Der Schiffbruch des Paulus und der Biss der Schlange
Apostelgeschichte Kapitel 28
Paulus war ins Gefängnis geworfen worden. Da er römischer Bürger war, konnte er darauf bestehen, daß sein Fall in Rom verhandelt wurde. Er sollte also nach Rom überführt werden:
1 Als unsere Abfahrt nach Italien feststand, wurden Paulus und einige andere Gefangene einem Hauptmann der kaiserlichen Kohorte namens Julius übergeben.
2 Wir bestiegen ein Schiff aus Adramyttium, das die Orte entlang der Küste Kleinasiens anlaufen sollte, und fuhren ab; bei uns war Aristarch, der Mazedonier aus Thessalonich. (...)
7 Viele Tage lang kamen wir nur langsam vorwärts, und mit Mühe erreichten wir die Höhe von Knidos. Da uns der Wind nicht herankommen ließ, umsegelten wir Kreta bei Salmone,
8 fuhren unter großer Mühe an Kreta entlang und erreichten einen Ort namens Kalói Liménes, in dessen Nähe die Stadt Lasäa liegt.
9 Da inzwischen längere Zeit vergangen und die Schiffahrt bereits unsicher geworden war - sogar das Fasten war schon vorüber -, warnte Paulus und sagte:
10 Männer, ich sehe, die Fahrt wird mit Gefahr und großem Schaden verbunden sein, nicht nur für die Ladung und das Schiff, sondern auch für unser Leben.
11 Der Hauptmann aber vertraute dem Steuermann und dem Kapitän mehr als den Worten des Paulus.
12 Da der Hafen zum Überwintern ungeeignet war, beschloß die Mehrheit weiterzufahren, um nach Möglichkeit Phönix zu erreichen, einen nach Südwesten und Nordwesten offenen Hafen von Kreta; dort wollten sie überwintern.
13 Als leichter Südwind aufkam, meinten sie, ihr Vorhaben sei schon geglückt; sie lichteten den Anker und fuhren dicht an Kreta entlang.
14 Doch kurz darauf brach von der Insel her ein Orkan los, Eurakylon genannt.
15 Das Schiff wurde mitgerissen, und weil es nicht mehr gegen den Wind gedreht werden konnte, gaben wir auf und ließen uns treiben.
16 Während wir unter einer kleinen Insel namens Kauda hinfuhren, konnten wir das Beiboot nur mit Mühe in die Gewalt bekommen.
17 Die Matrosen hoben es hoch, dann sicherten sie das Schiff, indem sie Taue darum herumspannten. Weil sie fürchteten, in die Syrte zu geraten, ließen sie den Treibanker hinab und trieben dahin.
18 Da wir vom Sturm hart bedrängt wurden, erleichterten sie am nächsten Tag das Schiff,
19 und am dritten Tag warfen sie eigenhändig die Schiffsausrüstung über Bord.
20 Mehrere Tage hindurch zeigten sich weder Sonne noch Sterne, und der heftige Sturm hielt an. Schließlich schwand uns alle Hoffnung auf Rettung.
21 Niemand wollte mehr essen; da trat Paulus in ihre Mitte und sagte: Männer, man hätte auf mich hören und von Kreta nicht abfahren sollen, dann wären uns dieses Unglück und der Schaden erspart geblieben.
22 Doch jetzt ermahne ich euch: Verliert nicht den Mut! Niemand von euch wird sein Leben verlieren, nur das Schiff wird untergehen.
23 Denn in dieser Nacht ist ein Engel des Gottes, dem ich gehöre und dem ich diene, zu mir gekommen
24 und hat gesagt: Fürchte dich nicht, Paulus! Du mußt vor den Kaiser treten. Und Gott hat dir alle geschenkt, die mit dir fahren.
25 Habt also Mut, Männer! Denn ich vertraue auf Gott, daß es so kommen wird, wie mir gesagt worden ist.
26 Wir müssen allerdings an einer Insel stranden.
27 Als wir schon die vierzehnte Nacht auf der Adria trieben, merkten die Matrosen um Mitternacht, daß sich ihnen Land näherte.
28 Sie warfen das Lot hinab und maßen zwanzig Faden; kurz danach loteten sie nochmals und maßen fünfzehn Faden.
29 Aus Furcht, wir könnten auf Klippen laufen, warfen sie vom Heck aus vier Anker und wünschten den Tag herbei.
30 Als aber die Matrosen unter dem Vorwand, sie wollten vom Bug aus Anker auswerfen, vom Schiff zu fliehen versuchten und das Beiboot ins Meer hinunterließen,
31 sagte Paulus zum Hauptmann und zu den Soldaten: Wenn sie nicht auf dem Schiff bleiben, könnt ihr nicht gerettet werden.
32 Da kappten die Soldaten die Taue des Beibootes und ließen es forttreiben.
33 Bis in die Morgendämmerung hinein ermunterte Paulus alle, etwas zu essen, und sagte: Heute ist schon der vierzehnte Tag, daß ihr ausharrt, ohne auch nur die geringste Nahrung zu euch zu nehmen.
34 Deshalb rate ich euch: Eßt etwas; das ist gut für eure Rettung. Denn keinem von euch wird auch nur ein Haar von seinem Kopf verlorengehen.
35 Nach diesen Worten nahm er Brot, dankte Gott vor den Augen aller, brach es und begann zu essen.
36 Da faßten alle Mut und aßen ebenfalls.
37 Wir waren im ganzen zweihundertsechsundsiebzig Menschen an Bord.
38 Nachdem sie sich satt gegessen hatten, warfen sie das Getreide ins Meer, um das Schiff zu erleichtern.
39 Als es nun Tag wurde, entdeckten die Matrosen eine Bucht mit flachem Strand; auf ihn wollten sie, wenn möglich, das Schiff auflaufen lassen; das Land selbst war ihnen unbekannt.
40 Sie machten die Anker los und ließen sie im Meer zurück. Zugleich lösten sie die Haltetaue der Steuerruder, hißten das Vorsegel und hielten mit dem Wind auf den Strand zu.
41 Als sie aber auf eine Sandbank gerieten, strandeten sie mit dem Schiff; der Bug bohrte sich ein und saß unbeweglich fest; das Heck aber begann in der Brandung zu zerbrechen.
42 Da beschlossen die Soldaten, die Gefangenen zu töten, damit keiner schwimmend entkommen könne.
43 Der Hauptmann aber wollte Paulus retten und hinderte sie an ihrem Vorhaben. Er befahl, daß zuerst alle, die schwimmen konnten, über Bord springen und an Land gehen sollten,
44 dann die übrigen, teils auf Planken, teils auf anderen Schiffstrümmern. So kam es, daß alle ans Land gerettet wurden.
28:1 Als wir gerettet waren, erfuhren wir, daß die Insel Malta heißt.
2 Die Einheimischen waren uns gegenüber ungewöhnlich freundlich; sie zündeten ein Feuer an und holten uns alle zu sich, weil es zu regnen begann und kalt war.
3 Als Paulus einen Haufen Reisig zusammenraffte und auf das Feuer legte, fuhr infolge der Hitze eine Viper heraus und biß sich an seiner Hand fest.
4 Als die Einheimischen das Tier an seiner Hand hängen sahen, sagten sie zueinander: Dieser Mensch ist gewiß ein Mörder; die Rachegöttin läßt ihn nicht leben, obwohl er dem Meer entkommen ist.
5 Er aber schleuderte das Tier ins Feuer und erlitt keinen Schaden.
6 Da erwarteten sie, er werde anschwellen oder plötzlich tot umfallen. Als sie aber eine Zeitlang gewartet hatten und sahen, daß ihm nichts Schlimmes geschah, änderten sie ihre Meinung und sagten, er sei ein Gott.
7 In jener Gegend lagen Landgüter, die dem Publius, dem Ersten der Insel, gehörten; er nahm uns auf und bewirtete uns drei Tage lang freundlich als seine Gäste.