12.01.2025 - "Klein anfangen und groß rauskommen" - Predigt zu Matthäus 4,12-17 am 1. Sonntag nach Epiphanias (Pfarrer Stefan Fischer)
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Wir hören das Predigtwort aus dem Matthäusevangelium im 4. Kapitel:
Als Jesus hörte, dass Johannes gefangengesetzt worden war, zog er sich nach Galiläa zurück.
Und er verließ Nazareth, kam und wohnte in Kapernaum, das am See liegt im Gebiet von Sebulon und Naftali,
damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten Jesaja, der da spricht (Jes 8,23; 9,1): „Das Land Sebulon und das Land Naftali, das Land am Meer, das Land jenseits des Jordans, das heidnische Galiläa,
das Volk, das in Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen; und denen, die saßen am Ort und im Schatten des Todes, ist ein Licht aufgegangen.
Seit der Zeit fing Jesus an zu predigen: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!
Liebe Gemeinde,
Jesus beginnt sein öffentliches Wirken in Galiläa.
Er verlässt seine Heimatstadt Nazareth, wo er bis zum Alter von ca. 27 Jahren gelebt und gearbeitet hat, und geht nach Kapernaum am See Genezareth, ca. 40 km entfernt.
Dort beginnt Jesus zu predigen.
Seine Botschaft lautet: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!
Dass Jesus in seiner Heimat Galiläa beginnt ist nicht selbstverständlich.
Evangelist Matthäus erinnert an diese Worte des Propheten Jesaja:
Das Land Sebulon und das Land Naftali, das Land am Meer, das Land jenseits des Jordans, das heidnische Galiläa, das Volk, das in Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen; und denen, die saßen am Ort und im Schatten des Todes, ist ein Licht aufgegangen.
Alles beginnt für Jesus aber mit einer niederschmetternden Nachricht: Johannes, der auch „der Täufer“ genannt wird, ist gefangen genommen worden!
Der „Landesfürst" Herodes hat dies angeordnet.
Es ist nicht der Herodes des Kindermordes von Bethlehem; der war längst tot.
Der neue Herodes ist sein Sohn, Herodes Antipas.
Dieser ließ Johannes verhaften, weil der Täufer den Mund aufgemacht hat und die moralische Verwerflichkeit der Ehe zwischen Herodes mit Herodias öffentlich anprangerte.
Der unerbittliche Bußprediger Johannes warf dem Landesherrn Ehebruch vor und musste dafür ins Gefängnis.
Die Staatsgewalt hatte von ihrer Macht Gebrauch gemacht.
Heute würde man dies glatte eine Menschenrechtsverletzung nennen.
Die Stimme des Johannes wurde also mit der Staatsgewalt zum Schweigen gebracht.
Seine Botschaft aber war keine andere als die, die Jesus auch verkündigte: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!
Johannes lebte vor, was er darunter verstand.
Rein äußerlich, so würde man heute sagen, war er ein echter Freak:
Er trug ein Gewand aus Kamelhaar und aß Heuschrecken und wilden Honig.
Er gönnte sich nichts, und er ließ an denen, die zu ihm kamen kein gutes Haar.
Die Pharisäer und Sadduzäer nennt er „Schlangenbrut".
Er droht mit Gericht und Zorn Gottes.
Ja - und er kündigt einen an, der nach ihm kommen wird.
Er selbst hält sich nicht für wert, diesem die Schuhe zu tragen.
Johannes tauft mit Wasser.
Dieser aber, so kündigt er an, wird mit dem heiligen Geist und mit Feuer taufen.
Es wird ein unauslöschliches Feuer sein, ein Feuer, das alles verbrennt.
Also, so mag mancher Hörer seiner Worte gedacht haben, wird die Botschaft des Messias noch radikaler sein.
Unrecht wird dieser noch klarer beim Namen nennen.
Und wer spürt das nicht ab und zu in sich: die Sehnsucht nach jemandem, der alles Unrecht aufdeckt, der die Spreu mit unauslöschlichem Feuer verbrennt?
Endlich Klarheit! Endlich Gerechtigkeit! Endlich Freiheit!
Das erwarteten die Menschen vom Messias.
Und Jesus?
Was tut er am Beginn seines Wirkens? Er predigte.
Was tut er als hört Johannes der Täufer gefangengesetzt worden war?
Greift er das Unrecht an?
Sammelt er Leute um sich, um in den Palast des Herodes vorzudringen?
Schafft er endlich klare polititsche, soziale und religiöse Verhältnisse?
Nein!
Es heißt lapidar: Er zog sich zurück nach Galiläa!
Warum?
Warum sucht er nicht die Auseinandersetzung mit der herrschenden Macht und dem Unrecht, das durch sie geschieht?
Die Bibel gibt uns auf diese Frage keine direkte Antwort.
Vielleicht deshalb, weil unsere Fragen falsch gestellt sind.
Vielleicht deshalb, weil die Botschaft des Evangeliums eine andere ist als diese: Der Sohn Gottes ist gekommen, um alles Unrecht aufzudecken und die Unrechten mit verzehrendem Feuer zu vernichten!
Und stellt euch vor, liebe Gemeinde:
Selbst Johannes der Täufer im Gefängnis versteht das offensichtlich nicht richtig, was Jesu Programm ist.
Ihn hatte er am Jordan doch als den erkannt, den er ankündigte.
Ihn hatte er getauft - auf dessen ausdrückliches Verlangen hin.
Als Johannes im Gefängnis von den Worten und Taten Jesu hört, lässt er ihn fragen; wir lesen das im 11. Kapitel bei Matthäus: Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?
Und Jesus lässt ihm ausrichten: Geht hin und sagt Johannes wieder, was ihr hört und seht: Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf, und Armen wird das Evangelium gepredigt; und selig ist, wer sich nicht an mir ärgert.
Selig ist, wer sich nicht an mir ärgert?
Waren wir nicht auch dabei uns über Jesus zu ärgern?
Zumindest ein wenig?
Weil er sich zurückzog und sich scheinbar einfach aus dem Staub machte?
Jesus zieht sich zurück nach Galiläa.
Wie am Anfang bereits gesagt, ist auch diese Landschaft weder zufällig noch selbstverständlich.
Galiläa ist das Land am Meer und am See - Heidenland.
Die Regionen von Sebulon und Naftali sind unbedeutend; tiefste Provinz.
Jesus geht bewusst in das Land der kleinen und unbedeutenden Leute.
Das Land am Meer – das Ostfriesland des Heiligen Landes!
Ich weiß, das ist ein dummer Vergleich, weil die Ostfriesen viel besser sind als ihr Ruf.
Doch wir können uns jetzt vorstellen, wie man über die Menschen in Galiläa, in Sebulon und Naftalie dachte.
Sie galten als derb, ungehobelt und ungebildet.
Zu denen geht er hin.
Es ist nicht das Land, in dem die Mode und Kultur der Stadt gepflegt wird.
Es ist das Land jenseits des Jordans, wie es schon Jesaja ausdrückte – und es klingt fast wie „jenseits von gut und böse“.
Auch in religiöser Hinsicht war Galiläa verrufen.
Offiziell war es jüdisch.
Doch in den Augen der aufgeblasenen Tempelstädter aus Jerusalem war es schlicht eben schlicht gottlos, Heidenland.
Jesus geht nicht dorthin, weil dort die besseren Menschen leben.
Nein – er geht bewusst an den Rand der Gesellschaft.
Jesus geht zu denen, die draußen sind.
Ihnen wendet er sich zu!
Und Das Volk, das im Finstern saß, hat ein großes Licht gesehen; und denen, die saßen am Ort und im Schatten des Todes, ist ein Licht aufgegangen.
Dieses Licht ist jetzt aufgegangen!
Gott selbst ist in Jesus von Nazareth gekommen.
Dieses Licht Jesus will die Menschen in der Finsternis zum Guten verändern.
Deshalb ruft Jesus erneut: Tut Buße, ändert Euer Leben! Kehrt um, heißt das übersetzt; Kehrt um von den falschen Wegen, die in den Abgrund verführen, und kehrt zurück auf die Wege eures Gottes, die nach oben zum Leben führen.
Vorsicht! Der Weg nach unten ist immer leichter als der Weg nach oben.
Lasst euch nicht täuschen.
Tut Buße; denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!
Jetzt zum Greifen nahe, sagt Jesus.
Weil ich mitten unter euch bin.
Und das ist auch für uns heute die Botschaft des Jesus von Nazareth, den wir als den Messias, den Christus bekennen.
Auch viele Menschen in unserem Land wandeln in der Finsternis; von ganz oben bis ganz unten, direkt von unserer Haustür;
nicht nur die offensichtlich gottlosen Menschen, sondern auch die religiös übereifrigen, die ständig laut „Herr, Herr“ rufen und doch nicht alle ins Himmelreich kommen werden; nachzulesen bei Matthäus in Kapitel 7.
Sicher sind uns viele Anklänge und Parallelen zu unserer gegenwärtigen Lage in Deutschland eingefallen.
Über viele Missstände und Unsicherheiten könnten wir jetzt klagen.
Wir könnten auf die Politiker und Wirtschaftsbosse schimpfen, oder auf die Jugend, oder überhaupt.
Doch das würde am Ziel vorbeigehen.
Wenn Jesus sein Licht anzündet, dann bin ich der erste, der sein Licht braucht.
Tu Buße, sagt er zu allererst mir persönlich!
Kehr um! Täglich! Immer wieder.
Kehr um und kehr zuerst vor deiner eigenen Haustür.
Geh in dich und räum aus, was Gottes Licht in dir nicht zum leuchten bringt.
Du kannst nur von dem Licht Gottes weitergeben, dass selbst in dir aufstrahlt.
Aber dann geh hinaus und trete für die Sache Gottes ein.
Bau mit an seinem Himmelreich.
Für die Sache Gottes unter den Menschen einzutreten – dafür gibt es keine auserwählten, festen Orte.
Nicht nur hier in den Kirchen, nicht nur in den Gemeindehäusern, nicht nur in unseren kirchlichen Gruppen und Kreisen.
Jeder Ort – und sei es der dunkelste und unscheinbarste Ort – ja vielleicht gerade der – ist der richtige Ort, das Licht der Liebe Jesu unter die Menschen zu tragen.
Und wir alle wissen die dunklen Ecken unserer Stadt und unseres Lebens, wir alle wissen um die Süchte, die uns gefangen nehmen; wir alle wissen um die trostlosen Stuben so vieler älterer und einsamer Menschen, und und und... die Liste ist lang!
Das Volk, das im Finstern saß, hat ein großes Licht gesehen; und denen, die saßen am Ort und im Schatten des Todes ist ein Licht aufgegangen.
Wo immer Ihr auch seid, wann immer Ihr Euren Mund öffnet zum mutigen Wort oder Eure Hände regt zur helfenden Tat, das Licht der Liebe Jesu begleitet Euch.
Ihr seid damit auch – wie es dann in der Bergpredigt heißt – das Licht der Welt.
Deshalb: Lasst das Licht Jesu unter uns aufgehen, und hell und warm strahlen, in uns selbst und für die Welt, in der wir leben.
Amen.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.