29.06.2025 - "Christus allein!" - Predigt zu Eph 5,17-22 am 2. Sonntag nach Trinitatis (Pfarrer Stefan Fischer)
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde,
1.
Was verbindet uns Menschen?
Scheint doch eine ganz einfache Frage zu sein, eigentlich.
Also, Menschen verbindet, zum Beispiel, eine gemeinsame Sprache.
Ein Mensch, der meine Sprache spricht, kann sich mit mir verständigen.
Ich verstehe die Worte, die er sagt, und die Gesten, die er dazu macht - und ich kann auf ihn angemessen reagieren.
Umgekehrt: Wenn ich allein Gast in einem Land bin, in dem ich die Sprache nicht verstehe, fühle ich mich schnell fremd.
Menschen verbindet - zweites Beispiel - ein gemeinsames Interesse:
Fußball natürlich.
Oder Feste feiern, wie in der letzten Woche mit der Landjugend.
Die Probleme, die unser Land zu spalten drohen, wirken für plötzlich weniger bedrohlich.
Ein gemeinsames Interesse verbindet.
Menschen verbindet - drittes und letztes Beispiel - das, was sie gemeinsam erlebt haben, woran sie sich erinnern.
Eine gemeinsame Geschichte verbindet.
Die Erinnerungen an vergangene Tage, die wieder und wieder erzählt werden oder auf Fotos festgehalten sind, schaffen Identität:
Die verregnete Pfingsttagung, als wir bis zu den Knien im Schlamm gewatet sind.
Die Erinnerung an den Italienurlaub, die Taufe der Kinder – das alles verbindet die Familien.
Eine gemeinsame Sprache, ein gemeinsames Interesse und gemeinsame Erinnerungen verbinden Menschen.
2.
Was aber verbindet uns Christen?
Genauer gefragt: Was verbindet uns Christen hier in Deutschland mit denen anderswo?
Was haben wir mit Christen in Afrika, Asien oder Amerika gemeinsam?
Was verbindet Orthodoxe mit Katholiken, Protestanten mit Anglikanern und Baptisten mit Methodisten?
Wir sprechen verschiedene Sprachen, haben die verschiedensten Hautfarben, und leben unter verschiedenen Umstanden – von ganz arm bis unermesslich reich.
Nicht einmal denselben Gottesdienst feiern wir:
Geht es in unseren protestantischen Gottesdiensten eher zurückhaltender zu, so sind die Liturgien der Ostkirche viel bunter und farbenfroher.
Wir singen unterschiedliche Lieder: Die Gospels der Amerikaner haben aufs erste hören so wenig gemein mit Chorälen von Paul Gerhard und Martin Luther.
Und auch nicht alle großen Feste feiern wir in der Christenheit zur selben Zeit.
Das Weihnachtsfest – bei uns am 25. Dezember, in der orthodoxen Kirche am 6. Januar.
Das genannte kann es also nicht sein.
Machen wir uns also wieder bewusst, was uns als Christenheit verbindet und hören auf die Worte des Predigtabschnitts aus dem Epheserbrief im 2. Kapitel, die Verse 17 bis 22:
Christus ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt euch, die ihr fern wart, und Frieden denen, die nahe waren.
Denn durch ihn haben wir alle beide in einem Geist den Zugang zum Vater.
So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau ineinandergefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn,
Durch ihn werdet auch ihr mit erbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist.
Liebe Gemeinde,
das Verbindende der christlichen Gemeinden ist Christus selbst.
Er ist der Herr aller Gemeinden.
Christus kam und verkündigte den Frieden Gottes: Frieden denjenigen, die nah sind, und denjenigen, die fern sind, so heißt es.
Der Epheserbrief gibt damit erst einmal eine Antwort auf die zutiefst menschliche Frage in der ersten urchristlichen Gemeinde: Wer sind die besseren Christen:
die Christen, die zuvor Juden waren, also schon zum Volk Gottes gehörten, oder die Heidenchristen, die sich erst von ihren früheren Gottheiten lossagen und zu Christus bekannten.
Die Antwort fällt eindeutig aus:
Die Frage, wer der beste Christ sei, ist Quatsch.
Allen, den Nahen und den Fernen, spricht Christus seinen Frieden zu.
Allen: Den Orthodoxen und Katholiken, den Freikirchen und Protestanten auf allen Kontinenten, den reichen und armen Christen der Welt - allen spricht Christus seinen Frieden zu.
Denn alle - damals wie heute - sind durch Ihn geeint, durch Christus, durch Ihn miteinander versöhnt und durch seinen Heiligen Geist zur Einheit im Glauben an Gott, den Vater berufen.
Durch Ihn, Christus, ist die Kirche geeint!
Nicht durch sich selbst.
Nicht durch das, was die Kirchen der Welt lehren und dogmatisch festgelegt haben.
Nicht durch eine gemeinsame Liturgie oder besondere Ämter.
Vieles davon ist geschichtlich bedingt und aus Traditionen entstanden.
Die Kirche und die Konfessionen sind nichts Eigenständiges im Gegenüber zu Christus.
Ganz im Gegenteil – ohne Christus gäbe es uns Christen nicht, keine Kirche, keinen Glauben, keine Rettung.
Das Bild aus dem Bauhandwerk macht deutlich, was Christus für uns bedeutet.
Jesus Christus das Fundament, auf dem unsere Kirchen gebaut sind.
Und zugleich ist er der Eckstein, der Schlussstein oben im Bogen, der alles zusammenhält.
Wir Christen aus aller Welt und aus allen Konfessionen sind es, die das Haus der weltweiten christlichen Gemeinschaft bilden.
Im ersten Petrusbrief werden wir Christen als „lebendige Steine“ bezeichnet aus denen die Kirche Christi gebaut ist.
Aber alles nicht aus uns selbst, sondern allein durch die Kraft des Heiligen Geistes, der uns zum Glauben begeistert.
3.
Die ökumenischen Kirchentage machen immer wieder schmerzlich deutlich, wie sehr wir von trennenden Einflüssen bestimmt sind.
Nachwievor kann es kein gemeinsames Abendmahl geben, weil es das römisch-katholische Verständnis der Eucharistie und des Priesteramts das nicht zulässt.
Und auch bei uns bleiben Menschen vom Abendmahl fern, und schlagen die Einladung des einen Herrn Christus aus, weil es als Frucht des Weinstocks den Saft und nicht Wein gibt.
Aber auch wir Protestanden geben zu oft unserer Konfession zu viel Gewicht.
Historisch geschehen war die Reformation damals unverzichtbar, da sie auf einen schlimmen Fehler verwies und ihn korrigiert hat: Wir brauchen uns Gottes Liebe nicht verdienen; wir können uns von unserer Schuld nicht freikaufen.
Denn Gott hat uns in Jesus Christus seine Liebe gezeigt.
Alles was es braucht ist der Glaube, als das Vertrauen, das mich Christus gerettet und erlöst hat.
Überall dort, wo Hand an das Fundament Christus gelegt wird, muss die Kirche aufschreien und sich von Grund auf erneuern.
Das wussten auch die Reformatoren: Ekklesia semper reformanda – die Kirche bedarf der ständigen Erneuerung – von Christus her und auf Christus hin!
Unser Predigttext mahnt uns:
Durch Ihn, durch Christus, seid ihr, was Ihr seid.
Durch seinen Geist werdet ihr beflügelt zum Glauben an Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Die Kirchen und die Konfessionen: Sie sind nur die menschlichen Gestaltungsformen eben dieses einen Glaubens.
Sie sind nur die verschiedenen Erscheinungsweisen dieses einen Glaubens an diesen einen Gottessohn.
Sie haben keine Autorität aus sich selbst heraus.
Konfessionen stehen immer unter dem Zeichen der Vorläufigkeit.
Sie sind nicht das Ewige, das Endgültige.
Sie sind menschliche Einrichtungen, die um das rechte Verständnis des Glaubens ringen.
Aber sie haben kein Erbrecht auf die Ewigkeit.
Im Blick auf den einen Herrn Christus, der für alle Menschen am Kreuz gestorben ist, erscheinen die Unterschiede der Konfessionen und Kirchen belanglos und nichtig.
Aber so weit sind wir noch nicht.
Noch leben wir in der Verheißung und in der Hoffnung, dass das, was ist, sich ändern lässt.
Noch menschelt es unter uns Christen.
Noch glauben wir, dass wir die Interpretationshoheit haben über das, was richtig ist und was falsch in Sachen Glauben.
Doch das Haupt und das Fundament ist Christus und niemand sonst.
Er allein wird eines Tages die Welt und uns Menschen richten.
Und deshalb ist auch jedes Kirchenamt und jeder Weltbund, jeder Rat, Bischof, Dekan oder Landessuperintendent und auch jede Gemeinde rechenschaftspflichtig dem Fundament und Haupt der Kirche gegenüber.
An Ihm wird sich entscheiden, wo die Kirchen Christus gedient und wo sie Ihn verraten haben.
4.
Damit bin ich beim letzten Punkt der Frage: Was verbindet Menschen?
Menschen verbindet - recht verstanden - auch ihr Glaube.
Der Glaube an Jesus Christus verbindet viele Menschen weltweit.
Er gibt ihnen Heimat und Gemeinschaft.
Er gibt ihnen Traditionen und Kultur - auch wenn diese in ihren Erscheinungsformen verschieden sind.
Das Abendmahl, das wir am kommenden Sonntag feiern werden, macht deutlich, was ich meine:
Wir feiern es nicht aus eigenem Antrieb oder weil es eine unserer Ideen war.
Wir feiern es, weil Jesus Christus selbst es gefeiert hat und er es ist, der uns an seinen Tisch ruft.
Er ist es, der uns untereinander zur Gemeinde verbindet, und nicht wir selbst.
Wären wir selbst es, so gäbe es jeweils genug Gründe, warum der eine mit dem anderen nicht am Tisch des Herrn stehen kann.
Er kommt uns nahe im Teilen des Brotes und im Trinken der Frucht, die aus dem Weinstock Christus kommt.
Durch Christus allein sind wir Hausgenossen Gottes.
Christus allein ist der Schlussstein, der alles zusammenhält – uns als Gemeinschaft – uns als Kirche in nah und fern: Christus allein.
Amen.
Sein Friede, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.