25.08.2024 - "Leben aus Gottes Liebe" - Predigt zu 1.Joh 4,7-12 am 13. Sonntag nach Trinitatis (Pfarrer Fischer)
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Das Predigtwort für den heutigen 13. Sonntag nach Trinitatis steht im 1. Johannesbrief, Kapitel 4, die Verse 7-12:
7 Ihr Lieben, lasst uns einander liebhaben; denn die Liebe ist von Gott, und wer liebt, der ist von Gott geboren und kennt Gott. 8 Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht; denn Gott ist die Liebe. 9 Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen eingebornen Sohn gesandt hat in die Welt, damit wir durch ihn leben sollen. 10 Darin besteht die Liebe: nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsre Sünden. 11 Ihr Lieben, hat uns Gott so geliebt, so sollen wir uns auch untereinander lieben. 12 Niemand hat Gott jemals gesehen. Wenn wir uns untereinander lieben, so bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollkommen.
Liebe Gemeinde!
Die schrecklichen Ereignisse in Solingen beschäftigen uns: Diese Attacke auf unschuldige Besucher des Stadtfestes; ausgeführt durch einen Menschen, der nicht lieben konnte – nur hassen;
vielleicht – das muss sich noch herausstellen - Hass im Namen Gottes.
Unser Predigtabschnitt stellt klar: Das geht nicht – das stimmt nicht. Hass ist nicht das Handwerk Gottes: „Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht; denn Gott ist die Liebe“.
Von Liebe ist im heutigen Predigttext die Rede, fünfzehnmal kommt es in den wenigen Versen vor.
Schon der Verfasser des Ersten Johannesbriefes hatte seine Gründe, so intensiv auf die Liebe Gottes und die Liebe im menschlichen Miteinander hinzuweisen.
Parallelen zu unserer Zeit sind offensichtlich.
Es waren Fragen um Glauben und Leben, mit denen sich die jungen christlichen Gemeinden auseinandersetzen mussten – jeder für sich und im Zusammenleben mit anderen.
Auseinandersetzung mit Andersdenkenden in den eigenen Reihen; es wurde um die christliche Lehre gestritten.
Da gab es Leute, die leugneten, dass Jesus ein wirklicher Mensch war, dass Gott wirklich in Fleisch und Blut Mensch geworden ist.
Hier ging es um den Kern des christlichen Glaubens.
Die Frage nach Wahrheit und Irrtum stand auf einmal im Raum.
Denn wenn Gott in Christus nicht wirklich und hundertprozentig Mensch geworden wäre, dann wäre Jesu Tod am Kreuz nur ein blutrünstiges Schauspiel gewesen – aufgeführt von Gott auf der Bühne der Welt.
Gott hätte dann nicht unser Leid, unsere Schuld, auf sich genommen und am Kreuz getragen.
Die Auferstehung von den Toten hätte keine Bedeutung für uns.
Wir wären des Kerns unseres Trostes und unserer Hoffnung beraubt, dass Gott uns nahe ist und bleibt, dass er uns rettende Erlösung schenkt und das ewige Leben.
Es geht um die Wahrheit des Evangeliums – kurz gesagt: um Gottes Liebe, die in Jesus dem Christus sichtbar und erfahr wird.
Die christlichen Gemeinden damals um das Jahr 100 nach Christus herum waren sich ihrer Sache oft nicht so sicher.
Durch Christenverfolgungen und andere schlimme Erfahrungen schlichen sich Zweifel ein.
Warum müssen die Kinder Gottes, warum muss seine Gemeinde, so leiden?
Auch heute noch fragen wir so, wenn unser Glaube angefochten wird.
Kennen wir nicht auch die Verunsicherungen im eigenen Glauben, ausgelöst durch persönliche Krisen oder durch Katastrophen, Kriege und Terroranschläge?
Wie oft ringen wir um Antworten, um Erkenntnis der Wahrheit, suchen Vergewisserung und Bestärkung?
Gut, wenn wir dabei nicht allein gelassen werden, uns selbst überlassen bleiben.
„Ihr Lieben" oder (wörtlich übersetzt:) „Ihr Geliebten" - mit dieser Anrede beginnt unser Predigtabschnitt.
Ihr Lieben, ihr Geliebten - so spreche ich nur Menschen an, die mir nahe stehen, mit denen ich verbunden bin, die ich kenne, die mich kennen.
„Lasst uns einander lieben, denn die Liebe ist von Gott", aus diesem, diesem einen Gott.
„Ihr Lieben" / „Ihr Geliebten" - damals richtete sich diese Anrede an die gesamten christlichen Gemeinden.
Vergesst nicht, dass Ihr Christinnen und Christen alle – ohne Ausnahme –von Gott geliebt seid.
Denn im Streit oder in hitzigen Diskussionen kann die Liebe leicht verloren gehen.
Streitet um die Sache, aber seht in Eurem Gegenüber immer den von Gott Geliebten.
Du Christ, du Christin – Du bist aufs Ganze mit der Liebe Gottes verbunden.
Denn Gott ist Liebe.
Gott verschenkt sich an uns Menschen mit seiner Liebe.
Für Gott sind wir die Geliebten, gestern, heute und morgen, allezeit.
Das ist das Besondere an unserem Gott, der Jesus, seinen einzigartigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben sollen (V.9).
Können wir diese Liebe annehmen?
Sind wir uns dieses Geschenkes bewusst?
Vergessen wir Menschen nicht oft, was Liebe ist?
Gerade auch als Christinnen und Christen?
Liebe zwischen Menschen ist unendlich beglückend, gibt uns Halt im Leben, Stärke und Kraft für die Zukunft und trägt uns durch schwere Zeiten.
Genau dies ist Gottes Geschenk, dass Geschenk dieses Gottes.
Diese Liebe kommt von dem Gott, der in Jesus von Nazareth wahrer Mensch wurde, unser Bruder.
Diese innige liebende Verbindung mit Liebe, dieses Einssein in der Liebe, ist gleichsam das Wesensmerkmal Gottes: Gott ist die Liebe.
„Ihr Lieben" / „Ihr Geliebten" - wie im wirklichen Leben sucht Liebe nach Erwiderung, sonst verkümmert sie.
Gottes Liebe sucht nach einer doppelten Antwort:
Zum einen sucht der Liebende selbst geliebt zu werden.
Gott liebt uns – ohne dass wir ihn zuvor geliebt haben – das meint „bedingungslos“.
Und er wartet auf unser erlösende „Gott, ich liebe dich auch.“
Gottes Liebe ist bedingungslos, aber nicht folgenlos.
Gottes Liebe sucht nach Erfüllung in unseren Leben.
Gott liebt uns über alle Maßen, sodass wir die Lieben einander weitergeben können, ohne sie zu verlieren.
Ja, im Gegenteil: Je mehr Liebe ich gebe, desto größer wird sie.
Unseren Nächsten, unseren Mitmenschen, lieben wie uns selbst
Auch wenn’s schwer fällt: Sich selbst lieben, wenn der Körper rebelliert, Schmerzen bereitet, krank ist oder ich den Anderen nicht mag?
Liebe Gemeinde,
vielleicht kann uns eine kleine Rosen-Geschichte dabei helfen, innere Widerstände zu überwinden:
Der Dichter Rainer Maria Rilke ging in der Zeit seines Pariser Aufenthaltes regelmäßig über einen Platz, an dem eine Bettlerin saß, die um Geld anhielt.
Ohne je aufzublicken, ohne ein Zeichen des Bittens oder Dankens zu äußern, saß die Frau immer am gleichen Ort.
Rilke gab nie etwas, seine französische Begleiterin warf ihr häufig ein Geldstück hin.
Eines Tages fragte die Französin verwundert, warum er nichts gebe.
Rilke antwortete: „Wir müssten ihrem Herzen schenken, nicht ihrer Hand“.
Wenige Tage später brachte Rilke eine eben aufgeblühte und weiße Rose mit, legte sie in die offene, abgezehrte Hand der Bettlerin und wollte weitergehen.
Da geschah das Unerwartete:
Die Bettlerin blickte auf, sah den Geber, erhob sich mühsam von der Erde, tastete nach der Hand des fremden Mannes, küsste sie und ging mit der Rose davon.
Eine Woche lang war die Bettlerin verschwunden; der Platz, an dem sie vorher gebettelt hatte, blieb leer.
Nach acht Tagen saß sie plötzlich wieder wie früher an der gewohnten Stelle.
Sie war stumm wie damals, wiederum nur ihre Bedürftigkeit zeigend durch die ausgestreckte Hand. „Aber wovon hat sie denn in all den Tagen gelebt?", fragte die Französin.
Rilke antwortete: „Von der Rose..."
Die Rose ist die Blume der Liebe.
Sie drückt vor allem tiefste Wertschätzung aus.
Zuhören kann wie eine Rose sein, das Sichinteressieren für mein Gegenüber, das Bemerken des Glücks oder der Traurigkeit eines anderen Menschen.
Eine Rose trägt meist den Namen „Du".
Das, was Rosen auslösen, ist regelrecht ansteckend und heilsam, heilt mindestens für einige Zeit meine Beschwerden, räumt Hindernisse aus dem Weg, gibt mir einen neuen Blick auf Menschen und Ereignisse, auf meine eigene Lebenssituation.
Der Briefschreiber Johannes geht sogar so weit, dass er sagt: Wer nicht liebt, kennt diesen Gott nicht, denn dann müsste er doch lieben.
Wenn ich so geliebt werde, kann ich gar nicht anders als Liebe zu erwidern, auszustrahlen und weiter zu geben.
Liebe zu leben, heißt stets zu bedenken, dass mein Glaube an Gott und mein Handeln im Alltag untrennbar zusammengehören.
Erinnern wir uns an die Aussage von Jesus in unserem Wochenspruch:
Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.
Gott kam in Jesus zu uns in diese Welt, damit wir wahres Leben finden; damit Versöhnung zwischen Gott und jedem Menschen möglich wird.
Gott wird uns immer lieben – und wir unvollkommene und fehlbare Wesen sollen es wenigstens, immer wieder versuchen.
Weil Gott uns zuerst geliebt hat.
Weil wir mit der Taufe zu ihm gehören.
Weil wir aus ihm, der Quelle der Liebe, leben können.
Wir können dies Gnade nennen.
„Niemand hat Gott jemals gesehen" (V.12), betont Johannes.
Aber seine Liebe in dieser Welt ist erkennbar.
Das Wesentliche ist ja oft unsichtbar.
Verbirgt sich hinter einem Schleier oder unter der Oberfläche.
Gehen wir auf Entdeckungsreise! Entdecken wir die Liebe Gottes in dieser Welt.
Wir finden sie in einem Lächeln, einem Gruß, einer Freundlichkeit.
In der Liebe, die manchmal aufleuchtet und im Bewusstsein der Zusammengehörigkeit spürbar wird, in der Gemeinschaft und der Offenheit füreinander.
Was nicht sichtbar ist, ist trotzdem da, wie Gott da ist, manchmal spürbar, manchmal verborgen.
Es ist wie im alltäglichen Leben, wenn wir das eine Mal Durchblick und Erkenntnis haben und ein ander Mal blind vertrauen müssen.
Gottes Liebe ist da – das lasst uns nicht vergessen.
Suchen wir nach Zeichen seiner Liebe, nach Gottes Rosenstrauß in unserem Leben.
„Ihr Lieben“ / „Ihr Geliebten“, „lasst uns einander lieben, denn die Liebe ist von Gott“.
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.