30.06.2024 - "Der Marktwert der Schwachheit" Predigt zu 2.Kor 11,18.23b-30; 12,1-10 am 5. Sonntag nach Trinitatis (Pfarrer Fischer)
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde,
heute geht es um die Selbervermarktung.
Wie stehe ich gut da?
In der heutigen modernen Berufswelt oft eine Notwendigkeit.
Ich betone meine Stärken, ich nutze die Online-Präsenz einer Webseite oder in den unterschiedlichsten sozialen Netzwerken.
Ich präsentiere mich überzeugend im Alltag.
Ich lasse mich coachen, damit ich mich in Bewerbungsgesprächen gut verkaufen kann.
Selbstvermarktung beginnt beim den Menschen selbst:
Sich selbst gut kennenlernen und sich darüber Gedanken machen, was wir als Menschen zu bieten haben.
Selbstbewusstsein spielt hier eine wesentliche Rolle.
Stärken und Leistungen sollen in der modernen Arbeitswelt selbstbewusst präsentiert werden, ohne sich dabei unangemessen darzustellen.
Die sog. Qualitäten eines Menschen sollen authentisch und auf eine respektvolle Art und Weise zum Vorschein kommen.
Bei Bewerbungsgesprächen können die Selbstvermarktungsstrategien gezielt eingesetzt werden.
Auch in der Kirche ist die sog. Vermarktung oder Selbstvermarktung gefragt.
Ich denke hier immer wieder an den Auftritt einer Kirchengemeinde in der Öffentlichkeit.
Gibt es da gezielte Informationen im Internet?
Werden die Gemeindeglieder mit einem Gemeindebrief informiert?
Arbeiten wir in unserer Kirchengemeinde oder in der Kirche überhaupt serviceorientiert?
Vermarktung oder Selbstvermarktung in der Kirchengemeinde ist ein kontinuierlicher und sehr zeitintensiver Prozess, der nicht immer gelingt;
denn auch hier gilt die alte Volksweisheit: Einem jeden recht getan ist eine Kunst, die niemand kann.
Wie präsentieren wir uns am besten?
Wer hat eine gute Strategie dafür?
In unserem Predigttext wird deutlich, dass der Apostel Paulus nicht immer die beste Strategie für eine gelungene Präsentation hat.
Paulus tritt in vielen Städten mit seinen Predigten auf.
Kaum ist er in eine andere Stadt unterwegs, tauchen z.B. in Korinth andere Apostel auf.
Das sind großartige Redner, gut geschult und sie kommen in der Hafenstadt Korinth gut an.
Sie machen die Botschaft des Paulus in der Gemeinde zunichte.
Paulus muss sich in seinem Brief verteidigen.
Er versucht, seine Gemeinde davon zu überzeugen, dass diese Apostel nicht besser sind als er selbst und ihre Botschaft nicht besser als das Evangelium.
Paulus ist verzweifelt.
Er greift zum letzten Mittel und wird ironisch.
Hören wir auf seine Worte aus dem 2. Korintherbrief im 11. und 12. Kapitel:
18Da viele sich rühmen nach dem Fleisch, will ich mich auch rühmen.
23bIch bin’s weit mehr! Ich habe mehr gearbeitet, ich bin öfter gefangen gewesen, ich habe mehr Schläge erlitten, ich bin oft in Todesnöten gewesen.
24Von Juden habe ich fünfmal erhalten vierzig Geißelhiebe weniger einen;
25ich bin dreimal mit Stöcken geschlagen, einmal gesteinigt worden; dreimal habe ich Schiffbruch erlitten, einen Tag und eine Nacht trieb ich auf dem tiefen Meer.
26Ich bin oft gereist, ich bin in Gefahr gewesen durch Flüsse, in Gefahr unter Räubern, in Gefahr von meinem Volk, in Gefahr von Heiden, in Gefahr in Städten, in Gefahr in Wüsten, in Gefahr auf dem Meer, in Gefahr unter falschen Brüdern;
27in Mühe und Arbeit, in viel Wachen, in Hunger und Durst, in viel Fasten, in Frost und Blöße;
28und außer all dem noch das, was täglich auf mich einstürmt, die Sorge für alle Gemeinden.
29Wer ist schwach, und ich werde nicht schwach?
Wer wird zu Fall gebracht, und ich brenne nicht?
30Wenn ich mich denn rühmen soll, will ich mich meiner Schwachheit rühmen.
121Gerühmt muss werden; wenn es auch nichts nützt, so will ich doch kommen auf die Erscheinungen und Offenbarungen des Herrn.
2Ich kenne einen Menschen in Christus; vor vierzehn Jahren – ist er im Leib gewesen?
Ich weiß es nicht; oder ist er außer dem Leib gewesen?
Ich weiß es nicht; Gott weiß es –, da wurde derselbe entrückt bis in den dritten Himmel.
3Und ich kenne denselben Menschen – ob er im Leib oder außer dem Leib gewesen ist, weiß ich nicht; Gott weiß es –,
4der wurde entrückt in das Paradies und hörte unaussprechliche Worte, die kein Mensch sagen kann.
5Für denselben will ich mich rühmen; für mich selbst aber will ich mich nicht rühmen, außer meiner Schwachheit.
Ich pausiere kurz die Lesung:
Wie geht es uns mit den Worten von Paulus?
Was spricht uns in dieser Rede an?
Finden wird das alles überzogen?
So überzogen, dass es lächerlich wirkt?
Paulus will das genauso haben.
Er will uns damit verdeutlichen und zeigen, dass es absolut peinlich ist, wenn Menschen mit ihrer Arbeit angeben, oder mit ihren Leiden oder geistlichen Erfahrungen, weil sie daraus einen Verdienst schlagen wollen.
Und dann kommt auf einmal eine ganz andere Tonlage vom Paulus. Hören wir weiter (2. Korinther 12,6–10):
6Denn wenn ich mich rühmen wollte, wäre ich kein Narr; denn ich würde die Wahrheit sagen. Ich enthalte mich aber dessen, damit nicht jemand mich höher achte, als er an mir sieht oder von mir hört.
7Und damit ich mich wegen der hohen Offenbarungen nicht überhebe, ist mir gegeben ein Pfahl ins Fleisch, nämlich des Satans Engel, der mich mit Fäusten schlagen soll, damit ich mich nicht überhebe.
8Seinetwegen habe ich dreimal zum Herrn gefleht, dass er von mir weiche.
9Und er hat zu mir gesagt: Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft vollendet sich in der Schwachheit.
Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, auf dass die Kraft Christi bei mir wohne. 10Darum bin ich guten Mutes in Schwachheit, in Misshandlungen, in Nöten, in Verfolgungen und Ängsten um Christi willen; denn, wenn ich schwach bin, so bin ich stark.
„Denn wenn ich schwach bin, bin ich stark.“
Liebe Gemeinde,
das ist jetzt eine Überraschung am Ende des Predigttextes.
Da ist nichts mehr von Ironie zu merken, da ist nichts mehr lächerlich.
Paulus kehrt zum Alltag zurück und wird ganz nüchtern und real.
Er merkt es vielleicht selbst, dass er nicht so gut ankommt wie die anderen Redner in Korinth.
Er hat vielleicht erkannt, dass er sich nicht so gut verkaufen kann.
Er erkennt, dass auch ihm Grenzen gesetzt sind.
Paulus hat nur eine einzige Botschaft: das Evangelium von Jesus Christus.
Die Botschaft von einem, der als Verbrecher ans Kreuz geschlagen wurde und gestorben ist - in den Augen der Welt die Geschichte eines Versagers.
Und dem sollen die Menschen in Korinth jetzt nachfolgen?
Das ist nicht unbedingt ein Verkaufsschlager.
Es wäre doch viel leichter, wenn man die Sache mit dem Kreuz einfach vertuschen könnte.
Es wäre leichter, davon zu reden, dass Jesus alle menschlichen Schwächen überwindet.
So deuten das die anderen Prediger immer wieder an und kommen besser damit weg.
Die verkaufen sich halt besser.
Man muss sich gut verkaufen.
Und was ist, wenn nicht?
Wie geht es einem Menschen mit einer körperlichen Einschränkung, die sich nur schwer verbergen lässt?
Was tut man, wenn man für ein Referat in der Schule ein ganz schwieriges Thema bekommen hat, das wahrscheinlich nur wenige interessiert?
Was ist, wenn man es nicht schafft, sich gut zu verkaufen?
Paulus wendet sich in seiner Verzweiflung an Gott, an seinen Herrn Jesus Christus.
Er betet.
Diesen „Pfahl ins Fleisch“, diesen schmerzenden Dorn, der muss doch weggenommen werden, wenn Gott will, dass Paulus ein erfolgreicher Apostel sein soll.
Seine Gebete werden erhört.
Aber sein Leiden bleibt.
„Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft vollendet sich in der Schwachheit.“ sagt Christus zu ihm.
Diese Antwort ist eine Herausforderung und für Paulus zugleich eine Kraftquelle.
In ihm wirkt die Kraft Christi.
Sie hilft ihm, Härten und Rückschläge zu ertragen.
Dagegen bringt es absolut nichts, sich dauernd mit anderen zu messen und zu vergleichen.
Jesus sagt im Matthäusevangelium:
Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt.
Ihr könnt und sollt in die Welt hineinleuchten und Würze ins Leben bringen.
Also stellt euer Licht nicht unter den Scheffel.
Du bist, wie du bist, spricht Christus dem Paulus zu.
Ich nehme dir deine Schwächen nicht ab.
Sie machen dich nicht besser und nicht schlechter als die anderen.
Sie gehören zu dir.
Und ich brauche dich so wie du bist.
Ich brauche dich genau mit dem, was du tust.
Trag meine Botschaft weiter.
Hilf den Menschen, hinter die glänzende Fassade zu schauen.
Zeige ihnen, um was es Gott geht.
Es geht ihm um Liebe und Hingabe.
Diese Liebe gilt uns Menschen, sie gilt Ihnen, euch, dir und mir.
Darum ist Gott selbst bereit schwach zu werden, indem er als Mensch in Jesus zu uns kommt.
Gott selbst wird schwach und angreifbar als Kind in der Krippe und auch als er verraten wird und am Ende zwischen Schwerverbrechern am Kreuz den Tod finden muss.
„Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft vollendet sich in der Schwachheit.“
Diese Zusage gilt uns allen.
Du bist so, wie du bist – mit deinen Schwächen und Problemen.
Da ist aber auch die Kraft Christi in dir.
Und du kannst etwas.
Du wirst gebraucht.
Genauso wie du bist.
Ja sicher: Wir können uns als Kirchengemeinden wunderbar in der Öffentlichkeit vermarkten.
Es sind aber nicht unbedingt die großen Aktionen, die das Wesentliche ausmachen.
Es ist der gute Geist, der in unseren Kirchengemeinden weht.
Ein Geist, der uns in unserer Begrenztheit tröstet, aufbaut, belebt und bewegt.
Am Ende sagt uns Paulus: „Darum bin ich guten Mutes in Schwachheit, [ …], denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark.“
Er ist mit seiner Schwachheit versöhnt.
Christus ist die Kraftquelle, aus der Paulus lebt.
Diese Quelle sprudelt auch für uns – ohne Ausnahme, ohne Ende.
Deshalb kann ich für andere Menschen Salz und Licht sein.
Auch und gerade dann, wenn ich schwach bin.
Amen.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.