09.07.2024 - „Zum Abschied“ Predigt von Pfarrer Rudolf Koller zu 1. Kor. 14, 1-3 anlässlich seiner Verabschiedung am 9. Juni 2024 in der Hospitalkirche

„Zum Abschied“

Predigt von Pfarrer Rudolf Koller zu 1. Kor. 14, 1-3 anlässlich seiner Verabschiedung am 9. Juni 2024 in der Hospitalkirche

 

Christus spricht: Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. (Mt. 11,28 - Wochenspruch)

Dass ich heute hier stehe und mit Ihnen Gottesdienst feiere verdanke ich zuallererst zwei Personen: meinen Eltern, die beide hart gearbeitet haben, damit das einzige Kind das Gymnasium besuchen kann und als einziger in der ganzen Familie sogar studieren konnte. Leider können sie aus gesundheitlichen Gründen diesen Gottesdienst nicht mitfeiern.

Aber da sind noch Andere, denen ich von Herzen dankbar bin: Ein Pfarrer, der mir erfolgreich Nachhilfe in Latein gab und mir auch sonst die Augen öffnete. Theologie-Professoren wie Gunter Wenz und Joachim Track, die mir christlichen Glauben mit solidem Wissen und gesundem Menschenverstand nahebrachten.

Und nicht zuletzt jene Männer und Frauen, die mir durch ihr persönliches Beispiel in all den Jahren immer wieder bestätigt haben, dass es richtig gewesen ist, Theologie zu studieren und den Beruf des Pfarrers zu ergreifen, dass ich evangelisch-lutherisch aus Überzeugung sein kann und - vor allem - dass die Botschaft vom gekreuzigten und auferstandenen Christus weitergegeben werden muss - mit der Menschenfreundlichkeit, mit der uns unser himmlischer Vater in Jesus Christus ja schon begegnet ist.

Es ist mir eine besondere Freude, dass von diesem Personenkreis langjährige Freunde und Freundinnen auch von weither zu meiner Verabschiedung gekommen sind.

Gemeinsam hören wir den Predigttext, geschrieben vom Apostel Paulus in 1. Kor. 14. 1-3:

1 Strebt nach der Liebe! Bemüht euch um die Gaben des Geistes, am meisten aber um die Gabe der prophetischen Rede!

2 Denn wer in Zungen redet, der redet nicht für Menschen, sondern für Gott; denn niemand versteht ihn, vielmehr redet er im Geist von Geheimnissen.

3 Wer aber prophetisch redet, der redet den Menschen zur Erbauung und zur Ermahnung und zur Tröstung.

Ich habe den Predigttext gekürzt. Denn im weiteren Fortgang wendet sich Paulus ausführlich gegen die „Glossolalie“, das reden in Zungen, das niemand versteht. Da soll aber nicht unser Thema sein ebenso wenig wie das Thema protestantischer Geschwätzigkeit. Vielmehr lenke ich unsere Aufmerksamkeit auf jene Gabe des Heiligen Geistes, um die wir laut dem Apostel am meisten bitten sollen: die Gabe der prophetischen Rede!

Um Missverständnissen hier gleich vorzubeugen: Prophetische Rede hat nichts mit Zukunftsprophezeiungen aus der Glaskugel oder den

Sternen zutun. Prophetisches Reden wie es in der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments geschieht ist klares und verständliches und v.a. betreffendes Reden! Wie Paulus sagt: den Menschen 1. zur Erbauung und 2. zur Ermahnung und 3. zur Tröstung!

3 altertümliche Wörter, denen ich jetzt mit Ihnen entlanggehen will:

  1. den Menschen zur Erbauung: Dazu eine kurze Anekdote: Zur Examensvorbereitung ging ich 1982 an die Augustana-Hochschule in Neuendettelsau. Im Rahmen eines Seminars arbeitete ich an einem Referat über „Gesetz bei Paulus“. Es war das erste Mal, dass ich mich wirklich intensiv mit den Schriften dieses Apostels beschäftigen musste. Und ich erinnere mich gut, wie mich Tag für Tag und so manche Nacht Aussagen beschäftigt haben wie: „Der Gerechte wird aus Glauben leben“ (Röm. 1. 18) - bis mir endlich im wahrsten Sinne des Wortes ein Licht aufging: Ich, ich bin gemeint!

Ich werde den Moment nie vergessen, wo mich dieses Glücksgefühl überkam, dass ich auf eine Weise akzeptiert und angenommen bin, wie ich mich selbst nie akzeptieren und annehmen könnte - und dies, wie unsere lutherische Tradition betont, allein aus Gnade um Jesu Christi willen.

Das war, liebe Gemeinde, allerdings nur der Startschuss, um in 40 Berufsjahren die frei und froh machende Botschaft des Evangeliums mehr und mehr entdecken und ausschreiten zu können:

- Mir immer wieder vor Augen zu führen, dass Leben ein Geschenk aus Gottes Hand ist - auf dass ich dankbar bin für jeden Tag, den ich erlebe, und überhaupt mich des Lebens freue.

- Dass auch ich etwas genießen darf von dem übergroßen Reichtum mit dem der himmlische Vater diese Welt ausgestattet hat.

- Dass ich in allen Höhen und Tiefen des Lebens wissen darf, dass nichts mich trennen kann von der Liebe Gottes in Jesus, dem Christus.

- Und dass er mir immer wieder von neuem Mut macht, hineinzuwachsen in das, was ich bei Gott schon bin: sein Ebenbild!

Ich belasse es bei diesen wenigen Bemerkungen - sollen sie doch nur verdeutlichen, was Paulus in meinen Augen unter „prophetischem Reden zur Erbauung" versteht: im Grunde alles, was den Christus in uns stark macht!

  1. den Menschen zur Ermahnung: Dieser seligmachende Zuspruch des Evangeliums ist allerdings nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite des Evangeliums ist sein Anspruch! In einer unerlösten Welt mit unerlösten Menschen ist die Christusbotschaft auch ein Schwert, das aufdeckt und trennt: Prophetisches Reden entlarvt Lügen - auch und gerade die, mit denen wir uns selbst belügen. Es stellt Gier und

Maßlosigkeit an den Pranger, deckt frömmelnde Scheinheiligkeit auf und hinterfragt bloßen Aktivismus in der eigenen religiösen Praxis ebenso wie in der eigenen Kirche.

Ich bin deshalb auch heute nicht mehr der Gleiche wie vor 40 Jahren. Ich glaube heute von mir sagen zu können, dass ich den größten Teil meiner damaligen Eitelkeit abgelegt habe, dass ich heute nicht mehr so schnell aufbrause und weitaus versöhnlicher bin, dass ich ein gutes Stück frei geworden bin von dem egoistischen Kreisen um mich selbst.

Was ich hier nicht ausbreite sind die schmerzhaften Erfahrungen, die ich auf diesem Weg auch machen musste - Erfahrungen der Selbsttäuschung und des enttäuscht werdens. Da wünschte ich mir im Rückblick, ich hätte auf manche Ermahnung früher und besser gehört.

„Prophetisches Reden den Menschen zur Ermahnung“ - Als ich 2008 an die Hospitalkirche kam erfuhr ich von ihrem Ruf als der Predigtkirche Hofs. Zu Recht, wie ich in den Jahren der Zusammenarbeit mit Pfarrer Johannes Taig erfahren durfte. Seine Predigten waren in meinen Augen allesamt „prophetisch“, weil er beides miteinander in Beziehung brachte: den seligmachenden Zuspruch des Evangeliums und den göttlichen Zorn über eine gottverlassene Welt und gottvergessende Menschen. Ca. 400 seiner Predigten finden Sie im Archiv unserer Webseite bzw. auf der Hospital-DVD. Und viele seiner Predigten sind heute aktueller als vor 10-15 Jahren. Ich empfehle Ihnen die Lektüre.

  1. Damit komme ich zum Letzten: „Prophetisches Reden den Menschen zur Tröstung“: Pfarrer an der Hospitalkirche haben - bei drei Altenheimen - mit die meisten Trauerfeiern im Dekanat zu absolvieren. Ich habe einmal hochgerechnet, wie viele Beerdigungen ich in den 16 Jahren meines Dienstes hier gemacht habe. Geschätzt ca. 500! …

Das hat etwas mit mir gemacht! Zumal ich Menschen beerdigen musste, die ich auch herzlich liebgewonnen habe - neben Pfarrer Johannes Taig könnte ich jetzt noch andere Namen nennen.

Ich musste mich darin üben, ja, regelrecht eingewöhnen, den Raum der Christusbotschaft auszuschreiten bis an die Grenze, wo unser aller Wissen und Verstehen aufhört: an der Grenze des Todes. Und wo mir und uns allen nichts bleibt, als die Kraft der Worte und Bilder der Heiligen Schrift.

Das freilich ist mir in den Jahren mit zur wichtigsten Erfahrung geworden: Es ist die Botschaft von der Auferweckung Jesu von den Toten, es sind die Worte der Apostel und Evangelisten, es sind die Bilder von einem neuen

Himmel und einer neuen Erde, wo Gerechtigkeit wohnt, die die Kraft haben, auch wirklich zu trösten.

Prophetisches Reden also als hoffnungsvoller Ausblick auf ein Leben in der Vollendung bei Gott und in vollendeter Gemeinschaft.

Gebe Gott, dass ein jeder von uns einen Menschen hat, der ihn gelegentlich freundlich daran erinnert, dass wir alle das Beste noch vor uns haben!

„Wer also prophetisch redet, der redet den Menschen zur Erbauung und zur Ermahnung und zur Tröstung.“

Es ist dieser Dreiklang, der erst ein Ganzes macht. Schon ein Kapitel vor unserem Predigttext hat Paulus ihn durchbuchstabiert als den Dreiklang von Glaube, Liebe und Hoffnung.

Als Seelsorger in der Gemeinde aber auch als Seelsorger an den beiden Hochschulen war es mir immer wichtig von dieser Glaubensgewissheit, von dieser fröhlichen Liebesarbeit und von dieser sehnsuchtsvollen Zukunftshoffnung so klar und so verständlich wie möglich zu reden - sind diese doch das Erkennungszeichen eines wahren Christen und in meinen Augen auch die einzig nachhaltige Therapie für unsere Kirche.

Ich persönlich danke meinem  himmlischen Vater, dass er mich bis zum heutigen Tag durch Höhen und Tiefen meines Lebens behütet hat und mir nun einen neuen Lebensabschnitt schenkt.

Wie heißt es so schön: Pfarrer gehen, die Gemeinde bleibt. Ich gehe und wünsche der Gemeinde der Hospitalkirche Gottes Segen. Den Hofer Hochschulen wünsche ich einen evangelischen Pfarrer - wenigstens einen halben.

Alle, denen ich etwas schuldig geblieben bin, bitte ich um Verzeihung.

Allen, die sich mir verbunden fühlten, danke ich von Herzen.

Uns allen freilich gilt die Aufforderung des Apostels, mit der er unseren Predigttext eingeleitet hat. Er sagte: Strebt nach der Liebe!

So schließe ich mit einer letzten Bitte an Gott und hoffe, dass Sie alle darauf mit Amen antworten können:

Ja, komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen deiner Gläubigen und 

entzünde in ihnen das Feuer deiner Liebe.

Amen