die Welt um uns herum erkennt, wer der einzige und wahre Gott ist.

 

Wenn das nur so einfach wäre, wie es klingt, nicht wahr?

Mit Johannes erkenne auch ich:

Ich kann von der Liebe Gottes nur predigen, ich kann nur daran erinnern; aber ich kann Sie keinem Menschen einpflanzen.

Jeder von uns muss es selbst zulassen, von Gott geliebt zu werden.

Wir sind geliebt.

Wir sind Gottes Kinder.

Und was sollen wir damit machen?

Wir sollen uns einfach nur daran erfreuen.

 

So erwachsen wir sind und so eifrig und tüchtig wir uns das Leben planen, gestalten und mehr oder weniger im Griff zu haben meinen, so sehr sind und bleiben wir auch Kinder des großen Gottes.

Je mehr wir das wissen, liebe Gemeinde, und je ernster wir das nehmen können und wollen, desto ehrlicher werden wir auch zu uns selber, glaube ich.

 

Wir sind auch Kinder, meistens gut versteckte, aber auch wirkliche Kinder.

Und wir sehnen uns danach, dass jemand uns schützt, begleitet und uns das Leben und die Liebe zutraut.

 

Lassen wir es wieder zu, mit Kinderaugen Weihnachten zu sehen.

Lassen wir es wieder zu, uns wie Kinder über Weihnachten zu freuen.

Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen, sagt Jesus.

 

Das hat was mit Ehrlichkeit zu sich selbst zu tun.

Ehrlichkeit, die sich eingesteht, ich kann nicht alles, ich weiß nicht alles, ich bin der Liebe bedürftig wie ein Kind.

Nur diese ganz tiefe und unverstellte Ehrlichkeit kann uns für die Liebe Gottes öffnen.

Sie öffnet uns für die Liebe Gottes, des Vaters, der uns die Furcht nehmen kann, in der Welt alleine zu sein.

Wir sind nicht einsam. Gott ist neben uns.

Wir finden ihn, wenn wir ihn von ganzem Herzen suchen.

 

Die Ehrlichkeit, als große und erwachsene Menschen auch immer kleine und schwache Kinder zu bleiben, öffnet uns auch für die Liebe, die wir weitergeben können.

Die anderen Menschen brauchen uns.

Vor allem die, die immer laut sagen, dass sie niemanden brauchen, brauchen uns am meisten:

Sie brauchen unser Verständnis, unseren Schutz; manchmal auch unsere Finanzkraft Geld;

Auf jeden Fall immer unser Gebet.

 

Wir sind geliebt von Gott

Wir sind seine Kinder.

Ich wünsche uns an diesem Weihnachtsfest, dass wir uns wieder freuen darüber freuen können, wie die Kinder;
dass wir Gottes Liebe in uns glänzen lassen in der Welt – weit über Weihnachten hinaus.

Und dann bleibt hoffentlich die Liebe Gottes nicht nur ein Wort, sondern wird zur fröhlichen Tat, die unsere Welt liebenswerter macht. Amen.

 

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.