09.02.2025 - "Mit Gott an unserer Seite" - Predigt zu Matthäus 14,22-33 am 4. Sonntag vor der Passionszeit (Pfarrer Stefan Fischer)
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde,
eine Vogelmutter schubst die groß gewordenen Küken aus dem Nest. „Auf, fliegt!“
Ein Trainer schickt die Spieler auf Spielfeld. „Los, jetzt seid ihr dran!“
Ein Lehrer sagt: „So, jetzt habe ich es erklärt – Stefan, komm vor, hier steht die Aufgabe an der Tafel. Zeig, was du kannst.“
Das Leben ist manchmal hart.
Es könnte so schön sein.
Wenn man im gemütlichen Nest bleiben könnte.
Man wird versorgt mit Würmern, die einem in den Schnabel hinein gereicht werden.
In der Kabine des Fußballstadions könnte man über die Aufstellung und die bestmögliche Taktik hervorragend diskutieren – keine Frage.
Und die Aufgaben an der Tafel zu lösen, ist doch wirklich nichts, was die Welt braucht!
Es könnte doch so schön sein, aber das Leben schubst uns raus. Immer wieder.
Sprung ins Ungewisse.
Stunde der Wahrheit.
Moment der Entscheidung.
Jetzt gilt es.
Wir begegnen heute einer Geschichte, die um das Vertrauen eines Menschen ringt.
Und das Vertrauen entsteht nicht da, wo wir eingewickelt von Wärme und Schutz sind, sondern entsteht da neu, wo es eben fehlt, wo alle Signale auf rot stehen, wo die Angst um sich greift.
Wo alle Sicherungssysteme ausgeschaltet sind und es nur noch darauf ankommt, was ich jetzt tue.
Alles beginnt damit, dass Jesus seine Jünger ans andere Seeufer schickt.
Das „andere Seeufer“ ist, von Kapernaum aus gesehen, immer das Ufer unterhalb der Golanhöhen, die den See um mehr als 1000 m überragen.
Scharfe Fallwinde können innerhalb kurzer Zeit den friedlich beschaulichen See toben lassen.
Das kann gefährlich werden.
An das andere Seeufer schickt Jesus seine Jünger.
Und - er kommt nicht mit.
Jesus lässt sie allein ziehen.
Wir hören die Geschichte aus Matthäus 14:
22 Nun drängte Jesus die Jünger, unverzüglich ins Boot zu steigen und ihm ans andere Ufer vorauszufahren; er wollte inzwischen die Leute entlassen, damit sie nach Hause gehen konnten.
23 Als das geschehen war, stieg er auf einen Berg, um ungestört beten zu können. Spät am Abend war er immer noch dort, ganz allein.
24 Das Boot befand sich schon weit draußen auf dem See und hatte schwer mit den Wellen zu kämpfen, weil ein starker Gegenwind aufgekommen war.
25 Gegen Ende der Nacht kam Jesus zu den Jüngern; er ging auf dem See.
26 Als sie ihn auf dem Wasser gehen sahen, wurden sie von Furcht gepackt: „Es ist ein Gespenst!“ riefen sie und schrien vor Angst.
27 Aber Jesus sprach sie sofort an. „Erschreckt nicht!“, rief er. „Ich bin’s. Ihr braucht euch nicht zu fürchten.“
28 Da sagte Petrus: „Herr, wenn du es bist, dann befiehl mir, auf dem Wasser zu dir zu kommen!“
29 „Komm!“, sagte Jesus. Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser auf Jesus zu.
30 Doch als er merkte, wie heftig der Sturm war, fürchtete er sich. Er begann zu sinken. „Herr“, schrie er, „rette mich!“.
31 Sofort streckte Jesus seine Hand aus und hielt ihn fest. „Du Kleingläubiger“, sagte er, „warum hast du gezweifelt?“
32 Dann stiegen beide ins Boot, und der Sturm legte sich.
33 Und alle, die ihm Boot waren, warfen sich vor ihm nieder und sagten: „Du bist wirklich Gottes Sohn.“
[kanzelgebet]
Liebe Gemeinde,
das Gegenteil von Vertrauen ist Misstrauen und die Angst, einem anderen über den Weg trauen zu können.
Die Jünger halten Jesus, den sie doch kennen, für ein Gespenst.
Da ist nicht von Erleichterung die Rede, kein „Wie gut, dass du da bist!“ wird laut.
Sie wurden von Furcht gepackt: „Es ist ein Gespenst!“ rufen sie und schreien vor Angst.
Also nach Vertrauen schaut mir das nicht aus.
Und das ist noch nicht einmal der Höhepunkt der ganzen Geschichte.
Der Blick konzentriert sich nun auf einen Jünger, der an sich selbst erlebt, wie leicht es ist, vom Vertrauen zu reden und wie anders es ist, im Vertrauen wirklich loszugehen.
Sein erster Satz ist nämlich noch ganz von diesem Misstrauen erfüllt.
Auch er hat Jesus nicht wirklich erkannt in der Nacht auf dem See.
Ein Gespenst könnte es sein, eine Täuschung, aber doch nicht ER.
„Herr, wenn du es bist, dann befiehl mir, auf dem Wasser zu dir zu kommen!“
Das ist ein Test, eine Bitte, dem Vertrauen auf die Sprünge zu helfen.
Aber es ist vor allem gut, was Petrus da macht.
Das signalisiert nämlich, dass es nicht um ein „blindes Vertrauen“ geht, das von uns verlangt würde.
Wenn Petrus schon nicht sehen kann, was auf ihn zukommt, dann will er doch wenigstens hören, an der Stimme erkennen, ob das Jesus ist, ob er sein Leben riskieren kann.
Das hatte Petrus schon einmal gemacht.
Das Lukasevangelium erzählt das.
Als er Jesus kennengelernt hatte und der ihn gebeten hatte, am hellen Tag die Netze auszuwerfen, da hat Petrus zu ihm gesagt: „auf dein Wort will ich die Netze auswerfen“ (Lukas 5,5).
Das Vertrauen gründet nicht im Misstrauen.
Unser Vertrauen ist immer nur Antwort auf Gottes Wort.
Ich verlasse mich darauf, auch wenn alles anders aussieht.
Und dann sagt Jesus: „Komm!“
Und jetzt kommt es darauf an.
Aus dem Nest raus, auf das Spielfeld, an die Tafel.
Es könnten ja noch ganz andere Situationen meines Lebens vor mir liegen, die jetzt mein dunkler und von den Wellen aufgewühlter See Genezareth sind.
Vielleicht der Schritt in eine neue Arbeitsstelle für die ich beim jetzigen Arbeitgeber kündigen muss, vielleicht aber auch der überfällige Gang zum Arzt oder der Mut, im Leben der Gemeinde einen Dienst zu beginnen, von dem ich noch nicht weiß, ob das gelingen wird.
Vielleicht auch die wichtige Schulaufgabe der Test kurz vor dem Halbjahreszeugnis.
Und Petrus geht.
Sicher mit einiger Vorsicht berührt er die Wasseroberfläche mit seinen Fußsohlen …
Und das Wasser trägt!
Es trägt, er beginnt zu laufen; immer mutiger schreitet er auf dem Wasser aus. Die Wasserwellen und der Schaum kitzeln seinen Füßen.
Doch dann passiert’s; der sicher geglaubte Weg kommt ins Wanken.
Die Wellen türmen sich auf und schlagen für Petrus zusammen.
Da fährt es ihm wie ein Blitz durch den Kopf – das kann alles nicht sein; ich kann nicht auf Wasser laufen; niemand kann auf Wasser laufen …
Es doch so schön sein können.
Petrus hat den Schritt des Vertrauens gewagt und die Wellen tragen ihn.
„Halleluja!“
Wer erlebt das denn schon?
Wäre das keine gute Geschichte, die mich ermutigt und mir eine Leitlinie gibt; ein Lebensziel, auf das ich immer und überall mutig zuschreiten könnte?
So wie Petrus will ich es doch machen: Gott um sein Wort, um sein Erkennungszeichen bitten und dann mutig losgehen.
Aber die Wellen kommen und der Blick zu Jesus reißt ab.
Die Angst steigt empor und das Wasser gibt nach.
Kennen wir das?
Da hat ein Projekt mit knallenden Korken begonnen.
Wie wunderbar – ein tolles Team, lauter motivierte Leute – mit Risikobereitschaft und Mut gehen alle los.
Und dann – schon nach wenigen Metern die große Ernüchterung.
Ob es nun irgendeine fehlende Genehmigung, falsch überschlagene Kosten oder schlicht Streit im Team ist.
Wenn ein Loch im Schlauch ist, ist die Luft schnell raus.
Und die Motivation ist manchmal erschreckend schnell weg.
Erste Achtungserfolge führen noch nicht zum Ziel.
„Herr, rette mich“ – schreit Petrus.
Das ist alles, was von seinem Vertrauen nun noch übrig ist.
So ein Schrei um Hilfe.
Aber das ist immer noch Vertrauen.
Wer das noch nicht erlebt hat, ist vielleicht noch nie richtig rausgegangen.
„Sofort streckte Jesus seine Hand aus und hielt ihn fest.“
Sofort! So steht es da.
Und das tröstet mich.
Sofort streckt Jesus seine Hand aus.
Er hält mich, lässt mich nicht zappeln, spannt mich nicht auf die Probe.
So sehr diese ganze Geschichte auch darauf aus ist, mein Vertrauen wachsen zu lassen, weiß Gott doch, wann wirkliche Rettung angesagt und nötig ist.
„Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“
Das fragt Jesus den Petrus.
Also, ich persönlich finde ja, dass Petrus großen Mut bewiesen hat.
Schon die freche Herausforderung: „Herr, wenn du es bist, dann befiehl mir…“ und dann der erste Schritt raus aus dem Boot auf die dunklen Wellen.
All das, so finde ich, beweist in meinen Augen
großen Mut.
Wir begegnen heute einer Geschichte, die um das Vertrauen eines Menschen ringt.
Dieser Mensch, das ist nicht nur Petrus.
Dieser Mensch, das bin ich.
Dieser Mensch, das bist du.
„Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“
Das fragt Jesus auch uns – dich und mich.
Ich wünsche uns allen, dass das Vertrauen in uns immer so stark ist, dass wir den Schritt auf Jesus Christus zu wagen.
Vielleicht können wir dann übers Wasser gehen – vielleicht auch nicht – wer kann sich schon sicher sein?
Vielleicht sinken wir wie Petrus auch ein und werden nass – ja und vielleicht haben wir auch Todesangst in unseren stürmischen Zeiten.
Eins aber ist sicher – Gott reicht uns seine rettende Hand.
Mit Gott an unserer Seite werden wir nicht untergehen!
Amen.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.