01.09.2024 - "Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder" - Predigt zu Römer 8,12-17 am 14. Sonntag nach Trinitatis (Pfarrer Stefan Fischer)

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

 

Das Predigtwort für den heutigen Sonntag hören wir aus dem Römerbrief im 8. Kapitel, die Verse 12-17:

12 So sind wir nun, liebe Brüder, nicht dem Fleisch schuldig, dass wir nach dem Fleisch leben.

13 Denn wenn ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet ihr sterben müssen; wenn ihr aber durch den Geist die Taten des Fleisches tötet, so werdet ihr leben.

14 Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder.

15 Denn ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet; sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater!

16 Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes Kinder sind.

17 Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, wenn wir denn mit ihm leiden, damit wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden.

 

Liebe Gemeinde!
„Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder!“, genau an diesem Vers bin ich hängengeblieben.

Er hat sich schon vor Jahren in mein Gedächtnis eingebrannt.

Er ist mir besonders tröstlich, ich ihn schön und wichtig finde.

Allerdings weckt er in mir auch unangenehme Assoziationen.

Ich muss an Menschen denken, die sich auf den Geist Gottes in ihrem Tun berufen;
Menschen, die überzeugt davon sind, genau nach dem Willen Gottes zu handeln;
die sich als Gottes Kinder, als Auserwählte fühlen und in Ihrem Tun dabei unmenschlich sind.
Ich denke an religiöse Fanatiker, die im Wahn, den Willen Ihres Gottes umzusetzen Unheil über andere Menschen bringen.

 

Es ist sicherlich kein Zufall, dass mir in diesem Zusammenhang zuerst Islamisten einfallen; Menschen, die den Islam in ein teuflisches System pervertieren und Menschen unterjochen, versklaven, terrorisieren und ermorden.
Doch - Menschen, die sich ganz besonders von Gott geleitet und erwählt wähnen gibt es genauso unter uns Christen.

In der Vergangenheit ebenso wie in der Gegenwart: Ich denke an Leute, die deutlich sagen, dass sie sich für die besseren Christen halten und anderen ihren Glauben absprechen.

In Amerika, besonders in den USA, ist die sogenannte „christliche Rechte“ seit Jahren stark und bildet unter anderem das Rückgrat der Republikanischen Partei.

George W. Bush wird als erster dieser Präsident dieser erzkonservativen und fundamentalistischen christlichen Strömung angesehen.

Zur Zeit verehrt diese christliche Rechte einen Anderen messiasartig: Donald Trump - was eigentlich über diese Bewegung schon genug aussagt.

Das Diffamieren, Ausgrenzen, Spalten gehört zur religiösen Kultur dieser Christen dazu.

Wie selbstverständlich wird sich zum Durchsetzen politischer Interessen dabei auf Gott berufen.

Ja sogar auf direkte Eingebungen Gottes.
Der Heilige Geist habe gesprochen und dergleichen.

Wer gegen diesem göttlichen Machtanspruch widerspricht, wird verteufelt.

 

Und genau das ist der Punkt:
Hier vollzieht sich ein Machtmissbrauch.

Eine Instrumentalisierung der göttlichen Macht um leichtgläubige Menschen zu manipulieren.

Dabei muss ich deutlich anmerken:

Nichts gegen göttliche Visionen oder göttliche Eingebungen!

Die Bibel ist voll davon!

Wir müssen hier sorgfältig die Geister scheiden – im wahrsten Sinne des Wortes.

Der Heilige Geist wirkt – auch heute noch – ohne Frage.

Menschen haben immer wieder direkt von Gott Weisung bekommen: Abraham z.B., Moses, Maria und Josef.

Und auch Personen außerhalb der Bibel durften Gottes Ansprache erfahren:
Martin Luther ist mir da natürlich eingefallen.

Sein Auftritt vor dem Reichstag in Worms 1521 ist dafür ein gutes Beispiel:

Er steht als gelehrter Mönch allein vor Kaiser und Reich und dem päpstlichen Gesandten.

Hat Welt und Kirche gegen sich, die beide göttliche Autorität für sich beanspruchen.

Und Luther weiß: Das ist nicht Gott, der zu seinen Gegnern gesprochen hat.

Martin Luther vertraut auch auf Gottes Geist, aber nicht irgendwie, sondern ganz konkret:
Gott spricht aus der Heiligen Schrift, die wir mit unserer Vernunft lesen und verstehen sollen und Gott spricht in meinem Gewissen zu mir.

Alle drei zusammen lassen damals Luther mutig und sicher werden: Bibel, Vernunft und Gewissen.

Also: Hoffentlich wirkt Gottes Geist mitten unter uns – in unseren Versammlungen, in unserem Miteinander, in unserem ganzen Leben.

Aber wenn einer den Anspruch erhebt, vollmächtig in Gottes Namen zu reden, heißt es wachsam zu sein und zu prüfen.

So prüft, liebe Gemeinde, was ich Euch heute sage und was andere Euch über Gott erzählen.

Prüft, vor allem durch die Bibel, im Gebet und im vernünftigen Gespräch mit Schwestern und Brüder im Glauben.
Uns allen ist aufgetragen, die Geister zu scheiden.

Die bösen Geister, die sich zwischen uns und dem Heiligen Geist drängen wollen.

Bleiben wir wachsam!

„Prüft aber alles, und das Gute behaltet“, sagt Paulus selbst im 1. Thessalonicherbrief im 5. Kapitel.
Jahre später schreibt Paulus dann an die Christen in Rom.

Ja, ausgerechnet Paulus, ein ehemaliger religiöser Fanatiker!

Einer, der sich auf Gott berufen hatte, und völlig auf dem Holzweg war.

Blut hatte er an den Händen, schreibt er selbst.

Bis ihn Gott auf die richtige Spur gebracht hat.

Bis er auf dem Weg nach Damaskus die Begegnung mit dem auferstandenen Christus erlebt hat.

Nach drei Tagen gingen ihm im wahrsten Sinne die Augen auf und er konnte endlich die Geister scheiden.

 

„Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder!“

 

Liebe Gemeinde, ich denke uns ist solch ein religiöser Eifer eher fremd – Gott sei’s gedankt!.

Doch wir leben hoffentlich unseren Glauben aus Überzeugung!

Aber die größte Überzeugung droht im Alltag mit der Zeit zu verflachen, zu verglühen.

Kochendes Wasser wird mit der Zeit lau und irgendwann erkaltet es.

Das droht auch unserem Glauben

 

Deshalb darf ich uns heute mal wieder fragen:

Was motiviert uns?

Warum stehen wir morgens auf?

Was treibt uns an, ja was hetzt uns?

Beruf, Familie, Ehrenamt … jeder von uns kennt seine Aufgaben genau.

Und die meisten machen wir auch gern und aus Überzeugung.

Die Kunst ist aber, die Lust und die Überzeugung heiß zu halten.

 

Ein Problem ist, dass es immer und überall dieselben Engagierten sind, die sich engagieren, und die dabei zerrieben werden!

Warum sich viele Menschen dankenswerterweise doch einsetzen, ist auch klar:

Weil es gemacht werden muss,
weil sich eine Kirchengemeinde nicht alleine leitet – auch nicht von einem Pfarrer allein geleitete werden darf – und es einen Kirchenvorstand braucht. Danke an alle Männer und Frauen, die sich für die Kirchenvorstandswahl am 20. Oktober gerne zur Wahl stellen!
Ehrenamtliche setzen sich ein, weil ein Gemeindefest nicht stattfindet, wenn wir dabei nicht mithelfen!
Weil die Schule einen Elternbeirat oder einen Förderverein braucht, der geleitet wird, weil unsere Vereine engagierte Vereinsvorstände braucht … usw."
Gott sei Dank – dass es diese Frauen und Männer noch gibt – und das hoffentlich noch lange Zeit.

Gleichzeitig sehe ich die Not und hör immer wieder die Klagen:

keiner hat mehr Zeit, keiner findet Ruhe, ist gehetzt und getrieben.

Kinder, Eltern, Großeltern.

Wie in einem Hamsterrad leben wir!

Klar – ganz so schwarz-weiß ist es sicher nicht immer.

Aber wir können immer wieder an unsere Grenzen kommen.

Und deshalb sollten wir uns auch immer wieder fragen:

Welche Geister treiben mich?

Welchen Raum in meinem Leben nimmt Gottes Geist ein?


Liebe Gemeinde, am Anfang der Predigt bin ich an einem Satz unseres Textes hängengeblieben, ein Satz, aus dem Zusammenhang gerissen, so wie Fanatiker es tun: Bloß nicht nach rechts oder links schauen!

 

Aber der Text geht ja weiter:
Denn ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet; sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater!

 

Und nun merken wir, dass dieser Text des Paulus nicht zum religiösen Fanatismus taugt.

Diese zwei Verse sind eine Einladung, sind Trost!

Sie führen aus dem Hamsterrad unseres Alltags heraus!

Für mich heißt das:

Natürlich müssen wir unsere alltäglichen Pflichten erfüllen.

Sonst wären wir auch nicht glücklich!
Denn wir’s tun, wenn wir für unsere Familien sorgen, den Finger für Kirche und Vereine krumm machen und unsere Brötchen verdienen, stellt sich doch hoffentlich Zufriedenheit und Dankbarkeit ein.

Aber es gibt ein Zuviel: Wenn wir nur noch funktionieren und nicht mehr „Nein“ sagen können, aus Angst, wir könnten was verpassen oder wir könnten etwas verlieren.

Die Angst war und ist schon immer ein schlechter Lehrmeister.

Gott will uns diese Angst nehmen!

„Einen kindlichen Geist“, sagt Paulus, haben wir von Gott empfangen.

Kinder haben erst mal Vertrauen zu ihren Eltern – das Urvertrauen!

Keine Angst, bei Mama und Papa ist alles gut!

Das sollen wir auch haben als Kinder Gottes.

Im Vertrauen auf Gott wächst Gelassenheit.

Der Druck schwindet und ich habe endlich wieder den genussvollen Blick auf als das, was mir Gott schon geschenkt hat.

Aus der Gelassenheit wächst die Dankbarkeit!

Und aus der Dankbarkeit wächst die Zuversicht.

Kinder haben diese Offenheit.
Sie vertrauen auf Mama und Papa, dass es auch in Zukunft gut wird.

Kinder lassen sich schnell für Neues begeistern, und anderes, was nichts mehr taugt, fliegt dann auch mal in die Ecke.

 

Gottes Geist will uns anrühren:
unser enttäuschtes, ängstliches oder kleingläubiges Herz.
Lassen wir’s zu!

Lassen wir Gott bewusst in unser Leben.

Lassen wir es zu, das Glück wieder Kind sein zu dürfen.

Mit aller Begeisterung;
mit aller Entschiedenheit;
mit allem Glück.

Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder!  Amen.


Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.