15.12.2024 - "Annahme und Hoffnung" - Predigt zu Römer 15,4-13 am 3. Advent (Pfarrer Stefan Fischer)
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde,
wie werden die nächsten Tage bei Ihnen aussehen?
Oh, so stöhnt bei dieser Frage fast jeder weihnachtliche Mensch: Es ist noch so viel zu tun vor Weihnachten, so viele Vorbereitungen sind zu treffen: Geschenke sind zu besorgen, Einladungen auszusprechen, die Weihnachtspost zu schreiben, das Weihnachtszimmer herrichten und vieles mehr.
Dazu kommen die Weihnachtsfeiern und die Lieder, die in jedem Geschäft auf das Weihnachtsfest einstimmen wollen. „So viel Stress!“, so seufzen viele.
Außer Puste geraten, erreichen wir das Weihnachtsfest.
Da beschleicht einen schnell das Gefühl, dass hier etwas nicht stimmt.
Da sind einerseits unsere bunte Weihnachtswelt und andererseits die ärmliche Krippe und das Jesuskind.
Wie passt das zusammen?
Und dann begegnete uns eben in der Schriftlesung einer, der auf eine ganz eigenwillige Weise Vorbereitungen für das Kommen von Jesus getroffen hat: Johannes der Täufer, der knorrige Wegbereiter Johannes, der damals in der Wüste gelebt hat, der ein halbes Jahr vor Jesus geboren wurde und der Jesus dann getauft hat.
Wie können wir dem Herrn, dem „Christuskind“, angemessen den Weg bereiten, dass es zu uns findet, zu uns in unsere Welt, unsere Zeit, unsere Herzen?
Der Weihnachtsrummel ist es bestimmt nicht, aber so wie Johannes können wir natürlich auch nicht.
Der Apostel Paulus hat aber noch eine ganz andere Möglichkeit entdeckt.
Die hat er der Gemeinde in Rom geschrieben.
Eigentlich geht es bei diesen Worten um die Schlichtung von Streit unter den römischen Gemeindemitgliedern, die von ganz unterschiedlicher Herkunft waren.
Aber die Worte des Paulus kann man auch gut im Blick auf unsere Frage verstehen:
Wie gelingt es uns, dem Kind in der Krippe angemessen den Weg zu bereiten?
Ich lese aus dem 15. Kapitel des Römerbriefs die Verse 4-13
(4) Was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, damit wir durch Geduld und den Trost der Schrift Hoffnung haben.
(5) Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander, Christus Jesus gemäß,
(6) damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt, den Vater unseres Herrn Jesus Christus.
(7) Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob.
(8) Denn ich sage: Christus ist ein Diener der Juden geworden um der Wahrhaftigkeit Gottes willen, um die Verheißungen zu bestätigen, die den Vätern gegeben sind;
(9) die Heiden aber sollen Gott loben um der Barmherzigkeit willen, wie geschrieben steht (Psalm 18,50): »Darum will ich dich loben unter den Heiden und deinem Namen singen.«
(10) Und wiederum heißt es (5.Mose 32,43): »Freut euch, ihr Heiden, mit seinem Volk! «
(11) Und wiederum (Psalm 117,1): »Lobet den Herrn, alle Heiden, und preist ihn, alle Völker! «
(12) Und wiederum spricht Jesaja (Jesaja 11,10): »Es wird kommen der Spross aus der Wurzel Isais und wird aufstehen, um zu herrschen über die Heiden; auf den werden die Heiden hoffen.«
(13) Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes.
Liebe Gemeinde,
ich höre aus diesen Worten zwei Gedanken heraus, die auch noch heute von Bedeutung sind, gerade im Blick auf Weihnachten:
Das ist erstens der Satz: Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat.
Einander annehmen ist ja bekanntlich eine christliche Tugend: Gastfreundschaft, Freundlichkeit auch Fremden gegenüber und natürlich erst recht unter christlichen Geschwistern in der Gemeinde und in der Kirche insgesamt.
Die Frage, die sich uns dabei aber stellt ist:
Annahme um welchen Preis?
Seit wir wissen, dass Deutschland zur Basis islamischer Terroristen geworden ist,
seit dem wir wissen, dass in unserer Gesellschaft nationalsozialistische Einstellungen genauso wie links-sozialistische wider Zuwachs erfahren,
seitdem wir wissen, dass ein friedlicher und sozialer Staat keine Selbstverständlichkeit mehr sind -
wissen wir auch, dass es keine absolute Toleranz und schon gar keine Annahme des Bösen geben darf.
Das Böse darf ich nicht tolerieren.
Der Menschen, der hinter diesen schrecklichen und verabscheuungswürdigen Taten steht, bleibt ein Geschöpf Gottes.
Denn Gott hasst die Sünde,
aber er liebt den Sünder.
Wer jetzt empört ist und denkt: aber das geht doch nicht!
Kommt einer, der unzählige Menschenleben auf dem Gewissen ist, etwa ungeschoren davon?
Fundamentalistische Christen in den USA fordern hier dann auch die Todesstrafe nach dem Motto „Auge um Auge, Zahn und Zahn“.
Aber vor Gott gibt es keine großen und kleinen Sünden.
Sünde ist Sünde.
Sünde heißt Leben ohne Gott.
Leben ohne Gott – entweder dauerhaft, weil ich mich so entschieden habe -;
oder leben mit dem falschen Gott;
oder leben mit Gott in einer, wie wir heute sagen, „On-Off-Beziehung“: Ich glaub schon an ihm, aber ich kann es nicht durchhalten:
ich geh immer wieder fremd;
oder ich vergesse ihn zu oft in meinem Alltag;
oder mit ist es peinlich in der Öffentlichkeit zuzugeben, dass ich Christ bin.
Über uns allen kräht der Petrushahn lauter oder leiser.
Und so sollen wir uns erst einmal als Sünder annehmen – betroffen und traurig darüber, dass niemand von uns das Recht hat, besser zu sein und über andere den Stab zu brechen.
Nichts desto trotz dürfen wir die bösen Taten nicht tolerieren.
Einsicht ist hier der erste Weg zur Besserung.
Aber wie geht das?
Paulus sagt ja nicht nur: „Nehmt einander an“, sondern auch: „wie Christus euch angenommen hat“.
Das ist der Schlüssel zum richtigen gegenseitigen Annehmen.
Christus hat viele Menschen angenommen und akzeptiert, wie sie waren – selbst wenn sie aus der Gesellschaft ausgeschlossen waren.
Zöllner, die verachtet waren, weil sie die Menschen finanziell ausgenommen haben und unrein waren.
Aussätzige, die wegen ihrer Krankheit als Sünder galten.
Jesus hat eine Ehebrecherin vor dem Tod durch die Steinigung mit dem Satz gerettet: „Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein“.
Reichlich Beispiele.
Dabei hat Jesus aber die Sünde nicht gutgeheißen.
„Jesus liebte den Sünder, aber er hasste die Sünde!“
Jesus nimmt die Ehebrecherin an und sagt ihr ausdrücklich: Steh für deine Tat gerade und tu das nicht mehr!
Den geheilte Aussätzigen hat er zu den Priestern geschickt, damit er Gott loben sollte.
Und die reichen Zöllner hat er zum Teilen aufgefordert.
„Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat“ – für uns heißt das, dass man andere Menschen in ihrem Anderssein annehmen und ernst nehmen kann, ja sogar muss;
und es heißt dann auch: Schaun wir ihre Taten an!
Tatenlos zuschauen, wie in unserem Land demokratiefeindliche Parallelgesellschaften entstehen, sondern eher mit Gleichgültigkeit anderen gegenüber.
Annehmen ist etwas Aktives.
Wenn ich den Anderen annehme, dann werde ich aktiv,
dann wende ich mich meinem Mitmenschen zu – und scheue auch nicht die inhaltliche und thematische Auseinandersetzung.
Damit meine ich nicht „Streit suchen“, sondern dem Andersartigen, dem Fremden mit nötigem Interesse und Respekt befassen.
Und das ist anstrengend, weil ich aus meiner Komfortzone aus Vorurteilen und Halbwissen herausmuss.
Lernen ist anstrengend, Kennenlernen ist anstrengend – aber interessant und inspirierend!
So entstehen neue Bekanntschaften, Freundschaften – ich komme auf einen anderen Geschmack.
Ich komme noch kurz zum zweiten Punkt: Es ist die Botschaft der Hoffnung
Der Gedanke der Hoffnung ist in diesem Briefabschnitt auffällig.
Viermal wird die Hoffnung in diesen wenigen Zeilen genannt:
Es wird Bezug genommen auf die Verheißung des Jesaja, dass der Spross, der Nachkomme des Isai kommen wird.
Diese Hoffnung ist mit Jesus in Erfüllung gegangen, glauben wir nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift.
Jesus ist der angekündigte Messias, der Christus.
Mit Jesus, dem Christus, wird uns eine neue Hoffnung geschenkt.
Das meint Paulus: Nimm Gott für dein Leben an – ohne Wenn und Aber!
Glaube an Gott, vertraue darauf, dass er Dich Sünder in Christus angenommen hat und dich retten will.
Vertraue immer wieder darauf, dass er dir reuigen Sünder deine Schuld vergibt und dich freispricht.
Deshalb schau froh und hoffnungsvoll nach vorne;
Vertrau auf Gottes Zukunft!
Wer diese Hoffnung in sich trägt, der hat Gedanken des Friedens und der Freude in sich.
Weihnachten ist nicht nur ein Gedenken an eine längst geschehene Geburt.
Dann wäre es ein düsteres Fest.
Weihnachten lebt von der Hoffnung, dass dieser Gott, um den es geht, lebendig ist!
Mit jedem Adventssonntag zünden wir ein Licht mehr an.
Es wird noch heller.
So bereiten wir der Hoffnung symbolisch den Weg, lassen sie anwachsen.
So kann uns die Vorbereitung auf Weihnachten bei allem Stress nun doch gelingen:
Geben wir unserer Hoffnung Raum, wenn wir die Kerzen anzünden.
Leben und lieben wir aus dieser Hoffnung, dass Gott uns und auch die Welt zum Guten verändern kann!
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, sei mit uns allen, Amen.