11.02.2024 - "An klarer, kühler Quelle" Predigt zu Amos 5,21-24 am Sonntag Estomihi (Vikar Fabiunke)

Liebe Gemeinde,

 

lese, höre, ja sehe ich richtig?

Gott verbietet das Feiern?

Der Prophet Amos, der Gott seinen Mund nur ausleiht, spricht unmissverständlich:

Ich hasse und verachte eure Feste“

 

Hier in Franken mit seinen Biergärten klingt das ganz merkwürdig, was Amos da sagt.

 

Ich mag eure Versammlungen nicht riechen“

 

Nun ja, wo Menschen eben feiern, gerade in geschlossenen Räumen, da „müffelt“ es eben ein bisschen nach Körperausdünstungen und das ein oder andere Bier, oder die ein oder andere Cola gehen eben auch mal verschüttet.

Aber schön ist es doch trotzdem!

 

und an euren Speiseopfern habe ich kein Gefallen“

 

Na Mensch: Jetzt soll der Topf mit Wienerle etwa auch noch verschwinden?

 

Und euer fettes Schlachtopfer sehe ich nicht an“

 

Und was muss jetzt noch alles vom Tisch? Der meint doch nicht etwa das Schäufele?!

 

Tu weg von mir das Geplärr deiner Lieder“

Über die Musikauswahl lässt sich reden, aber muss man es denn gleich als „Geplärr“ herabwürdigen?

Ein Fest ohne Musik ist kein rechtes Fest.

Manchmal gehen einem eben die Gespräch aus, und dann möchte ich nicht in einer seltsamen Stille verharren.

Und zur späteren Stunde wollen wir doch auch noch ein bisschen tanzen.

 

Denn ich mag dein Harfenspiel nicht hören“

 

Da gebe ich dir ausnahmsweise Recht, lieber Amos!

Wer braucht auf einem rauschenden Fest ein Harfenspiel?

Bindet den Troubadix an einen Baum, damit wir in Ruhe weiter feiern können.

 

Welch biederer Gott wird uns hier vor Augen gestellt?!

Armer Amos, der den Willen dieses Spaß befreiten Gottes vollstrecken muss.

Welch eine undankbare Aufgabe.

Nun soll er mitten unter seine Leute gehen, und ihnen das Feiern verbieten.

Die Party ist vorbei.

 

Zweifelsohne: Amos Aufgabe bleibt undankbar.

Doch erlauben Sie mir einen kurzen Blick in die Zeit des Amos, damit wir seine göttliche Aufgabe besser verstehen:

Amos sah sich einem, ja seinem Volk gegenüber, das verlernt hatte, schöne Feste zu feiern.

Er musste mit ansehen, wie sich seine Freunde und Bekannten versammelten, um ausschweifende aber Schaden bringende Fest zu feiern.

 

Fest dieser Art, mit großen Schlachttöpfen, dienten zur Zeit von Amos häufig der Ehre Gottes.

Gott sollte in und mit ihnen gehuldigt werden.

Man dachte, dass Gott Gefallen an einem Brandopfer, also einem Tier, was man seinetwegen schlachtete und verbrannte, haben würde.

 

Die Dämpfe stiegen gen Himmel und Gott würde es riechen.

So war die Vorstellung.

Allerdings waren diese Zeremonien eine Gabe Gottes an die Menschen, um größeres Unheil abzuwenden.

Die Bestimmung von Zeit und Ort fiel Gott allein zu.

Nun aber verkamen sie Festorgien.

Es wurde immer und immer wieder gefeiert, auch ohne göttlichen Auftrag;

auch ohne ein größeres Unheil, das es abzuwenden galt.

Man erfand Gründe zu feiern;

Opfer um Opfer wurde angeschleppt;

die Festgesellschaften waren entfesselt.

Es wurde sprichwörtlich gesoffen, gepöbelt und wer weiß, was noch...

Amos wurde Zeuge davon, wie Gott bei diesen Festen zur reinen Chiffre wurde.

Er musste mit ansehen, wie die Menschen Gottes Opferfeste missbrauchten.

Ein dunkler Schleier legte sich über die Stimmung dieser Feste.

Gott war in ihnen vergessen.

 

Und was vielleicht noch schlimmer war:

Sie waren weder Volks-, noch Familienfeste, und auch waren sie keine Feiern der Freundschaft.

Diese Feste, denen Amos Einhalt gebieten sollte, sie waren reinste Selbstzelebrationen.

 

Gott war egal, und der Nächste allein ein Instrument, um sich selbst in höchste Höhen zu schrauben und sich gut zu fühlen.

Feste des Vergessens waren das.

Gottvergessenheit, Selbstvergessenheit.

Solche Feste sind mir nicht fremd.

Solche Fest sind uns heute nicht fremd.

Da kommt man zusammen, doch eigentlich bleibt man ganz bei sich.

Von außen wirkt das Treiben heiter und berauschend.

Doch wie abscheulich geht es da häufig zu.

Der Alkoholpegel steigt, die Streitlust gleich mit.

Es fliegen giftige Worte, nicht selten auch Fäuste.

Minütlich steigt im Rausch die Lust – die Lust an uns selbst!

 

In einem solchen Festsaal ist es dunstig;

vor aggressiver Spannung knistert die Luft;

zu hören ist das Geplärr derer, die sich gerne selbst reden hören, und alle anderen vergessen.

 

Amos kannte solche Versammlungen in seinem eigenen Volk und hielt ihnen ein überraschendes Bild entgegen.

Hinein in diese elende Spielunke möge doch „das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach“ fließen.

 

Es ist, als würde Amos die schlechte Gesellschaft für einen Moment verlassen,

hinaustreten in die kühle klare Nacht.

Vor die Spielunke.

Die Ausdünstungen der Menschen und des starken Alkohols riecht er jetzt nicht mehr;

die Sprüche, die triefende Selbstgerechtigkeit, das Geplärre der Musik – sie hört er jetzt nicht mehr.

 

Draußen, unter klarem Sternenhimmel, steht er allein.

Um ihn herum ist es wunderbar ruhig.

Es plätschert ein Bach frischen Wassers.

Im Schweiße seines Angesichts möchte er sich an diesem Wasser erfrischen.

Er verspürt das Bedürfnis, abzuspülen, was er drinnen zu hören bekam;

wie man ihm blöd kam;

ihn verlachte.

 

Amos sehnt eine Zeit herbei, in der die gegenseitige Rücksicht unter seinen Leuten wieder zunimmt.

Wie tumb und ohne Mitgefühl sie doch sind.

Wie selbstgerecht.

Menschen wie ein „tönendes Erz“.

Die von Amos ersehnte Gerechtigkeit ist die Gerechtigkeit unter den Menschen.

Amos erkannte, dass die Menschen füreinander blind geworden waren.

Er fühlte sich von seinem Nachbarn nicht gesehen, geschweige denn gehört.

Alles um ihn herum war bloßes Geplärre, wie Luther die lärmende Musik übersetzte, die Amos störte.

Obwohl er aus einer großen Gesellschaft von Menschen kommt, wird er erst hier draußen – erfrischt und kühlen Kopfes – wieder zum Mensch.

Unter dem Sternenhimmel, und an kühler Quelle.

 

Gerechtigkeit war für Amos in dem Moment verloren gegangen als sein Volk die weniger-Bemittelten in seiner Mitte vergaß.

Nach altem israelitischen Recht – und dieses war nichts weniger als göttliches Recht – war auch ihnen ein Platz an der großen Festtafel zugedacht.

Sie wurden von den Menschen getragen.

Sie hatte man in der täglichen und selbstvergessenen Feierwut übersehen.

 

Die Gesellschaft, die Amos umgab, vieler seiner Bekannten und Vertrauten machten einen Rückschritt.

 

Amos fürchtete, dass sein Zorn auch Gottes Zorn war.

Weiter lebte aber seine Hoffnung, dass die erfrischenden, ewigen Wasser göttlichen Rechts noch nicht versiegt waren.

Das Gott sie noch einmal sprudeln lassen würde, bevor er seinen Zorn auf das Volk niederprasseln ließ.

 

In tiefer Nacht, nahm Amos Abstand von dem Getöse und der stickigen Luft seines ahnungslosen Volkes.

Doch seine Wünschelrute schlug noch aus; die Ader war noch nicht versiegt.

Amos, dem sein eigenes Volk fremd wurde, war nun gleich dem Beter des 42. Psalmes, wo es heißt:

 

Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser,

so schreit meine Seele, Gott, zu dir.

Meine Seele dürstet nach Gott,

nach dem lebendigen Gott“

 

 

Wohl dem Amos, der noch nach den sprudelnden Quellen des Rechts dürstet.

Wohl dem, der inmitten dieses abartigen gesellschaftlichen Dynamik zwar einen kühlen Kopf, aber dennoch ein warmes Herz bewahrt wie Amos.

 

Die Gerechtigkeit Gottes: sie ist nicht ein abstrakter Gegenstand, den wir kaum begreifen können.

Sonst hätte sie Amos nicht als „nie versiegenden Bach“ beschrieben.

Die Gerechtigkeit Gottes soll strömen, und in ihr selbst ist ein Strom.

Denn sie hat ganz viel damit zu tun, wie wir uns in einen anderen Menschen einfühlen.

Sie strömt zum Anderen hin.

 

Vielleicht ist das rechte Fest, wie es Amos vorschwebte, eine Feier der Schwachheit.

Auf ein rechtes Fest bringen wir unsere Schmerzen und Schwächen mit.

 

 

Auf ein rechtes Fest kommt der Georg, der sich seiner unverhofften Kündigung schämt und noch immer mit dem Vorruhestand kämpft.

 

Da ist die Linda, die ihren Mann so schmerzlich vermisst.

 

Weiter hinten am Tresen steht der Willy, der in Folge einer angeborenen Schwäche vor die Wahl gestellt wurde, ob Frau, ob Wein. Der Wein blieb, Willys Frau ging.

 

Ein rechtes Fest wird von Menschen besucht, die Annahme suchen, und bereit sind anzunehmen.

Die Ausgelassenheit entsteht in der Erwartung der Annahme.

 

Auf einem Fest, wie es Amos vermisst, wissen die Menschen, dass es die totale Selbstverschuldung vor Gott nicht gibt.

Gemeinsam stehen sie im großen Schicksalszusammenhang ihres Schöpfers.

So wird ihnen das Fest geschenkt.

Aber gemeinsam wissen sie auch um ihre Annahme bei Gott.

So wird ihnen die Gerechtigkeit Gottes zu Teil, die lebendig ist, und strömt wie ein nie versiegender Bach.

So wird ihnen eine Freude zuteil, die wahre Freude ist, und ihr ganzes Leben erfüllt.

Amen